Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg, Jörg Klingbeil, fordert in seiner gestrigen Pressemitteilung das Landesministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz auf, die Facebook-Seite „VerbraucherBW“ temporär abzuschalten.

Der Landesdatenschutzbeauftragte führt aus: „Die Verbraucherzentralen haben in den letzten Jahren erfolgreich mehrere Unterlassungsverfahren gegen datenschutzwidrige und verbraucherfeindliche Nutzungsbedingungen von Facebook durchgeführt und vor den Zivilgerichten obsiegt. Ich hoffe, dass das nun wieder gelingt. In dieser Situation sollte man den Verbraucherzentralen nicht in den Rücken fallen. Ich halte es für einen Widerspruch in sich, wenn das Verbraucherschutzministerium des Landes ausgerechnet auf Facebook ein Verbraucherportal unterhält und damit aktiv zur kommerziellen Verwertung von Daten der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf dieser Seite informieren wollen, durch das US-Unternehmen beiträgt. Ich habe Minister Bonde deshalb darum gebeten, „VerbraucherBW“ auf Facebook zumindest solange abzuschalten, bis die Unterlassungsverfahren der Verbraucherzentralen abgeschlossen und die Nutzungsbedingungen von Facebook wirklich verbraucher- und datenschutzgerecht abgeändert worden sind. Dies könnte gegenüber dem Unternehmen und den Bürgern eine deutliche Signalwirkung entfalten.“

Bisherige Rechtsprechung

Bisher haben deutsche Gerichte in Verwaltungsverfahren zu Gunsten der jeweiligen Betreiber von Facebook-Seiten entschieden. Insbesondere durch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holstein (ULD) wird insoweit ein Musterverfahren geführt, welches derzeit dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer vom ULD eingereichten Revision vorliegt. Einen Überblick über den bisherigen Verfahrensverlauf und die Inhalte der Revisionsbegründung haben wir hier dargestellt.

Es liegt noch keine offizielle Beanstandung vor

Zeichnet sich jetzt auch in Baden-Württemberg ein neues Musterverfahren ab? Unsere heutige Nachfrage beim Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg ergab, dass derzeit zwar die Forderung der Abschaltung besteht, aber keine offizielle Beanstandung ausgesprochen wurde.

Wie könnte es in Baden-Württemberg weitergehen

Nach unserer Einschätzung hat das Landesministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz nun Gelegenheit, auf die Forderung zu reagieren. Sollte der Forderung des Landesdatenschutzbeauftragten jedoch nicht nachgekommen werden, ist es denkbar, dass dieser eine offizielle Beanstandung nach § 30 Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg ausspricht. Eine solche Beanstandung wiederum wäre ein Verwaltungsakt, gegen den das Landesministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Rechtsmittel einlegen könnte. Es besteht somit eine vergleichbare Situation wie im Jahr 2011 in Schleswig-Holstein.

Es wird sich vermutlich in naher Zukunft zeigen, ob sich aus der aktuellen Situation tatsächlich ein zweiter Musterprozess entwickelt oder ob die jetzige Aufforderung eher als unterstützendes Zeichen in Richtung der Verbraucherzentralen zu werten ist – so mahnte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) Facebook z. B. am 23. Februar 2015 ab. Nach Ansicht der Verbraucherschützer verstößt Facebook mit mindesten 19 Klauseln seiner neuen Datenschutzrichtlinien gegen geltendes Recht (vgl. unseren Beitrag zu den neuen Datenschutzrichtlinien). In dieser Situation kann es tatsächlich als widersprüchlich verstanden werden, wenn sich gerade ein Landesministerium für Verbraucherschutz auf Facebook präsentiert. Andererseits warnt auch das Landesministerium für Verbraucherschutz in seiner Datenschutzerklärung auf Facebook vor der nicht überschaubaren Datenverarbeitung durch Facebook.

Es bleibt die Frage: Verbraucherschutz und Facebook – geht das?

Update: Minister Bonde lehnt eine Abschaltung der Facebookseite „VerbraucherBW“ ab und fordert seinerseits die Datenschützer auf sich stärker in den Sozialen Medien zu präsentieren.