Die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten (DSB) trifft viele Unternehmen. Dabei bestehen zwei Möglichkeiten, der Bestellpflicht nachzukommen: Entweder Unternehmen ernennen einen*eine Beschäftigte*n zum/zur internen DSB oder es wird ein*eine externe*r DSB bestellt. In beiden Fällen kann die Auswahl der richtigen Person schwierig sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich unlängst mit der Frage beschäftigt, ob auch Betriebsratsmitglieder als DSB fungieren können.

Qualifikation eines Datenschutzbeauftragten

Art. 37 Abs. 5 DSGVO gibt vor, dass bei der Auswahl des DSB insbesondere die berufliche Qualifikation sowie Fachwissen im Bereich Datenschutzrecht und Datenschutzpraxis ausschlaggebend sein sollen. Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 38 Abs. 6 DSGVO, dass die zum/zur DSB benannte Person neben der Tätigkeit als DSB zwar weitere Aufgaben im Unternehmen wahrnehmen darf, diese Aufgaben jedoch nicht zu einem Interessenkonflikt führen dürfen.

Wann liegt ein Interessenkonflikt vor?

Ein Interessenkonflikt liegt vor, wenn die Rolle des DSB vom leitenden Management (Unternehmensleitung, Finanzvorstand, Leitung bestimmter Abteilungen wie z. B. der Marketing-, Personal- oder IT-Abteilung) wahrgenommen wird. Jedoch auch hierarchisch nachgeordnete Positionen kommen als DSB nicht in Frage, wenn die betreffenden Funktionen oder Aufgabenfelder die Festlegung von Zwecken und Mitteln der Datenverarbeitung mit sich bringen, man also seine eigene Arbeit kontrollieren müsste. So sieht es zumindest der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) und bleibt damit ganz auf einer Linie mit seinem Rechtsvorgänger, der Art. 29 Gruppe.

Interessenkonflikt: Betriebsratsmitglieder als Datenschutzbeauftragte?

Wie sieht es jedoch mit Mitgliedern des Betriebsrats aus? Können diese zum DSB des Unternehmens benannt werden?

Mit dieser Frage hat sich vor kurzem der EuGH beschäftigt. Dabei geht es um einen Betriebsratsvorsitzenden, der von seinem Amt als DSB abberufen wurde, da das Unternehmen sowie der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit einen Interessenskonflikt angenommen haben.

In der ersten Instanz führte das Arbeitsgericht Dresden (AG Dresden Urt. v. 27.06.2018 – 10 Ca 234/18) aus, dass ein Interessenkonflikt nicht bestehe, weil der DSB verpflichtet ist, auf die Einhaltung des Datenschutzes hinzuwirken und gleichzeitig die Verschwiegenheit zu wahren hat. Auch seien die Aufgaben der Betriebsratsmitglieder nicht gegensätzlich zu denen eines/einer DSB, sondern es bestehe eine ähnliche Pflichtenlage.

Auch in der zweiten Instanz hat das Landesarbeitsgericht Sachsen (LAG Sachsen Urt. v. 19.08.2019 – 9 Sa 268/18) keinen Grund für die Abberufung des Betriebsratsmitglieds als DSB angenommen.  Mittlerweile liegt der Fall in dritter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG). Das BAG hat bisher angenommen, dass zwischen der Funktion eines DSB und der eines Betriebsratsmitglieds keine grundsätzliche Inkompatibilität bestehe und eine Interessenkollision damit nicht ersichtlich sei. Hierzu wird ausgeführt, dass die Kontroll- und Überwachungsbefugnisse des betrieblichen DSB gegenüber dem Arbeitgeber, ein Betriebsratsmitglied nicht generell für diesen Aufgabenbereich ungeeignet machen. Da für die Entscheidungsfindung jedoch die Auslegung von europäischer Gesetzgebung ausschlaggebend ist und hierzu noch keine Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlag, hat das BAG dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (BAG Beschl. v. 27.04.2021 – 9 AZR 383/19 (A).

Vorabentscheidungsverfahren

Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens hat das BAG dem EuGH mehrere Fragen gestellt. Der Großteil der Fragen dreht sich um das Verhältnis von DSGVO und BDSG, das wir hier nicht weiter thematisieren wollen. Das BAG hat aber auch die Frage gestellt, ob ein Interessenkonflikt vorliegt, wenn die Ämter des DSB und des Betriebsratsvorsitzenden in Personalunion ausgeübt werden. Das Urteil dazu ist in der letzten Woche ergangen (C-453/21).

Die Antwort, die der EuGH zu dieser Frage geliefert hat, ist leider sehr vage. Es werden nur sehr allgemeine Hinweise gegeben, wann ein Interessenkonflikt anzunehmen ist. Das Wort Betriebsrat kommt dabei nicht einmal vor. Letztlich hat der EuGH nur klar gemacht, dass die nationalen Gerichte selbst entscheiden müssen, ob ein Interessenkonflikt vorliegt oder nicht.

Das Verfahren liegt damit nun wieder beim BAG, das mit Hilfe der Hinweise des EuGH entscheiden muss, ob ein Interessenkonflikt vorliegt oder nicht.

Was sagt das Schrifttum?

Bis zur Entscheidung durch das BAG müssen betroffene Unternehmen, DSB und Betriebsräte also selbst einschätzen, ob ein Interessenkonflikt vorliegt. Dabei können die oben genannten Urteile des Arbeitsgerichts Dresden und des Landesarbeitsgerichts Sachsen, die keinen Interessenkonflikt sehen, einerseits herangezogen werden. Andererseits findet sich in der juristischen Literatur, auf die auch das BAG in seinem Beschluss zur Vorabentscheidung hinweist, die Ansicht, dass verschiedene abstrakte Gefahren bestehen, wenn Betriebsratsmitglieder auch DSB sind.  Dies liege daran, dass die Aufgaben und Interessen von Betriebsrat und DSB nicht immer gleichlaufend ausgerichtet seien und in Durchführung der jeweiligen Ämter gegenteilige Ziele durchgesetzt werden könnten. So sei beispielsweise denkbar, dass ein Betriebsratsmitglied als DSB in Durchführung seiner letztgenannten Tätigkeit zu Kompromissen bereit sei, um Interessen des Betriebsrats durchzusetzen. Gleichzeitig wäre denkbar, dass die Person in Ausführung des Arbeitnehmerschutzes den Datenschutz vernachlässige. Folglich könnte die Person nicht beiden Ämtern vollumfänglich nachkommen. Außerdem bestünde die abstrakte Gefahr, die sich in der Überprüfung des Betriebsrats durch den DSB ergeben könnte, wenn ebendieser damit „Richter in eigener Sache“ werde.

Fazit

Es wäre wünschenswert gewesen, dass der EuGH eine klare Entscheidung in der Angelegenheit getroffen hätte. Nun heißt es noch einmal warten, bis das BAG entschieden hat.

Die im Schrifttum vertretene Ansicht kann jedoch durchaus überzeugen, denn sowohl Betriebsratsmitglieder als auch DSB werden in zahlreiche Vorgänge im Unternehmen eingebunden und müssen diese unabhängig bewerten. Ein und derselbe Sachverhalt müsste von einer Person aus zwei Blickwinkeln betrachtet und jeweils unabhängig bewertet werden. Ob dies regelmäßig gelingen kann, ist äußerst fraglich. Die Entscheidung des BAG abwartend dürfte es sinnvoll sein, bei der Auswahl der*des DSB die Funktionen eines Betriebsratsmitglieds von der des*der DSB zu trennen, um möglichen Interessenkonflikten entgegenzuwirken.