Unpünktlichkeit kann bereits als Arbeitszeitbetrug gewertet und zu einer fristlosen Kündigung führen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im Jahr 2011 festgestellt, in einem Fall, bei der eine Beschäftigte die Parkplatzsuche zur Arbeitszeit hinzurechnete. Da half auch eine 17-jährige Betriebszugehörigkeit nicht weiter (BAG, Urteil vom 09.06.2011, Az. 2 AZR 381/10).

In einem neueren Fall des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen (LAG Niedersachsen, Urteil vom 06.07.2022, Az. 8 Sa 1150/20) ging es ebenfalls um Arbeitszeitbetrug. Im Vordergrund stand dabei aber, ob Videoaufnahmen und Zeiterfassungsdaten des Arbeitgebers als Beweis in einem Kündigungsschutzverfahren vor Gericht eingebracht und verwertet werden durften.

Kollegialität bei der Arbeitszeiterfassung

Hintergrund ist ein anonymer Hinweis an den Arbeitgeber im Juni 2019 über ein Whistleblowing-System, wonach mehrere Beschäftigte regelmäßig Arbeitszeitbetrug begingen. Der Arbeitgeber stellte Nachforschungen an und nutzte dazu Daten aus einer Videoüberwachung und einer elektronischen Zeiterfassung. Er beschuldigte daraufhin einen Beschäftigten, dass dieser im Mai 2018 seinen Werksausweis von einem Kollegen an einem Eingangstor am Lesegerät für den Zutritt habe scannen lassen, was zu einer sog. Infobuchung im SAP-System führte. Außerdem habe er sich von einem anderen Kollegen in einer vor Ort ausliegenden Excel-Anwesenheitsliste eintragen lassen. Auf Basis dieser Eintragung erfolgt die Vergütung. Die Infobuchung sollte die Anwesenheit bestätigen.

Hinweisschilder der Videoüberwachung wiesen eine Speicherdauer von maximal 96 Stunden aus. Die elektronische Zeiterfassung wurde in einer Betriebsvereinbarung geregelt, wonach keine Auswertung personenbezogener Daten erfolgen durfte.

Der Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung aus, wogegen sich der Beschäftigte vor dem Arbeitsgericht Hannover (ArbG Hannover, Urteil vom 11.09.2020, Az. 6 Ca 115/19) wehrte und in erster Instanz Recht bekam.

Der Arbeitgeber argumentierte im Berufungsprozess vor dem LAG, der Kläger sei nicht auf der Videoaufzeichnung zu sehen gewesen und dennoch erfolgte eine Buchung auf seinen Namen im System. Da dies zu einer Vergütung der Arbeitszeit führte, habe dieser einen Arbeitszeitbetrug begangen, der eine fristlose Kündigung rechtfertige.

Datenschutzverstoß führt zum Beweisverwertungsverbot und zur unwirksamen Kündigung

Das LAG Niedersachsen skizzierte zunächst die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung. Die vorsätzlich falsche Erfassung von Arbeitszeiten, um so eine nicht gerechtfertigte Vergütung zu erhalten, ist nach dem Gericht geeignet, um einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darzustellen, da es einen schweren Vertrauensbruch des Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber darstelle.

Die Beweislast für diesen wichtigen Grund liegt beim Arbeitgeber. Es stellte sich daher die Frage, ob die Beweise vom Arbeitgeber eingeführt und vom Gericht berücksichtigt werden durften.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass weder die Daten aus der elektronischen Zeiterfassung noch Videoaufzeichnungen eine Rolle im Prozess spielen durften.

Im Hinblick auf die Daten der elektronischen Zeiterfassung argumentierte es mit der Regelung in der Betriebsvereinbarung. Der Kläger genieße Vertrauensschutz, da durch die Regelung zum Verbot der Auswertung von Daten in der Betriebsvereinbarung eine „berechtigte Privatheitserwartung“ des Klägers bestanden hätte.

Ähnlich argumentierte das Gericht in Bezug auf die Videoaufzeichnungen. Auch hier gebe es eine berechtigte Privatheitserwartung. Der Arbeitgeber habe gegen seine eigene Regelung der Speicherdauer von 96 Stunden verstoßen, da zwischen dem Vorfall im Mai 2018 und der Auswertung des Videomaterials im Juni 2019 mehr als ein Jahr vergangen war.

Dieses Beweisverwertungsverbot leitete das Gericht aus dem Grundgesetz ab.

Es komme zu solch einem Verbot, wenn eine grundrechtlich geschützte Position einer Prozesspartei dies gebietet. Dies setze voraus, dass die betroffenen Schutzzwecke des verletzten Grundrechts der Verwertung der Erkenntnis oder des Beweismittels im Rechtsstreit entgegenstehen und damit die Verwertung selbst einen Grundrechtsverstoß darstelle.

Dabei würden die Grundrechte der Prozessparteien abgewogen. Der Arbeitgeber habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör und damit das Recht, Beweise in den Prozess einzuführen und durch das Gericht verwerten zu lassen. Dieses Recht könne ihm aber verwehrt sein, wenn ein Grundrecht des Beschäftigten entgegensteht und das Recht des Arbeitgebers überwiegt.

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) konkretisiere und aktualisiere für den Einzelnen den Schutz seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. § 26 BDSG hat dabei die Aufgabe, die Interessen des Arbeitgebers mit den Interessen des Beschäftigten auszugleichen. Aus diesem Grund müsse die Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber, die die Beschäftigten betrifft, erforderlich sein.

Das Gericht sah das Mittel der Videoüberwachung zum Zwecke der Überprüfung eines Arbeitszeitbetrugs schon als ungeeignet an, da damit nicht auf die Anwesenheit am Arbeitsplatz geschlossen werden könne. Schließlich hätte der Beschäftigte auch einen anderen Zugang nehmen können. Geeignet sei dabei ein Mittel wie ein Kartenlesegerät, sofern die Auswertung der Daten nicht durch eine Betriebsvereinbarung beschränkt sei.

Außerdem hob das Gericht einen eklatanten Verstoß gegen Grundsätze der Datenminimierung und Speicherbegrenzung hervor, da die Speicherung der Videodaten ein Jahr betrug.

Dieses Verwertungsverbot erstreckte sich nach dem Gericht auch auf die indirekte Verwertung, etwa durch Zeugenaussagen, die über die Beobachtungen berichten sollen, die sich aus der Sichtung der Videoaufzeichnungen ergeben.

Die Kündigung war daher unwirksam.

BGH: Videoaufzeichnung unzulässig, aber dennoch verwertbar

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem anderen Fall, der Fall „Dashcams“ zur Videoaufzeichnung (BGH, Urteil vom 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17), anders geurteilt (wir berichteten). Der BGH sah die Aufzeichnung zwar als datenschutzrechtlich unzulässig, trotzdem aber als gerichtlich verwertbar an. Die Richter wogen hier die Grundrechte der Prozessbeteiligten gegeneinander ab und kamen zu dem Ergebnis, dass der Dashcam-Verwender ohne die Aufzeichnungen seine zivilrechtlichen Ansprüche nicht hätte durchsetzen können. Der Unfallgegner hingegen habe sich im öffentlichen Raum bewegt, wo man automatisch der Beobachtung anderer Personen ausgesetzt sei und wäre verpflichtet gewesen, seine Personalien anzugeben, um sich nicht der Unfallflucht strafbar zu machen. Sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild wog daher geringer als das Grundrecht auf rechtliches Gehör des Prozessgegners vor Gericht.

Fazit

Es ist im Interesse der Arbeitgeber, Beschäftigtendaten datenschutzkonform zu verarbeiten. Eine Nachlässigkeit in diesem Bereich kann dazu führen, dass Gerichtsprozesse verloren werden, da auf den Datenschutz nicht mit der gebotenen Sorgfalt geachtet wurde. So hätte es in diesem Fall anders ausgehen können, wenn die Betriebsvereinbarung die Zwecke der Datenverarbeitung weiter gefasst hätte.