Während in Deutschland mit Abschaffung des § 219a StGB endlich das sogenannte „Werbeverbot“ für Abtreibungen aufgehoben wurde, hat der US-Supreme Court das Grundsatzurteil zum Thema Abtreibungen, Roe v. Wade, aufgehoben. Es wird angenommen, dass in rund der Hälfte der US-Bundesstaaten nun Gesetze erlassen werden, die Abtreibungen verbieten und unter Strafe stellen.

Nun fragen Sie sich vielleicht, was dieses Thema in den datenschutz notizen zu suchen hat. An dieser Stelle möchte ich Sie auf diesen Artikel der Washington Post zum Thema Zyklus-Apps aufmerksam machen.

Zykluskalender

Für die meisten Frauen ist ein Zykluskalender ein wichtiges Hilfsmittel. Wie für vieles, gibt es auch dafür zahlreiche Apps und Online-Anwendungen, die dabei helfen können den eigenen Zyklus zu verstehen und zum Teil auch den Zeitpunkt des Eisprungs und der fruchtbaren Tage zu berechnen. In welchem Umfang dabei Daten in die Apps eingetragen werden ist sehr unterschiedlich. Dies reicht von der Eintragung der Tage der Periode bis hin zu täglichen Temperaturmessungen, Angaben zur Scheidenflüssigkeit, zum Geschlechtsverkehr, zu genutzten Verhütungsmitteln und zu Ergebnissen von Schwangerschaftstest. Im Ergebnis handelt es sich also um sensible Gesundheitsdaten, aus denen auch erkennbar sein kann, ob eine Frau schwanger ist oder war.

Interesse der Strafverfolgung

In der Regel interessieren sich für diese Daten nur die jeweilige Frau selbst, behandelnde Ärzt*innen und Partnerin oder Partner. Überall dort, wo Frauen für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe gestellt werden, interessieren sich aber auf einmal auch Strafverfolgungsbehörden für diese Daten – es lässt sich schließlich herauslesen, ob eine Schwangerschaft vorliegt oder vorlag.

Die Washington Post warnt davor, digitale Zykluskalender zu nutzen, um keine Beweise für den Verdacht eines Schwangerschaftsabbruches zu liefern. Denn die Washington Post macht auch darauf aufmerksam, dass viele populäre Zykluskalender-Apps ihre Daten zu verschiedenen Zwecken an Dritte weitergeben. Auch die Polizei kann im Zweifel diese Daten anfordern, da die Daten nicht durch eine spezielle Schweigepflicht geschützt sind. Das gilt auch für den weitergehenden digitalen Fußabdruck außerhalb von Apps: Suchhistorie, Aufenthaltsort, Chat-Nachricht können allesamt von Strafverfolgungsbehörden angefordert und als Beweis für eine illegale Abtreibung genutzt werden. Die Daten können auch dazu dienen, um überhaupt erst den Verdacht des illegalen Schwangerschaftsabbruchs entstehen zu lassen. Denkbar ist auch, dass Dritte – etwa Abtreibungsgegner – Daten ankaufen, auswerten und in großem Stil Anzeige erstatten und Frauen auf diesem Wege in den Fokus der Strafverfolgung geraten.

Situation in Deutschland

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche nach der 12. Schwangerschaftswoche verboten. Schwangere können dafür mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden. Auch in Deutschland kann also ein Interesse an den oben beschriebenen Daten bestehen. Wenn gewöhnliche Apps verwendet werden, besteht auch hier keine besondere Verschwiegenheitspflicht für die Anbieter. Da in Deutschland ein legaler Schwangerschaftsabbruch möglich ist und verschiedenste Rechtsschutzmaßnahmen bestehen, wirkt das Ganze jedoch weitaus weniger bedrohlich.

Dass Interessengruppen Daten ankaufen, um Schwangerschaftsabbrüche aufzudecken, ist aber auch in Deutschland nicht ganz auszuschließen – insbesondere, wenn Apps aus dem EU-Ausland genutzt werden, die bei der Datenweitergabe sehr intransparent sind. Für Unternehmen, die sich an die DSGVO halten, ist dies aber nicht möglich.

Fazit

Die Konsequenzen, die die Abtreibungsverbote für Frauen in den USA haben, sind auf verschiedensten Ebenen besorgniserregend. Die Möglichkeiten, die die digitale Überwachung für radikale Interessengruppen und die Strafverfolgung bieten, erinnern an einen dystopischen Überwachungsstaat. Es ist außerdem nicht ausgeschlossen, dass Frauen zu Unrecht beschuldigt werden, eine illegale Abtreibung durchgeführt zu haben, schließlich können auch digitale Zykluskalender falsch liegen oder ein Schwangerschaftsabbruch mit einer (womöglich unbemerkten) Fehlgeburt verwechselt werden.

Die gesamte Angelegenheit bietet das Potential Frauen unter Generalverdacht zu stellen. Auch in Europa sind wir nicht vollkommen davor geschützt, dass persönliche Gesundheitsdaten aus dem digitalen Fußabdruck von Dritten missbraucht oder durch die Strafverfolgung genutzt werden. Dennoch zeigt dieser Fall klar auf, dass in Sachen Datenschutz noch Welten zwischen der EU und den USA stehen.