In der Vergangenheit haben wir schon häufiger über den Schmerzensgeldanspruch berichtet (wie hier, hier und hier). In einem unserer vergangenen Blogbeiträge ging es auch um die Frage einer Bagatellgrenze für Schmerzensgeld bei Bagatellverstößen. Das Landgericht Landshut hatte dort einen spürbaren Nachteil für den Geschädigten und eine mit gewissem Gewicht erfolgte Beeinträchtigung von persönlichkeitsbezogenen Belangen gefordert, damit überhaupt Schmerzensgeld in Betracht gezogen werden kann.

Genau diese Anforderung sah das Landgericht Lüneburg nicht mehr als Voraussetzung an.

Die ungeliebte Schufa

Im konkreten Fall hatte ein Bankkunde einen Dispokredit über 1.000 Euro für sein Bankkonto. Diesen Dispokredit überschritt der Kunde um 20 Euro, so dass sein Konto insgesamt mit 1.020 Euro im Minus war. Die Bank informierte den Kunden über die Überziehung des Kredits. Der Kunde glich daraufhin die überzogenen 20 Euro aus. Trotzdem kündigte die Bank dem Kunden das Konto und meldete der Schufa die Überziehung des Kontos, obwohl zum Zeitpunkt der Meldung der Kunde das Konto bereits ausgeglichen hatte.

Der Kunde begehrte nun vom Gericht neben dem Widerruf der Meldung an die Schufa ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro. Er vertrat die Ansicht, dass durch die Meldung die Gefahr besteht, dass sich sein Scorewert unberechtigterweise verschlechtert habe.

Unrechtmäßige Datenübermittlung als Einfallstor für Schmerzensgeld

Dem Grunde nach folgte das Gericht der Argumentation des Kunden. Zunächst sah das Gericht die Meldung an die Schufa durch die Bank als eine unberechtigte Datenübermittlung und damit als Datenschutzverstoß an. Die Rechtsgrundlage zur Datenübermittlung aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO aus berechtigtem Interesse liege schon deswegen nicht vor, da die Bank kein berechtigtes Interesse an der Übermittlung hatte. Zur Bewertung des berechtigten Interesses zog das Gericht § 31 Abs. 2 BDSG heran. In dieser Norm werden laut dem Gericht die widerstreitenden Interessen des Kunden und der Bank in gesetzlicher und praktisch handhabbarer Weise für die Datenübermittlung an die Schufa konkretisiert. Eine unmittelbare Anwendung der Norm als Konkretisierung sei zwar nicht einschlägig, aber die (Nicht-)Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BSDG können in entsprechender Anwendung jedoch als Indiz für die Rechtmäßig- bzw. Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung gewertet werden. Die Information über eine nicht vertragsgemäß abgewickelte fällige Forderung sei in ähnlicher Weise schutzbedürftig wie ein Scorewert. Bei Scorewerten handele es sich ebenfalls um sensible Informationen über eine Person, die Auskunft über ihre Zahlungsfähig- bzw. Zahlungswilligkeit geben. Da hier aber kein Fall des § 31 Abs. 2 BDSG vorläge, da Zahlungsrückstände wegen des Ausgleichs nicht mehr bestanden, besteht ein Indiz für die Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung an die Schufa.

Ein Schmerzensgeldanspruch nahm das Gericht in Höhe von 1.000 Euro an. Dem Grunde nach entstehe ein Anspruch, wenn aufgrund eines Verstoßes der Bank gegen die DSGVO ein Schaden entstanden sei und die Bank nicht nachweisen könne, dass sie für diesen Schaden nicht verantwortlich ist. Durch die unrechtmäßige Übermittlung der Daten habe die Bank einen Schaden im konkreten Fall zu vertreten.

Schmerzensgeld auch ohne schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung

Auch sah das Gericht es als erwiesen an, dass dem Kunden ein immaterieller Schaden durch die Datenübermittlung an die Schufa entstanden sei. Dabei forderte das Gericht ausdrücklich nicht, wie bspw. das Landgericht Landshut, eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung, da diese in der DSGVO als Voraussetzung weder vorgesehen sei, noch sich mit dem Ziel und der Entstehungsgeschichte der Norm decke. Für diese Ansicht spreche auch der Erwägungsgrund 85 S. 1. Danach könne bspw. der Verlust der Kontrolle über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden für die natürliche Person nach sich ziehen. Außerdem spreche der Erwägungsgrund 146 S. 6 DSGVO von einem vollständigen und wirksamen Schadensersatz für erlittene Schäden. Ein umfassender Schadensersatz könne aber eben nicht erst dann beginnen, wenn eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung vorliege, die jedoch regelmäßig zu hohen Schmerzensgeldern führe.

Nachdem das Gericht keine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung zur Voraussetzung machte, stellte es fest, dass die unrichtige Meldung an die Schufa zwar negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Kunden haben könne, indem bspw. Kredite versagt werden, die Falschmeldung aber bis zur Berichtigung nur 2 Wochen bestanden habe. Außerdem hätte der Kunde von keinen tatsächlichen negativen Auswirkungen berichtet. So urteilte das Gericht auf 1.000 Euro Schmerzensgeld und nicht wie vom Kunden gefordert auf 10.000 Euro.

Fazit

Das Landgericht Lüneburg hält sich bei der Frage, wann ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht, eng an die Auslegung der DSGVO in europarechtlicher Hinsicht und blendet bewusst die national entwickelten Kriterien für ein Schmerzensgeldanspruch aus.

Damit zeichnet sich eine uneinheitliche Rechtsprechung bei der Frage ab, wann die Voraussetzungen für Schmerzensgeldansprüche bestehen.

Unternehmen sollten daher Sorgfalt bei der Datenübermittlung walten lassen, da hier in der Regel bei unberechtigter Übermittlung ein Datenschutzverstoß besteht, von dem man sich nicht exkulpieren kann.

Der nächste Schritt zum Schmerzensgeldanspruch ist mit diesem Urteil erheblich kleiner geworden.