Wie bereits von uns berichtet, nutzt die Polizei in zunehmendem Maße technische Neuerungen, um die Ermittlungsarbeit zu erleichtern. Hierbei spielt auch die Auswertung von Big Data eine in Zukunft nicht zu vernachlässigende Rolle.

Ein Beispiel hierfür ist die Analyse-Software „Pre Crime Observation System“ („Precobs“) zur statistischen Prognose von Straftaten. Nach Angaben von Entwicklern sollen Straftaten – beispielsweise Wohnungseinbrüche – mit einer Genauigkeit von drei bis sieben Tagen mit einem lokalen Radius von 300 bis 500 Metern vorhergesagt werden können. Dies geschieht mithilfe eines Abgleichs mit den Daten mehrerer Tausend Einbrüche der vergangenen Jahre, auf die die Prognosesoftware „Precobs“ zugreift. Gespeichert werden dabei in anonymisierter Form der genaue Tatort, die Tatzeit, Beute und die Begehungsweise.

Professionelle Einbrecher verfolgen ein bestimmtes Muster, das geprägt ist von einer kurzen Tatdauer und häufig die Mitnahme von Schmuck oder Bargeld beinhaltet. Die Täter kehren regelmäßig an Tatorte zurück, an denen sie sich auskennen und die erfolgversprechend sind. Von Kriminologen wird dieses Verhalten als „near repeats“ bezeichnet (sinngemäß: Wiederholung in der Nähe). Die entsprechenden Bereiche werden farblich markiert und sobald ein neuer Einbruch in einem solchen Bereich geschieht, löst die Software einen Alarm aus. Die Ermittler entscheiden daraufhin, in welchem Ausmaß die Polizei im jeweiligen Bereich präsent sein soll.

Eingesetzt wird das Programm derzeit in der Schweiz, wo die Zahl der Einbrüche in Zürich in besonders überwachten Gebieten um 30 Prozent zurückgegangen sein soll. In den USA und in Großbritannien wird an einer vergleichbaren Software geforscht. Die EU fördert entsprechende Forschungsvorhaben schon seit längerer Zeit.

In Deutschland werden die Programme in einigen Bundesländern wie z.B. in Berlin und Brandenburg geprüft. In Berlin wertet man im Zusammenhang mit „Precobs“ die Erfahrungen anderer Bundesländer aus. Gegen den Einsatz von „Precobs“ sprechen die relativ hohen Kosten für die Programme. Für den Einsatz spricht die Treffergenauigkeit des Systems. In der Hauptstadt ist bislang weder eine Entscheidung über die Nutzung der Analyse-Software gefallen noch befindet man sich in konkreten Planungen. Das Berliner Landeskriminalamt versteht „Precobs“ als ein Hilfsmittel zur vertiefenden polizeilichen Einschätzung der polizeilichen Ermittler. Allerdings weisen diese darauf hin, dass sich Straftaten, die im Bereich des Sozialverhaltens wurzeln, nicht vorhersagen lassen. Die Gewerkschaft der Polizei verweist weiterhin darauf, dass es keinen Zugriff auf externe Informationsquellen wie Facebook oder Twitter geben darf. Außerdem sei die Software nicht in der Lage, die Arbeit erfahrener Ermittler zu ersetzen.

Datenschutzrechtliche Aspekte

Die statistische Auswertung im Rahmen des „predictive policing“ ist mit datenschutzrechtlichen Fragezeichen versehen. Die Zulässigkeit der zugrundeliegenden Datenerhebung und -verarbeitung hängt davon ab, ob die Daten personenbezogen sind oder nicht. So weist die Landesbeauftragte für Datenschutz in Niedersachsen, Barbara Thiel, zutreffend darauf hin, dass „bei einer Rastergröße von 150 x 150 Metern in der Stadt nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Trefferbilder ein einzelnes Wohnhaus beinhalten, in dem möglicherweise nur eine Person gemeldet ist.“ Zudem würden sich sämtliche Personen, die sich im genannten Bereich aufhalten, verdächtig machen und im Rahmen der polizeilichen Kontrolle überprüft. Die Landesdatenschutzbeauftragte weist weiterhin darauf hin, dass Einwohner der überprüften Wohngebiete stigmatisiert und im Alltag Vorurteilen ausgesetzt werden. Dies könne dazu führen, dass Personen ihr Wohngebiet verlassen, wenn dieses einen Brennpunkt darstellt und sie sich dies finanziell leisten können.

Nach Ansicht der Landesdatenschutzbeauftragten müssen daher folgende Voraussetzungen für eine vorausschauende Polizeiarbeit in Niedersachsen erfüllt sein:

  • Es dürfen nur öffentlich zugängliche Daten zu Analysezwecken verwendet werden, die keinen Rückschluss auf individuelle Personen erlauben. Eine automatische Auswertung sozialer Netzwerke oder der Videoüberwachung soll unzulässig sein.
  • Zur Vermeidung von Stigmatisierungen sollen die Erkenntnisse ausschließlich für die strategische Verbrechensbekämpfung genutzt werden, nicht Privatpersonen zugänglich gemacht werden und nicht von staatlichen Stellen veröffentlicht werden.
  • Für die Auswertung großer Datenmengen müssen zur Vermeidung rechtlicher Grauzonen eindeutige Regelungen geschaffen werden.
  • Die im Rahmen von Big Data möglichen Methoden der Re-Identifikation durch die Verkettung ursprünglich anonymer Daten aus verschiedenen Quellen müssen unterbunden werden.

Fazit

Die datenschutzrechtlichen Risiken der vorausschauenden Polizeiarbeit lassen sich nicht von der Hand weisen. Nicht zuletzt ist die Frage einer wirksamen Anonymisierung ein sowohl in rechtlicher als auch in technischer Hinsicht heikles Unterfangen. Die Landesdatenschutzbeauftragte von Niedersachsen hat in zutreffender Weise darauf hingewiesen, dass ein Personenbezug je nach Rastergröße des überwachten Gebiets durchaus möglich sein kann. Die von ihr für die Überwachung aufgestellten Voraussetzungen sind daher im Hinblick auf den Datenschutz sinnvoll.

Im Ergebnis bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß das „predictive policing“ in Deutschland eingeführt wird und ob hierdurch die Ermittlungsarbeit tatsächlich erleichtert wird. Wenn das neue polizeiliche Instrument zum Einsatz kommt, bedarf es in jedem Fall einer gesetzlichen Regelung, damit den Rechten der von der Datenerhebung Betroffenen in ausreichender Weise Rechnung getragen wird.