Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit einem aktuellen Urteil die anwendbare Rechtsgrundlage für Videoüberwachungsmaßnahmen durch nicht-öffentliche Stellen klargestellt und somit die seit Mai 2018 bestehende Ungewissheit beseitigt.
Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) enthält keine spezielle Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung. Somit richtet sich die Zulässigkeit von Kameraeinsätzen grundsätzlich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO.
Allerdings gibt es mit § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) in seiner neuen Fassung eine deutsche Spezialvorschrift, die eng an den früheren § 6b BDSG angelehnt ist und die Zulässigkeit der Videoüberwachung auf nationaler Ebene regeln soll.
Problematisch dabei ist, dass dem deutschen Gesetzgeber nach herrschender Ansicht die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des § 4 BDSG zur Regelung privater Videoüberwachung fehlte.
Zwar enthält Art. 6 DSGVO in Absatz 2 und 3 eine Öffnungsklausel, die einen nationalen Regelungsspielraum eröffnet – diese bezieht sich ausdrücklich aber nur auf die Fälle der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. c) und e) DSGVO, nicht jedoch auf den hier einschlägigen Buchstaben f) und die Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen.
Aus diesem Grund häufte sich schnell die Kritik an der neuen deutschen Regelung und die Aufsichtsbehörden kündigten teilweise sogar an, den § 4 BDSG bei Kamerainstallationen durch private Stellen von vornherein unangewendet zu lassen.
Nun hat das BVerwG in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 27. März 2019 den § 4 BDSG in seiner aktuellen Form für europarechtswidrig erklärt, da die DSGVO die Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen abschließend regele. Folglich sind Videoüberwachungsmaßnahmen durch z.B. Unternehmen alleine an den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO zu messen.
Das Urteil im Volltext finden Sie unter: https://www.bverwg.de/270319U6C2.18.0
Relevant ist diese Entscheidung insbesondere für die Hinweisbeschilderung. Aufgrund des Urteils ist nun endgültig klar, dass bei der Ausgestaltung der Hinweisschilder – mangels Anwendbarkeit von § 4 Abs. 2 BDSG – die allgemeinen Informationspflichten nach Art. 13, 14 DSGVO erfüllt werden müssen.
MS
11. Juni 2019 @ 12:51
Besten Dank Frau Windelband für die Nachfrage bei den Datenschutzaufsichtsbehörden. Das hilft mir auf jeden Fall weiter.
MS
6. Juni 2019 @ 11:54
Dass durch die DSGVO neue Hinweisschilder erforderlich waren ist schon klar. Diese wurden bereits DSGVO-konform neu produziert, allerdings auch mit dem Aufdruck der Rechtsgrundlage §4 BDSG in Bezug auf den Verwendungszweck „Wahrnehmung des Hausrechts“.
Meine Frage war, ob diese neuen Schilder jetzt aufgrund des Urteils des BVerwG nochmal neu produziert werden müssen, da die aufgeführte Rechtsgrundlage (§4 BDSG) gar keine legitime mehr ist.
Daniela Windelband
6. Juni 2019 @ 13:12
Vielen Dank für Ihre Frage, Korrekterweise ist bei Videoüberwachungsmaßnahmen durch private Stellen auf den Hinweisschildern aufgrund der Unanwendbarkeit des § 4 BDSG als Rechtsgrundlage alleine Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO anzugeben. Dies auf bereits vorhandenen Hinweisschildern zu korrigieren, würde in der Praxis – wie von Ihnen angesprochen – unter Umständen einen sehr hohen Aufwand verursachen. Ob Aufsichtsbehörden dies tatsächlich einfordern oder aber diesen Aufwand als unverhältnismäßig einschätzen würden, kann aktuell leider noch nicht beurteilt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blogredaktion
Daniela Windelband
6. Juni 2019 @ 15:53
Hallo, wir haben zu der Thematik bei verschiedenen Datenschutzaufsichtsbehörden nachgefragt. Eine erste Antwort haben wir aus Bayern erhalten. Demnach will die Aufsichtsbehörde kurzfristig nicht einschreiten, wenn Hinweisschilder auf § 4 BDSG-Neu verweisen. Zitat des BayLDA: „Da § 4 BDSG-Neu aber tatsächlich vom EuGH als europarechtswidrig beanstandet wurde, sollten Schilder, welche auf § 4 BDSG verweisen, im Laufe des Jahres entsprechend ausgetauscht werden.“
Sobald uns weiter Meinungen der Aufsichtsbehörden erreichen, werden wir darüber informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blogredaktion
Anmerkung von uns: Das BVerwG hat das gegenständliche Urteil erlassen, nicht der EuGH.
Daniela Windelband
7. Juni 2019 @ 8:26
Tja, was soll man sagen, die nächste Antwort aus Baden-Württemberg ist da. Hier hält man Hinweisschilder auf Videoüberwachung, die neben Art. 6 Abs. 1 lit. f.) auf den § 4 BDSG verweisen nicht für beanstandungsfähig.
Viele Grüße
Ihre Blogredaktion
MS
5. Juni 2019 @ 14:54
Müssen nun aufgrund der Entscheidung die Hinweisschilder zur Videoüberwachung neu produziert werden, wenn als Rechtsgrundlage (neben Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) auch §4 BDSG aufgeführt ist? Oder ist der Austausch unverhältnismäßig und damit nicht zwingend erforderlich?
EFDAT
5. Juni 2019 @ 13:50
Auf Ihrer Seite schon zu sehen
https://www.datenschutz-notizen.de/neuigkeiten-zur-hinweispflicht-bei-videoueberwachung-0421649/
EFDAT
5. Juni 2019 @ 13:35
Das Urteil ist in anderen Punkten noch viel interessanter, es wird im Prinzip bei Videoüberwachung wieder eine Vorabkontrolle erforderlich sein, wie es im alten BDSG bereits vorgeschrieben war.
Wie die Hinweisschilder auszusehen haben und das ein Hinweis oder Informationsaushang gem Art 13 vorhanden sein muss, haben die Landesdatenschutzbeörden bereits vor einem Jahr publiziert.
§ 4 Abs. 1 BDSG widerspricht Art. 6 Abs. 1 EU-DSGVO | EU-Datenschutz
5. Juni 2019 @ 13:20
[…] Interessantes Urteil zur Videoüberwachung privater Stellen http://www.datenschutz-notizen.de/%C2%A74-bdsg-europarechtswidrig-bverwg-stellt-rechtsgrundlage-fuer-videou… […]