Mit Urteil vom 28.05.2025 (18 SLa 959/24) hat das Landesarbeitsgericht Hamm einem Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe von 15.000 Euro zugesprochen, der über einen Zeitraum von 22 Monaten an seinem Arbeitsplatz einer unzulässigen Videoüberwachung ausgesetzt war. Das LAG Hamm hat damit ein vorinstanzliches Urteil des ArbG Dortmund (Urteil vom 13.09.2024 – 3 Ca 1093/24) bestätigt.

Das Urteil ist insbesondere aufgrund der schulmäßig durchgeführten Prüfung der (un-)Zulässigkeit der Videoüberwachung sowie in Hinsicht auf die Höhe der Geldentschädigung praxisrelevant.

Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Stahlverarbeitung, beschäftigt. Auf dem Betriebsgelände wurden in der Produktionshalle, im Lager sowie in Büroräumen 34 Videokameras installiert, die nahezu durchgehend in HD-Qualität aufzeichneten. Die Videokameras im Lager, in der Produktionshalle und in einem Verbindungsdurchgang zeichneten dabei 24 Stunden am Tag die gesamte Fläche mit einer Speicherdauer von jedenfalls 48 Stunden auf. Zwar wurden Pausenräume und Toiletten nicht direkt überwacht, jedoch waren die Zugangswege dorthin einsehbar, sodass Rückschlüsse auf Pausenzeiten und Aufenthaltsdauer möglich waren.

Die Videoüberwachung lief über einen Zeitraum von 22 Monaten. Der Kläger fühlte sich dadurch ständig beobachtet, was bei ihm zu einem Gefühl der Kontrolle und psychischen Belastung führte.

Im Arbeitsvertrag war eine pauschale Einwilligungsklausel zur Videoüberwachung enthalten. Der Kläger argumentierte, diese sei nicht freiwillig erfolgt und daher unwirksam. Er machte eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend und verlangte eine immaterielle Entschädigung.

Die Beklagte rechtfertigte die Überwachung mit Sicherheitsinteressen, Diebstahlprävention und Qualitätssicherung. Sie behauptete, die Maßnahmen seien erforderlich und verhältnismäßig gewesen.

Die Entscheidung

Das LAG sah in der Videoüberwachung einen Eingriff der Beklagten in das Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) des Klägers, der – mangels Rechtsgrundlage für die stattfindende Datenverarbeitung aus der DSGVO oder dem BDSG – auch rechtswidrig war.

Das LAG prüfte dabei diverse mögliche Rechtsgrundlagen zumindest kurz an, sah deren Anwendungsbereich oder Tatbestandsvoraussetzungen jedoch nicht als gegeben an (§ 4 BDSG, § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG, § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG).

Die Einwilligungsklausel aus dem Arbeitsvertrag sah das LAG als unzureichend an. Hier habe es schon an der Freiwilligkeit der Einwilligung gefehlt. In Maßnahmen der Mitarbeiterüberwachung könne durch den Abschluss des Arbeitsvertrages nicht vorab wirksam eingewilligt werden, da der Abschluss des Arbeitsvertrages von der Erklärung der Einwilligung abhänge und die Einwilligung dem Arbeitnehmer in dieser Situation nur Nachteile bringe. Auch sei der Arbeitnehmer nicht über sein Widerrufsrecht aufgeklärt worden. Schließlich sei die Einwilligungserklärung nicht von den übrigen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen klar unterscheidbar gewesen.

Die Videoüberwachung sei auch nicht auf Grund berechtigter Unternehmensinteressen zulässig gewesen. Dabei prüft das Gericht jeweils schulmäßig

  • inwieweit die Gründe für die Videoüberwachung durch die Beklagte substantiiert vorgetragen wurden und ob es sich um legitime Zwecke handelt,
  • inwieweit die Videoüberwachung geeignet ist, diese Zwecke zu erfüllen,
  • ob die vorgebrachten Zwecke auch durch mildere (datensparsamere) Mittel als die Videoüberwachung erreicht werden können und schließlich,
  • ob die Videoüberwachung insgesamt verhältnismäßig ist.

Für sämtliche der von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die Videoüberwachung sieht das Gericht mindestens einen der o.g. Punkte als nicht gegeben an. Für die meisten vorgebrachten Gründe sieht das LAG schon keinen ausreichenden Sachvortrag aus dem sich die Legitimität oder Geeignetheit der Videoüberwachung ergäbe.

Insgesamt lag somit aus Sicht des Gerichts eine rechtswidrige, schuldhafte und besonders schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor, wodurch dem Kläger eine Geldentschädigung zustehe. Zur Festlegung der Höhe der Entschädigung vergleicht das LAG den Sachverhalt mit anderen aktuellen Gerichtsentscheidungen und hält insoweit einen Betrag von 15.000Euro für angemessen.

Bedeutung für die Praxis

Der Fall verdeutlicht, dass Videoüberwachungsmaßnahmen stets gut begründet und deren Notwendigkeit objektiv nachvollziehbar sein müssen. Gerade dann, wenn auch Mitarbeiter von einer Videoüberwachung betroffen sind, müssen ganz erhebliche Gründe gegeben sein, damit diese dennoch als zulässig bewertet werden kann. Auch wenn sonstige, ggf. umfangreichere Videoüberwachungsmaßnahmen geplant sind, sollte daher eine ausführliche Prüfung der Gründe und Zwecke der Videoüberwachung, der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfolgen.

Interessant ist das Urteil zudem in Hinsicht auf die Bemessung der Geldentschädigung im Vergleich zu anderen Urteilen, wie folgende Übersicht zeigt:

Tabelle mit Urteilen zu Schadensersatz

Zu beachten ist insoweit, dass es sich um eine Geldentschädigung nur eines betroffenen Mitarbeiters handelt. Andere ähnlich betroffene Mitarbeiter könnten ebenfalls Ansprüche geltend machen. Schließlich ist es auch möglich, dass zusätzliche aufsichtsbehördliche Bußgelder verhängt werden. Eine unzulässige Videoüberwachung kann somit für betroffene Unternehmen schnell sehr teuer werden.