Gute Nachrichten für Unternehmen, die von Auskunftsersuchen heimgesucht werden, bei denen es nur vordergründig um den Datenschutz geht. Es zeichnet sich mit der Entscheidung des OLG Brandenburg vom 14.04.2023 (11 U 233/22) eine Verstetigung der Rechtsprechung ab – zeigt die Entscheidung einmal mehr, dass rechtsmissbräuchliche Auskunftsersuchen keinen Erfolg versprechen.

Wir berichteten bereits in Blogbeiträgen über die Entscheidung des OLG Nürnberg hinsichtlich eines rechtsmissbräuchlichen Auskunftsersuchens (hier) – ebenfalls im Bereich der privaten Krankenversicherung – und allgemein über den Umgang mit Auskunftsersuchen, die nicht datenschutzrechtlich motiviert sind (hier).

Kurz zum Sachverhalt

Der Kläger begehrte in der Berufungsinstanz vor dem OLG Brandenburg weiterhin von seiner privaten Krankenversicherung u. a. die Auskunft darüber, wann in den Jahren von 2011 bis 2020 Beitragsanpassungen in Form von Prämienerhöhungen erfolgten. Er war der Ansicht, die Erhöhungen seien unwirksam gewesen. Im Einzelnen wollte der Kläger auch die Höhe der Anpassung unter Benennung der Tarife wissen und verlangte eine Herausgabe der an ihn versendeten Anschreiben mitsamt den Beiblättern, also auch Nachträge zum Versicherungsschein.

Die Beklagte weigerte sich, diesem Auskunftsersuchen zu entsprechen.

Insbesondere kein Anspruch auf Auskunft aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO

Neben mehreren möglichen Rechtsgrundlagen (§ 3 VVG, § 810 BGB, §§ 666, 675 Abs. 1 BGB, § 242 BGB), die ein Auskunftsrecht begründen könnten, besteht nach Ansicht des OLG Brandenburg zwar teilweise ein Anspruch aus § 3 VVG, aber kein Anspruch auf Auskunft aus Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Mit dieser Ansicht schließt sich das OLG Brandenburg u. a. den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Nürnberg, Hamm und Karlsruhe an.

Der privaten Krankenversicherung als Beklagte stehe ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO gegen das Auskunftsersuchen des Klägers zu. Ein Weigerungsrecht sei schon deshalb nicht ausgeschlossen, da die Formulierung „insbesondere“ deutlich mache, dass auch andere exzessive bzw. rechtsmissbräuchliche Anträge von Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b DSGVO umfasst seien. Demzufolge muss es sich also nicht nur um eine häufige Wiederholung von Auskunftsersuchen handeln.

Die Beklagte kann sich also weigern, aufgrund des Auskunftsersuchens des Klägers tätig zu werden, wenn sich dieses als rechtsmissbräuchlich herausstellt. Bei der Auslegung, ob es sich um einen rechtsmissbräuchlichen Antrag handelt, sei der Schutzzweck der DSGVO zu berücksichtigen. Sinn und Zweck des Art. 15 DSGVO sei es, der auskunftsersuchenden Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich darüber bewusst zu werden, welche personenbezogenen Daten von ihr verarbeitet werden und ob diese Verarbeitung rechtmäßig ist. Dies ergebe sich aus dem Erwägungsgrund 63 zur DSGVO, so das Gericht.

Auskunftsersuchen nicht vom Schutzzweck umfasst

Dem Kläger sei nach Ansicht des Gerichts offensichtlich nicht daran gelegen, sich einer Verarbeitung durch die Beklagte oder deren Rechtmäßigkeit bewusst zu werden. Das Gericht macht aber deutlich, dass ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht schon deswegen ausgeschlossen sei, weil die Begründungsschreiben dem Kläger bereits vorliegen. Es bleibt dem Betroffenen nämlich unbenommen, die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung überprüfen zu können.

Jedoch verfolge der Kläger ausschließlich den Zweck, die von der privaten Krankenversicherung vorgenommenen Prämienerhöhungen der letzten Jahre auf mögliche formelle Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG hin zu überprüfen. Ein solches Auskunftsersuchen sei nicht vom Schutzzweck der DSGVO umfasst.

Das OLG Brandenburg bezieht sich auch auf die EuGH-Vorlage des BGH vom 29.03.2022 (VI ZR 1352/20). In dem Rechtsstreit, über den der BGH zu entscheiden hatte, machte der Betroffene (Patient/Kläger) sein Auskunftsrecht gegenüber dem Verantwortlichen (behandelnder Arzt/Beklagter) geltend und begehrte eine Kopie seiner verarbeiteten personenbezogenen Daten, um das Bestehen etwaiger arzthaftungsrechtlicher Ansprüche überprüfen zu können. Der BGH sah sich veranlasst, u. a. durch den EuGH beantworten zu lassen, ob Art. 15 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 12 Abs. 5 DSGVO den Beklagten zur Herausgabe einer Kopie für einen solchen Zweck verpflichte.

Das OLG Brandenburg kommt aber zu dem Schluss, dass die dort gestellten Fragen an seiner Auffassung nichts ändern. Es komme im vorliegenden Fall insbesondere nicht auf eine „[…] inhaltliche[n] Beschränkbarkeit des Auskunftsanspruchs bei Verfolgung anderer – datenschutzfremder, aber legitimer – Zwecke […]“ an, da der Kläger weder datenschutzrechtliche noch andere legitime Zwecke verfolge.

Fazit

Mit der Entscheidung des OLG Brandenburg und seinem Anschluss an die bisher vertretene Rechtsauffassung vieler anderer Gerichte wird deutlich, dass die Thematik „rechtsmissbräuchliche Auskunftsersuchen“ zunehmend an Rechtsklarheit gewinnt – was durchaus zu begrüßen ist.

Wer sich jetzt nicht angesprochen fühlt: Das Urteil und seine Rechtsauffassung sind hier zwar im Rahmen der privaten Krankenversicherung ergangen, es lässt sich aber auch im Allgemeinen auf ähnlich gelagerte Fälle und Auskunftsersuchen erstrecken, die gleichermaßen sachfremde Zwecke verfolgen.

Betroffene sollten sich also im Vorfeld immer Klarheit darüber verschaffen, ob sie mit dem Auskunftsersuchen tatsächlich datenschutzrechtliche Zwecke verfolgen wollen, wenn sie sich auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO stützen.

Verantwortliche, die in Zukunft Auskunftsersuchen nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO erhalten, sollten sich ebenfalls Klarheit darüber verschaffen, welches die Beweggründe für das Ersuchen sein könnten und ob dieses ggf. auf sachfremden Zwecken beruht. Die Möglichkeit eines Weigerungsrechts nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO sollte dabei immer im Hinterkopf behalten werden und bei der Entscheidung, dem Ersuchen (nicht) zu entsprechen, mit in die Erwägungen und Entscheidung einfließen.

Art. 15 DSGVO ist kein allgemeines Werkzeug für jedwede Auskünfte und sollte auch nicht als ein solches missbraucht werden, um sich letztendlich mit den erhaltenen Informationen Vorteile für zivilrechtliche Verfahren zu verschaffen. Mit dieser (offensichtlichen) Einstellung kommt man ohnehin nicht weit – wie das Urteil des OLG Brandenburg gezeigt hat.