Vergangene Woche war es soweit, nach jahrelang andauerndem Verfahren gab es von Seiten des Bundesverfassungsgerichts das langersehnte Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BKA-Gesetz, kurz: BKAG) (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 20.04.2016 – 1 BvR 966/09 / Pressemitteilung zum Urteil).

Die Beschwerdeführer, darunter unter anderem auch der aus den Verfahren zum Großen Lauschangriff und zur Vorratsdatenspeicherung bekannte ehemalige Minister Gerhart Baum, richteten sich mit ihrer Beschwerde gegen die mit Wirkung zum 01.01.2019 eingefügten Regelungen (beispielsweise zur Datenerhebung).  Das Gericht bewertete das Gesetz, genauer gesagt die vornehmlich streitgegenständlichen Regelungen des Unterabschnittes 3a des BKA-Gesetzes, §§ 20 a ff. BKAG, teilweise für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Nun muss der Gesetzgeber nachbessern bei der Ausgestaltung der Normen – sprich neu fassen – und das bis Ende Juni 2018. Bis dahin bleiben die Regelungen eingeschränkt anwendbar.

Damit reiht sich das Urteil in eine Ära von richtungsweisenden Grundsatzentscheidungen im Bereich der seit Beginn des Terrors 2001 neu gestalteten Sicherheitsgesetze, wie etwa das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, zur Online-Durchsuchung oder auch zur Luftsicherheit, ein.

Was besagt das Urteil im Wesentlichen?

Das Gericht bezog in vielerlei Hinsicht mehrheitlich klar Stellung. Im Grundsatz positiv stuften die Richter zunächst die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes für den Bereich der Terrorabwehr sowie ebenfalls für die Ermächtigung zum Einsatz heimlicher Ermittlungsmaßnahmen, wie dem Lauschen oder generell heimlichen Überwachen von Terrorverdächtigen und damit konkret Befugnisse, die mehr der Informationsbeschaffung als der Gefahrenabwehr dienen, ein. Soweit so gut.

Demgegenüber bemängelte das Gericht konkret die Ausgestaltung einzelner Normen. Die weiträumig gewährten Befugnisse auf Seiten des Bundeskriminalamtes haben tiefgreifende, nicht verhältnismäßige, Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen, wie etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Unverletzlichkeit der Wohnung oder das Telekommunikationsgeheimnis, zur Folge. Die Richter sahen folgende datenschutz- bzw. verfassungsrechtliche Grundsätze als verletzt an:

  • Für den Einsatz von heimlichen, und damit tief in die Privatsphäre eingreifenden, Ermittlungsmethoden bedarf es strengerer normierter Voraussetzungen (also je tiefer der Eingriff, desto höher müssen die Hürden sein).
  • Betreffen solche Ermittlungsmethoden dazu noch unbeteiligte Dritte, gelten noch stärkere Voraussetzungen.
  • Es müssen besondere Schutzregelungen existieren, sobald Ermittler in den geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung eindringen.
  • Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle sind zu beachten, wozu insbesondere gehört, den Betroffenen über die Durchführung der Maßnahme zu benachrichtigen, die richterliche Kontrollbefugnis einzuhalten sowie den Berichtspflichten gegenüber Parlament und Öffentlichkeit nachzukommen und Löschpflichten bezüglich der erhobenen Daten zu schaffen.
  • Berufsgeheimnisträger müssen besonders geschützt sein.
  • Die Übermittlung von Daten an öffentliche Stellen im In- und Ausland hat den höchstrichterlich festgelegten Anforderungen zu genügen.

Gerade bei dem letzten Punkt greift das Gericht wunderbar die Safe-Harbor-Entscheidung vom letzten Jahr auf und orientiert sich streng an den dort vorgegebenen Grundsätzen.

Erste Stimmen

Diverse Stimmen zu dem Urteil gibt es bereits. Der BKA Chef, Holger Münch, reagierte mit einer gewissen Skepsis auf die Entscheidung. Er hoffe, dass die Eingriffsinstrumente nach einer gesetzlichen „Nachbesserung“ noch praktikabel bleiben und es angesichts der Bedrohungslage nicht zu Sicherheitslücken komme. Ähnlich unzufrieden ist auch der Bundesinnenminister mit der Entscheidung und verteidigt das BKA-Gesetz. „Insbesondere der Informationsaustausch zwischen den Behörden in Deutschland und mit unseren internationalen Partnern muss erhalten, ja noch ausgebaut werden“.

Aber nicht nur negative Stimmen folgten dem Urteil. So äußerte sich etwa der Hamburgische Datenschutzbeauftragte positiv zu dem Grundsatzurteil und betonte noch einmal, dass „Der Datenschutz und die Achtung der Privatsphäre (…) zentrale Grundrechtsgarantien, die sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene die Befugnisse einer Übermittlung in Drittstaaten rechtsstaatlich begrenzen.“ Auch Christien Lambrecht, stellvertretene Fraktionsvorsitzende der SPD, befand die Stärkung des Datenschutzes und der Bürgerrechte durch das Bundesverfassungsgericht als „gut“. Zugleich wies Sie jedoch auf die durch das Gericht festgesetzte Botschaft hin, dass die Gründe für die Verfassungswidrigkeit nicht den Kern der eingeräumten Befugnisse auf Seiten des BKA für die Abwehr von Terrorismusgefahren treffen.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit diesem Urteil einmal mehr deutlich Position bezogen hat, ohne zugleich der allgewärtig hochkommenden Terrorangst vollends nachzugeben. Nun bleibt abzuwarten was der Gesetzgeber daraus macht, wie er das Gesetz nach den Vorgaben des Gerichts nachbessert und ob sich dies nachhaltig auf die Sicherheitsinfrastruktur in Deutschland auswirken wird.