Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens ist die Angabe bestimmter personenbezogener Daten erforderlich. Hierbei stellt sich regelmäßig die Frage, welche Informationen der potenzielle Arbeitgeber verlangen darf und wo die Grenze zur Unzulässigkeit überschritten wird. Darf er etwa Angaben zum Privatleben des Bewerbenden oder dessen Gesundheit, Sexualität, politischer Einstellung abfragen – ggf. unter Heranziehung einer Einwilligung des Bewerbers?
Beschwerde
Mit der vorbezeichneten Frage hat sich der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI-BW) im Jahr 2024 beschäftigt. Grund hierfür war eine Beschwerde, wonach ein Unternehmen einen Fragebogen zwecks Vorbereitung eines Bewerbungsgesprächs ausgegeben hatte, in dem nach Krankheiten und Krankheitsfolgen, einer Schwerbehinderung, der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft sowie Pfändungen gefragt wurde. Zudem wurden Hobbys, Name, Geburtsdatum und Beruf der Lebenspartner sowie Namen und Geburtsdaten der Kinder erfragt. Im Fragebogen wurde darauf hingewiesen, dass die Angabe dieser Daten freiwillig sei.
Erforderlichkeit einer Rechtsgrundlage
Nach den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bedarf jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer wirksamen Rechtsgrundlage. Diese sind in Art. 6 Abs. 1 DSGVO definiert. Somit kann eine Datenverarbeitung vorgenommen werden, sofern:
- eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt (lit. a),
- diese zur Vertragserfüllung bzw. Vertragsanbahnung erforderlich ist (lit b),
- der Verantwortliche einer rechtlichen Verpflichtung unterliegt (lit c),
- die Verarbeitung erforderlich ist, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen (lit d),
- diese ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (lit. e), oder
- die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist (lit. f).
Liegt keine wirksame Rechtsgrundlage vor, ist die Datenverarbeitung datenschutzrechtlich nicht zulässig.
Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens besteht seitens des Verantwortlichen (des Arbeitgebers) keine rechtliche Verpflichtung zur Verarbeitung bestimmter Kategorien von personenbezogenen Daten. Regelmäßig liegt auch die Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. d bzw. Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO nicht vor.
Bei der Abfrage der Daten im Fragebogen sind ebenfalls keine berechtigten Interessen des Verantwortlichen ersichtlich, die gegenüber den Interessen der betroffenen Person überwiegen würden.
Fraglich ist, auf welcher Rechtsgrundlage gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO die Verarbeitung im Rahmen eines Bewerbungsfragebogens gestützt werden kann.
Vertragsanbahnung
Im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens ist eine Datenverarbeitung gemäß Art. 88 DSGVO i. V. m. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DSGVO zulässig, wenn sie für die Entscheidung über die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zweifelsfrei stellen Informationen über das Privatleben eines Bewerbers (wie Hobbys), seinen Lebenspartner und seine Kinder keine notwendigen Daten dar, da diese keine Rückschlüsse auf die Eignung des Bewerbers für die beruflichen Tätigkeit zulassen.
Ferner wies die LfDI-BW darauf hin, dass auch die Erhebung von Daten über das Vorliegen einer Schwerbehinderung sowie pauschale Fragen zu Krankheiten und Krankheitsfolgen für die Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich sind. Zulässig seien ausschließlich Fragen zum gesundheitlichen Zustand, die darauf abzielen, zu klären, ob gesundheitliche Gründe der Ausübung der angestrebten Tätigkeit entgegenstehen. Hierbei ist zu beachten, dass eine Absage der Einstellung aufgrund einer Schwerbehinderung einen Verstoß nach §7 Abs 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellt.
Auch die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist im Bewerbungsverfahren irrelevant und darf nicht abgefragt werden. Dies wurde bereits im Jahr 2000 durch das Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 28. März 2000 – 1 ABR 16/99) bestätigt. Das Gericht wies darauf hin, dass aufgrund der Koalitionsfreiheit nach Art.9 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) die Gewerkschaftszugehörigkeit die Einstellungsentscheidung nicht beeinflussen darf.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass Gesundheitsdaten sowie die Gewerkschaftszugehörigkeit besondere Kategorien personenbezogener Daten darstellen. Gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist es grundsätzlich untersagt, diese zu verarbeiten. Sofern die Datenverarbeitung dennoch vorgenommen werden sollte, ist es erforderlich, dass stets eine in Art. 9 Abs. 2 DSGVO definierte Ausnahme von dem festgelegten Verbot der Datenverarbeitung vorliegt.
Einwilligung
Fraglich ist, ob die vorbezeichneten Daten – einschließlich sensibler Daten gem. Art. 9 DSGVO – mit einer Einwilligung des Betroffenen verarbeitet werden dürfen.
Eine Einwilligung ist nach Art. 7 DSGVO nur dann wirksam, wenn sie freiwillig erteilt wird. Die Freiwilligkeit der Einwilligungserklärung ist im Beschäftigungsverhältnis regelmäßig jedoch zu verneinen. Ursächlich hierfür ist, dass zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten ein Über- /Unterordnungsverhältnis besteht. Daher ist davon auszugehen, dass auch Bewerber mit Nachteilen im Bewerbungsverfahren rechnen müssen, wenn sie einen Fragebogen nicht vollständig ausfüllen.
Aus diesem Grund ist die Freiwilligkeit der Einwilligung in die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten sowie der Angaben zum Privatleben des Bewerbers im Bewerbungsverfahren zu verneinen.
Fazit
Ein Fragebogen soll dem Arbeitgeber helfen, ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten. Anhand der im Rahmen des Bewerbungsverfahrens gestellten Fragen und angegebenen Antworten wird ein Bewerber, der aus Sicht des Unternehmens für die angebotene Stelle am besten geeignet ist, eingestellt. Aus diesem Grund sind im Bewerbungsgespräch sowie im vorausgehenden Bewerbungsbogen ausschließlich solche Fragen zu stellen, die für diese Entscheidung erforderlich sind. Weitere Daten, die nicht dazu geeignet sind, Informationen über die Eignung des Bewerbenden für die ausgeschriebene Stelle zu geben, dürfen grundsätzlich nicht verarbeitet werden.
10. Juni 2025 @ 11:47
Ich finde Fließtext allein ist in der Regulatorik und dem Rechtswesen im Allgemeinen aufgrund der schier unüberschaubaren Massen an Texten etwas ungünstig. Am Schluss würde ich mir daher wünschen, wenn man in Listen einfacher nachlesen kann. 1) Dies dürfen Sie fragen 2) Dies dürfen sie nicht fragen. Dass solche Listen nicht abschließend sein können, ist klar.
11. Juni 2025 @ 16:03
Herr Kehne,
vielen Dank für Ihren Kommentar zu meinem Blogbeitrag und die darin enthaltene konstruktive Kritik. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Ihnen in Ihrer täglichen Arbeit eine Checkliste mehr von Nutzen sein würde. Wie Sie sicher wissen, ist die datenschutzrechtliche Zulässigkeit einzelner Fragen im Bewerbungsverfahren auch von der ausgeschriebenen Stelle und der demnach erforderlichen Informationen zur Besetzung der Vakanz abhängig. Deshalb ist die Erstellung einer pauschalen Checkliste, die auf jeden Fall zutrifft, nur schwer möglich. Darüber hinaus dient der Blogbeitrag lediglich dazu, einen groben Überblick über das Problem zu erlangen, um sich diesem bewusst zu werden und für sich passende Maßnahmen ableiten zu können.
30. Mai 2025 @ 8:55
Könnte man als Rechtsgrundlage nicht Einwilligung heranziehen?
2. Juni 2025 @ 9:35
Gemäß Art. 7 DSGVO ist eine Einwilligung nur dann wirksam, wenn sie freiwillig erteilt wird. Das bedeutet unter anderem, dass die betroffene Person keine Nachteile befürchten muss, wenn sie der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten nicht zustimmt. In einem Bewerbungsverfahren kann nicht ausgeschlossen werden, dass Bewerber benachteiligt werden, wenn sie einen Fragebogen nicht vollständig ausfüllen.
28. Mai 2025 @ 9:59
Bitte „Verhältniss“ korrigieren.