Betriebliche Vorsorgeuntersuchungen haben nicht nur in der Vergangenheit für skandalträchtige Schlagzeilen, wie z. B. „Bluttest bei Daimler – Schikanierte Bewerber“, gesorgt (Online-Dienst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Ende Oktober 2009). Auch heute noch sind betriebsärztliche Untersuchungen – ob zur Einstellung eines Bewerbers oder als Vorsorgemaßnahme während eines laufenden Arbeitsverhältnisses – allgemein dazu geeignet, datenschutzrechtliche Unsicherheit auf beiden Seiten des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Der folgende Text möchte Sie näher über diesen Themenkreis informieren.
Welche Vorsorgeuntersuchungen gibt es?
Zum Schutz des Beschäftigten vor Gefährdungen der eigenen Gesundheit bzw. des eigenen Lebens bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit sowie zum Schutz anderer ist die Durchführung arbeitsmedizinischer Untersuchungen gesetzlich geregelt. Es wird zwischen Pflichtuntersuchung, Angebots- und Wunschuntersuchung unterschieden.
Insbesondere im Jugendarbeitsschutzgesetz und in der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) sind für gewisse Tätigkeiten in Unternehmen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer bestimmte arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen verpflichtend durchzuführen. Dadurch wird sichergestellt, dass der Arbeitnehmer vor allem bei besonders gefährlicher Arbeitstätigkeit zu deren Ausführung geeignet ist. Die berufsgenossenschaftlichen Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen stecken den Rahmen dafür ab, was bei den verschiedenen Pflichtuntersuchungen an Maßnahmen in Betracht kommt. Verweigert der Arbeitnehmer die Teilnahme an einer Pflichtuntersuchung, darf er nicht für die Tätigkeit eingesetzt werden.
Neben den Pflichtuntersuchungen enthält die ArbMedVV auch einen abschließenden Katalog von Angebotsuntersuchungen. Diese muss der Arbeitgeber grundsätzlich durch seinen Betriebsarzt anbieten, jedoch ist eine Teilnahme durch den Beschäftigten hieran nicht verpflichtend. Auf diesen Umstand sollte eine Einladung zur Teilnahme an der Untersuchung ausdrücklich hinweisen. Auf Wunsch eines Beschäftigten hat der Arbeitgeber darüber hinaus regelmäßige Untersuchungen zu ermöglichen, soweit die entsprechende Arbeit gewisse Gesundheitsschädigungen mit sich bringen kann. Derartige Untersuchungen werden als Wunschuntersuchungen bezeichnet.
In welchen Fällen ist eine Untersuchung verpflichtend?
Je nach dem Gefährdungspotential der ausgeübten Tätigkeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet, sich verschiedenen Untersuchungen wie z. B. einem Hörtest oder einem Atemschutztest zu unterziehen.
Pflichtuntersuchungen kommen insbesondere in folgenden Situationen in Betracht:
- Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
- Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischer Arbeiten mit humanpathogenen Organismen
- Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen wie etwa bei extremer Temperatur- oder Lärmbelastung
- sonstige Tätigkeiten, z. B. solche, die das Tragen von Atemschutzgeräten der Gruppen 2 und 3 erfordern.
Das Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (JArbSchG) gibt ferner verbindlich vor, dass Beschäftigte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erst beschäftigt werden dürfen, wenn sie in den letzten 14 Monaten vor Beschäftigungsbeginn von einem Arzt untersucht worden sind (Eingangsuntersuchung). Eine Ausnahme ist nur für geringfügige oder nicht länger als zwei Monate dauernde Beschäftigungen mit leichten Arbeiten vorgesehen, die keine gesundheitlichen Nachteile für den Jugendlichen erwarten lassen. Grundsätzlich ein Jahr nach Beschäftigungsbeginn muss eine erste Nachuntersuchung durchgeführt werden. Weitere Nachuntersuchungen können jährlich folgen.
Verpflichtung zur Angebotsuntersuchung durch Betriebsvereinbarung?
Diese Frage ist vor allem für den Fall umstritten, in dem das vom Bundesdatenschutzgesetz festgelegte Datenschutzniveau unterschritten werden soll. Da der Arbeitnehmer zur Teilnahme an einer Angebotsuntersuchung grundsätzlich nicht verpflichtet ist und wegen des Machtgefälles zum Arbeitgeber in eine solche nur in den seltensten Fällen wird wirksam einwilligen können, gibt es keine rechtliche Grundlage für eine derartige Datenerhebung im Rahmen der Angebotsuntersuchung.
Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gibt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) keinen unabdingbaren Mindeststandard vor. Dieses Urteil ist aus dem Jahr 1986. Wohl wegen dieser zeitlichen Distanz zur Entscheidung als und auch aus der Sorge heraus, den gesetzlichen Mindeststandard an Datenschutz nicht durch die Hintertür zu verwässern, stellen sich Datenschutzaufsichtsbehörden sowie eine starke Literaturmeinung gegen diese Auffassung.
In jedem Fall dürfen Betriebsvereinbarungen keinen beliebigen Inhalt aufweisen. Sie müssen sich an die Regelungsautonomie der Betriebspartner und die sich aus grundgesetzlichen sowie arbeitsrechtlichen Wertungen und zwingendem Gesetzesrecht ergebenden Beschränkungen halten.
Das Interesse des Arbeitgebers an der geforderten Untersuchung ist vielmehr gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit abzuwägen. Diese ist gemäß Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1. Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Das Schutzniveau wächst mit der Intensität des Eingriffs. So ist es denkbar, etwa Hörtests (unterhalb der Lärmschwelle für Pflichtuntersuchungen, G20), Sehtests bei Bildschirmarbeit (G37) und die Blutdruckmessung (G 25) bei nachgewiesenem Arbeitgeberinteresse an Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz sowie seiner allgemeinen Fürsorgepflicht in einer Betriebsvereinbarung zu regeln.
Verpflichtung zur Blutuntersuchung durch Betriebsvereinbarung?
Die Analyse des abgenommenen Bluts ermöglicht eine umfangreiche Erhebung von sensiblen Gesundheitsdaten des Betroffenen. Gegen diese kann er sich nicht mehr wehren, weil die weitere Untersuchung ohne seine Beteiligung erfolgt. Aufgrund dieser Eingriffsintensität in die Intimsphäre des Betroffenen, müssen die Gründe für eine Blutuntersuchung von erheblichem Gewicht sein, um sie zu rechtfertigen. Nur dann wäre der Eingriff verhältnismäßig. Es dürften dem Arbeitgeber daher keine milderen, aber ähnlich effektiven Mittel zur Verfügung stehen, um die Leistungsfähigkeit und Tauglichkeit des Arbeitnehmers zu überprüfen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat dem Arbeitgeber mit der Begründung eines Probearbeitsverhältnisses ein taugliches Instrument an die Hand gegeben, mit dem er die Leistungsfähigkeit überprüfen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes darf der Arbeitgeber den Bewerber ferner nach dessen gesundheitlicher Tauglichkeit für die vakante Stelle fragen, wenn diese für die Erbringung der Arbeitsleistung relevant ist. Daneben obliegt dem Bewerber regelmäßig die Pflicht, dem potentiellen Arbeitgeber die Sachverhalte mitzuteilen, aus denen sich die fehlende Tauglichkeit für die vakante Stelle ergibt.
In der Abwägung dieser Interessengegensätze erscheint eine verdachtsunabhängige Reihenuntersuchung mit Blutabnahme, wie es der Grundsatzkatalog der G 25-Untersuchung grundsätzlich vorsieht, demnach nicht erforderlich. Es ist daher mit der Rechtsprechung des BAG anzunehmen, dass es grundsätzlich unzulässig ist, einen Arbeitnehmer zu verpflichten, an einer Routineuntersuchung teilzunehmen, die eine etwaige Alkohol- oder Drogenabhängigkeit untersuchen soll. Eine Blutuntersuchung erscheint daher nur vor dem Hintergrund von Verdachtsmomenten im Einzelfall empfehlenswert. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein.
Dr. Sebastian Ertel | | Allgemein |
Neugier
7. Oktober 2017 @ 11:50
Hallo,
ich bin 36 und fast zwei Jahre in meiner aktuellen Beschäftigung. Jetzt habe ich von der
Personalabteilung eine Einladung zur ärztlichen Vorsorgeuntersuchung G37 plus Erstuntersuchumg bekommen. Ich arbeite im Büro und wundere mich das es erstens so spät und zweitens Verpflichtend sein soll. Muss ich das tun? Weil ehrlich gesagt kommt mir das etwas merkwürdig vor. Danke und Gruß
Indirekt
9. August 2016 @ 10:36
Ist bei Jugendarbeitsschutzuntersuchungen eine zusätzliche Einstellungsuntersuchung notwendig, über die der Arbeitgeber eine gesonderte ärztliche Bescheinigung bekommt, in der die Angaben über den Untersuchungsbefund in Form ´´Geeignet, bedingt geeignet, geeignet unter bestimmten Voraussetzungen und nicht geeignet ´´ angegeben werden ??
Dr. Sebastian Ertel
9. August 2016 @ 12:19
Ein Jugendlicher, also eine Person,die 15 aber noch nicht 18 Jahre alt ist, muss, wenn er in das Berufsleben eintritt, untersucht werden.
Der Arbeitgeber erhält vom untersuchenden Arzt eine Bescheinigung, dass die Untersuchung stattgefunden hat. Ferner sind in der Bescheinigungen die Arbeiten zu vermerken, durch deren Ausführung der Arzt die Gesundheit oder die Entwicklung des Jugendlichen für gefährdet hält (§ 39 Abs. 2 JArbSchG).
Die Untersuchung muss nicht durch einen Arzt des Arbeitgebers (z. B. Betriebsarzt) erfolgen. Der Jugendliche kann sich bei seinem Hausarzt untersuchen lassen und lässt seinem Arbeitgeber die Bescheinigung zukommen.
Sofern davon losgelöst eine Eignungsuntersuchung erforderlich ist, hat diese im Rahmen des Einstellungsprozesses zu erfolgen.
Indirekt
9. August 2016 @ 14:09
Danke für Ihre Beantwortung ! Im Formular für die JArbSch Untersuchung sind die Felder für die Ausführungen des untersuchenden Arztes vorhanden, die mit einer möglichen Gefährdung des Jugendlichen für dessen Entwicklung und Gesundheit im Zusammenhang stehen. Zusätzlich wird in dem Betrieb neben der JArbSch Untersuchung eine Einstellungsuntersuchung durchgeführt bei dieser erweiterte Untersuchungen stattfinden. Darüber erhält der Arbeitgeber zusätzlich zur Kopie der JArbSch Untersuchung eine ärztliche Bescheinigung mit den Angaben über ´´geeignet / nicht geeignet ´´.