„Alltagsüberwachung? Die Stasi ist doch seit 25 Jahren Geschichte!“, so mag der ein oder andere vielleicht reagieren, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit unser Verhalten im Alltag beobachtet und überwacht wird. Fakt ist jedoch: Die Themen Überwachung und Datensammelwut haben auch – oder gerade – heute kein bisschen an Aktualität verloren. Neben dem Traum vom gläsernen Bürger, der auch heutzutage noch so manche Sicherheitsbehörde zu faszinieren scheint, ist es aber vor allen Dingen der Wunsch vieler privater Unternehmen nach dem gläsernen – und damit berechenbaren – Konsumenten, der die Daten zu unserem Alltagsverhalten derzeit so interessant und begehrt macht.
Das Geschäft mit persönlichen Daten boomt
Die Wirtschaft arbeitet fortwährend an immer besseren und immer effizienteren Methoden, die die kommerzielle Nutzung von Konsumenteninformationen möglich machen. Dabei ist es erstaunlich, was sich aus Daten zum alltäglichen Verhalten einer Person, bspw. der Häufigkeit von Telefonaten, den getätigten Einkäufen und Facebook-Likes, alles berechnen lässt. Das Wiener Forschungsinstitut Cracked Labs hat sich im Auftrag der österreichischen Arbeitskammer mit internationalen Trends in den Bereichen Online Tracking, Big Data und kommerzieller digitaler Überwachung beschäftigt und einige verblüffende Fakten zu den Möglichkeiten der Datenanalyse in einer Studie dargestellt. Hier nur einige Beispiele aus der Studie:
„Die US-Supermarktkette Target konnte etwa aus einer Analyse des Einkaufsverhaltens schwangerer Frauen sogar deren Geburtstermine identifizieren – und zwar ohne auf offensichtliche Käufe wie Babykleidung oder Kinderwagen angewiesen zu sein.“
„Aus Telefonie-Verhalten wie etwa der Häufigkeit von Anrufen lassen sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit individuelle Charaktereigenschaften wie emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für Neues, soziale Verträglichkeit oder Gewissenhaftigkeit berechnen – ohne auf die Kommunikationsinhalte selbst zuzugreifen.“
„Aus der Kenntnis vergangener GPS-Standorte lassen sich zukünftige Aufenthaltsorte prognostizieren. Wenn die Bewegungsprofile von Bekannten einbezogen werden, sind diese Vorhersagen besonders zuverlässig. Aus einer Analyse der Verbindungen auf sozialen Netzwerken lässt sich nicht nur abschätzen, wer davon in einer romantischen Beziehung ist. Es lässt sich sogar die Wahrscheinlichkeit einer Trennung innerhalb der nächsten zwei Monate vorhersagen.“
Big Data macht’s möglich
Schon aus wenigen Informationen lassen sich heute durch automatisierte Verfahren Persönlichkeitsprofile erstellen. Zudem kann durch den technischen Fortschritt, der auch immer mehr in unseren Alltag vordringt, eine immer größere Menge an Informationen gesammelt werden. Als Beispiel seien hier nur die vielen Geräte, die wir im Alltag benutzen und die – mit Sensoren ausgestattet – unser Leben „vermessen“, wie z.B. Wearables wie Smartwatches oder Fitnessarmbänder, Autos etc., genannt.
Dabei mag die einzelne Information für sich noch nicht viel aussagen, aber durch statistische Verfahren und Kombinatorik werden Muster erkannt, so dass am Ende Informationen zur Verfügung stehen, die weit mehr über die Person hinter den Daten aussagen.
Es kann teuer werden
Online-Anbieter machen sich Big Data zunutze und bieten ihren Kunden – abhängig von deren Standort, dem bisherigem Online-Verhalten und sogar von dem eingesetzten Computer – unterschiedliche Produkte an oder bieten das gleiche Produkt sogar zu unterschiedlichen Preisen an. Ähnlich funktioniert es bei Online-Bonitätsbewertungen. Auch hier werden 10.000e Merkmale aus unterschiedlichen Quellen kombiniert, um die Kreditwürdigkeit des Einzelnen einzuschätzen. Transparenz sieht anders aus.
Was tun?
Die Studie konstatiert den Übergang in eine Überwachungsgesellschaft. „Allgegenwärtige digitale Überwachung könnte künftig drastische Auswirkungen auf Gesellschaft, Demokratie und die Autonomie des Einzelnen haben.“ (vgl. hier). Die Forscher sehen jedoch genauso die großen Chancen und Möglichkeiten, die der technische Fortschritt und die digitalen Kommunikationstechnologien mit sich bringen und schließen die Studie mit Handlungsempfehlungen. Danach ist es essentiell, Transparenz zu schaffen, dezentrale Techniken zu unterstützen, die digitale Zivilgesellschaft und die digitale Kompetenz des Einzelnen zu stärken sowie zeitnah eine gute europäische Datenschutzgrundverordnung zu schaffen (wir berichteten).