Der Gang zum Betriebsarzt ist mittlerweile fester Bestandteil der Einstellungsprozedur neuer Mitarbeiter. Aber auch langjähre Beschäftigte können in regelmäßigen Abständen für eine betriebsärztliche Untersuchung geladen werden.
Was aber ist erlaubt? Was darf untersucht werden?
Es ist zu unterscheiden zwischen arbeitsmedizinischen Vorsorgen, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen.
Arbeitsmedizinische Vorsorgen
Arbeitsmedizinische Vorsorgen sind in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt. Durch die Vorsorgen sollen arbeitsbedingte Erkrankungen sowie Berufskrankheiten frühzeitig erkannt und verhütet werden. Zudem soll ein Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes geleistet werden (§ 1 Abs. 1 ArbMedVV). Die ArbMedVV definiert drei Vorsorgearten (Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge). Der Arbeitnehmer muss an gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtvorsorgen teilnehmen, andernfalls droht ein Berufsverbot (§ 4 Abs. 2 ArbMedVV). Angebotsvorsorgen sind dem Arbeitnehmer anzubieten. Eine Teilnahme ist nicht verpflichtend. Eine Ablehnung der Teilnahme hat für den Beschäftigten keine Auswirkungen. Bei Wunschvorsorgen geht die Initiative vom Mitarbeiter aus. Ist die Vorsorge für die konkrete Tätigkeit sinnvoll, hat sie der Arbeitgeber anzubieten.
Der Betriebsarzt darf die Ergebnisse nicht an den Arbeitgeber kommunizieren: Hält der Arzt aus medizinischen Gründen, die ausschließlich in der Person des Beschäftigten liegen, einen Tätigkeitswechsel für erforderlich, so bedarf diese Mitteilung an den Arbeitgeber der Einwilligung des Beschäftigten (§ 6 Abs. 4 ArbMedVV). Die Durchführung einer Vorsorge, das Durchführungsdatum und der Anlass sind durch den Arbeitgeber in einer Vorsorgekartei vorzuhalten. Die Angaben sind bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufzubewahren. Anschließend sind diese grundsätzlich zu löschen.
Einstellungsuntersuchungen
Einstellungsuntersuchungen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses dienen der Vorstellung des Betriebsarztes und der Vertrauensbildung. In einem persönlichen Gespräch kann der Mitarbeiter gesundheitliche Punkte ansprechen. Hierzu besteht jedoch keine Verpflichtung.
Eignungsuntersuchungen
Eignungsuntersuchungen sind spezielle Einstellungsuntersuchungen. Diese Untersuchungen dienen der Feststellung, ob der zukünftige Mitarbeiter geeignet ist, die betreffende Tätigkeit auszuüben oder ob gesundheitliche Erwägungen zwingend einer Einstellungsentscheidung entgegenstehen. Darüber hinaus finden Eignungsuntersuchungen auch während des Arbeitsverhältnisses statt. Sie dienen der Überprüfung, ob der Beschäftigte die gesundheitlichen Anforderungen seines Arbeitsplatzes weiterhin erfüllt. Eine Eignungsuntersuchung darf nur durchgeführt werden, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben ist. Die AbMedVV erklärt hierzu unter § 2 Abs. 1 Nr. 5: „… Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen nach sonstigen Rechtsvorschriften oder individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen.“ Hierbei kann nicht auf die Unfallverhütungsvorschriften oder die Grundsätze der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (sogenannte „G-Grundsätze“) zurückgegriffen werden, da diese keine entsprechenden Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen darstellen. Rechtsgrundlagen finden sich in folgenden Vorschriften:
- 48 der Fahrerlaubnisverordnung,
- Triebfahrzeugführerscheinverordnung,
- Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung,
- 10 der Druckluftverordnung,
- Anhang 1 Nr. 4.4.2 Abs. 5 Nr. 3 Gefahrstoffverordnung,
- 37 Röntgenverordnung,
- 7 Flugsicherungspersonalausbildungsverordnung.
Exkurs: Untersuchung bei Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten
Werden Mitarbeiter mit dem Führen eines Gabelstaplers, Krans oder sonstigen Fahrzeuges betraut, trägt der Arbeitgeber eine erhebliche Verantwortung gegenüber dem Fahrzeugführer und dessen Arbeitskollegen. Der Fahrzeugführer muss für die Aufgabe geeignet sein, damit er sich und andere nicht gefährdet. Der berufsgenossenschaftliche Grundsatz 25 für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten (der keine Rechtsgrundlage für eine Eignungsuntersuchung darstellt) bietet allgemein anerkannte Regel für die Durchführung der Untersuchung.
Da die G25-Untersuchung auch nicht im Anhang zur ArbMedVV (Pflicht- und Angebotsvorsorge) aufgeführt wird, kann sie auf Grundlage der ArbMedVV allenfalls als Wunschvorsorge durchgeführt werden. In diesem Falle dürfen aber keine Aussagen zu gesundheitlichen Bedenken an den Arbeitgeber übermittelt werden, so dass der Arbeitgeber auf Grundlage der ArbMedVV keine Untersuchungsergebnisse erhält, wenn der Arbeitnehmer dies nicht möchte.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Rechtsgrundlage für bestimmte Eignungsuntersuchungen über eine Betriebsvereinbarung zu schaffen. Dies kommt beispielsweise für Fahrtätigkeiten in Betracht, für die – wie im Exkurs beschrieben – keine Eignungsprüfung erfolgen darf.
Die Durchführung der Untersuchung muss selbst nicht in der Betriebsvereinbarung beschrieben werden, hierfür kann wieder auf die G-Grundsätze zurückgegriffen werden. Der Betriebsarzt darf dem Arbeitgeber die Information mitteilen, ob der Beschäftigte für die auszuübende Tätigkeit geeignet oder nicht geeignet ist. Weitere Informationen sind unzulässig. Eine Ausweitung der Informationspflicht durch eine Kollektiv- oder Individualvereinbarung (Betriebsvereinbarung oder arbeitsvertragliche Regelung) ist unzulässig. Diese würde gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßen.
Anonymous
3. Mai 2022 @ 16:21
Sehr geehehter Dr. Ertel,
İch habe mit Fachkısmetikerin Ausbildung angefangen aber ich habe erfahren das ich Kronisches hepatites B habe. Bis jetz habe ich in niemanden in meine familie ıder sonst eingescteckt. İch mach mir sorgen ob ich dann als kosmetikerin arbeiten darf?
Danke
Lg
Anonymous
18. September 2017 @ 22:35
Sehr geehrter Herr Dr. Ertel,
nach längerer Krankheit besteht mein Arbeitgeber auf eine Untersuchung durch den Betriebsarzt bevor eine Wiedereingliederung genehmigt wird. Ich habe aufgrund einer früheren Untersuchung Bedenken über die Tätigkeiten des Betriebsarztes und habe dies auch damals meinem Arbeitgeber und Betriebsrat mitgeteilt. Ich habe keine Reaktion erhalten. Jetzt habe ich aus aktuellem Anlass einen Untersuchungstermin erhalten. Vom Ergebnis wird die Zustimmung der Wiedereingliederung abhängig gemacht. Der Betriebsarzt besteht auf Blutabnahmen, Einsicht in alle Krankenakten, Urinabnahmen etc.. Überdies besteht er darauf, dass ich mit meiner Unterschrift dieser Vorgehensweise zustimme. Mit dieser Zustimmung stimme ich auch ein, dass der Arbeitgeber folgende Informationen erhält: keine gesundheitlichen Bedenken – keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. konsequenter Gehörschutz erforderlich oder geeignete Sehhilfe erforderlich – befristete gesundheitliche Bedenken, z.B. nach Krankheit oder Unfall oder bei Schwangerschaft – dauernde gesundheitliche Bedenken, z.B. schwersten Unfallfolgen, die erwerbsunfähig machen.
Ich denke nicht, dass ich dem Betriebsarzt diese Einverständniserklärung unterschreiben muss. Jedoch werden davon arbeitsrechtliche Konsequenzen abhängig gemacht. Könnten Sie mir bitte mitteilen, ob diese Art der sehr umfänglichen Untersuchungen und die Benachrichtigung des AG rechtlich haltbar sind? Vielen Dank.