Den Berichten zufolge scheint China die Spitze der Corona-Krise hinter sich zu haben. Viele Chinesen kehren zu ihren Arbeitsplätzen zurück und nehmen das soziale Leben wieder auf, wobei die Angst vor dem Virus immer noch da ist.
Gegen die Ausbreitung des Virus sollten die sogenannten Health Code Apps helfen, die für Millionen Chinesen seit einigen Wochen zum festen Bestandteil des Alltags geworden sind. Jeder, der am öffentlichen Leben teilnehmen möchte, muss die App auf seinem Handy installieren.
Die Apps werten nicht nur die Angaben und Gesundheitsdaten des Nutzers, sondern auch die anderen Daten des Smartphones, wie z.B. den Standort aus. Ziel ist es, die Infektionswahrscheinlichkeit der Bürger festzustellen und die nötigen Maßnahmen wie häusliche Quarantäne oder Krankenhausaufenthalt zu ergreifen.
In einigen Städten, wie z.B. Hangzhou, ist die Nutzung der App faktisch eine Pflicht für jeden einzelnen Bürger geworden. Viele Geschäfte, Restaurants oder öffentliche Verkehrsmittel sehen das „grüne Licht“ der App als eine Art Eintrittskarte.
Wie die Health Code Apps funktionieren…
Die Health Code Apps berechnen die Wahrscheinlichkeit der Infektion der einzelnen Personen. Die Kombination aus verschiedenen Angaben des Nutzes sollte nach Ansicht der chinesischen Regierung eine wirksame Methode darstellen, die weitere Ausbreitung der Erkrankung zu kontrollieren.
Um die App zu aktivieren, muss man neben den persönlichen Daten wie Namen, Wohnort und Ausweisnummer, die Daten über den Gesundheitszustand und die Aufenthaltsorte der vergangenen Wochen eingeben. Dabei greift die App auf die Stadtortdaten der Person zu. Der Nutzer gibt seine Einwilligung zum Zugriff auf seinen Standort und auf die Datenübermittlung an die zuständige Gesundheitsbehörde. Ist der persönliche Gesundheitscode nach der Auswertung der Daten auf „grün“ wird die Person als gesund eingestuft. Zeigt die App ein gelbes oder rotes Licht, ist man verpflichtet sich in die häusliche Quarantäne zu begeben oder bei der zuständigen Gesundheitsbehörde zu melden.
Die stattliche Stelle weiß somit, wo man sich aufhält und mit wem man sich trifft. Ob noch weitere Daten erhoben werden und an welche weiteren staatlichen Stellen diese weiteregeleitet werden, bleibt jedoch unklar.
Heath Code Apps in rund 200 chinesischen Städten bereits im Einsatz…
In vielen chinesischen Städten und Provinzen sind die Software bereits seit Wochen im Einsatz. Die Technologie, die inzwischen von mehreren Softwareunternehmen angeboten wird, entstand in der engen Zusammenarbeit mit den Regierungen der Städte und Provinzen. Ursprünglich gab es in jeder Stadt eine eigene App, die nur dort benutzt werden konnte. Seit einiger Zeit funktionieren unterschiedliche Softwares landesweit und die Daten fließen in ein gemeinsames System.Ohne Gesundheitscode geht nichts mehr…
In einigen Städten nutzen mehr als 90 % der Bevölkerung Health Code Apps. Ein grüner Gesundheitscode ist praktisch die Eintrittskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel wie Bus oder U-Bahn. Wenn – meist ältere – Person keinen Code vor dem Einsteigen vorzeigen können, werden sie von dem Sicherheitspersonal daran erinnert oder auch aufgefordert die App zu installieren. Auch viele Arbeitgeber haben die App für sich entdeckt und fordern ihre Mitarbeiter vor dem Betreten des Arbeitsplatzes den Code vorzuzeigen.
Ausblick
Seit einiger Zeit sind die Zahlen der Toten und Kranken in China zurückgegangen. Wie stark die Health Code Apps dazu beigetragen haben, kann man jetzt noch nicht sagen. Wie man inzwischen weltweit festgestellt hat, können die häusliche Quarantäne und Isolation bei Verdacht auf Corona-Infektion, mehrere Leben retten. Bei der hohen Bevölkerungsdichte in dem Reich der Mitte, sind strengere Maßnahmen und Kontrolle solcher Art nicht grundlos. In dem Kampf gegen Corona-Virus sind diese Mittel also nachvollziehbar.
Überwiegender Teil der chinesischen Bevölkerung schient keine Bedenken bei der Nutzung der Apps zu haben. Die Tools werden als wirksames Mittel im Kampf gegen Corona-Virus gesehen. Viele haben jedoch große Bedenken und sind der Ansicht, dass es sehr naiv wäre zu glauben, dass die Technologie nach der Corona-Krise keine Anwendung mehr findet und nicht für andere stattliche Zwecke weiterentwickelt wird.
Es bleibt nur zu hoffen, dass die umstrittenen Apps nur während der Pandemie die Anwendung finden. Was jedoch mit gespeicherten Daten passieren wird, ist unklar. Die Experten und Kritiker befürchten, dass die Technologie in der Zukunft für die Strafverfolgung oder das Betreiben der Social Scoring von staatlichen Strukturen genutzt werden kann.
Karlheinz Strasser
1. April 2020 @ 12:11
Auch in manchen demokratischen Ländern Europas gibt es bereits Maßnahmen, welche eine ähnliche Zielsetzung verfolgen (z.B. Rot-Kreuz-App in Österreich). Natürlich steht der Schutz von Menschenleben vor einer übertriebenen Durchsetzung des Datenschutzes. Nichts desto trotz sollten in derartige Abwägungsüberlegungen folgende Aspekte einfließen:
Wenn der Quellcode einer Kontaktaufzeichnungs-App offengelegt wird, so wie das bei frei zugänglicher Open Source Software üblich ist, können unabhängige Entwicklergemeinden die einzelnen Funktionen prüfend nachvollziehen und feststellen, ob mit dieser Datenverarbeitung nur die unbedingt nötigen Zwecke verfolgt werden.
Vor allem sollte kein mit der Entwicklung befasstes Softwarehaus oder die öffentliche Verwaltung aus der Not der Pandemie heraus ein gewinnbringendes Geschäftsmodell kreieren, weil sonst die Gefahr bestünde, dass im Hintergrund auch andere Daten gesammelt werden, welche die betriebswirtschaftliche Wertschöpfung optimieren. Bei der Entwicklung sind einzig gemeinwohlorientierte Motive und keine Gewinnabsichten oder darüber hinausgehende Zwecke umzusetzen.
Im Sinne eines security by design-Ansatzes muss sichergestellt sein, dass eine derartige App keine unabsichtlichen Hintertüren für Cyberkriminelle öffnet, über die ein Abgreifen von privaten Fotos, Kontakten, E-Mails und Chatinhalten oder gar Geschäftsgeheimnissen (Stichwort: bring your own device, Home-Office) auf dem Smartphone oder gar ein Eindringen in betriebliche Netzwerke möglich ist. Je mehr Augen den Quellcode prüfen, desto mehr Schwachstellen könnten frühzeitig geschlossen werden.
Darüber hinaus müssten quantensichere Verschlüsselungsmethoden eingesetzt werden, damit aus kriminellen Motiven entwendete und damit nicht mehr löschbare Daten nicht zu einem späteren Zeitpunkt doch noch entschlüsselt werden können und später für Angriffe verwendet werden.
Sollte die Einführung auch in Europa einmal verpflichtend werden, ist zu beachten, dass dort auch Bürger leben (nicht nur Ältere), die
– keine Smartphones mit vielfältigen Sensoren bzw. modernster approximativer Technikunterstützung besitzen, sondern nur einfache Handys zum Telefonieren und SMSen.
– deren Smartphones oft veraltete Betriebssystemversionen aufweisen bzw. keine einstellbare Verschlüsselungsmöglichkeit besitzen
– Smartphones betreiben, welche unter anderen Betriebssystemen als IoS bzw. Android laufen (Windows, Blackberry, Pure OS usw.), um sich u.a. weitgehend vor der Datensammelwut großer Internetkonzerne (Apple, Google & Co) zu schützen.
– keine derartigen Geräte haben.
Es darf diesen Menschen dann keinesfalls zum Nachteil gereichen (z.B. Ausgeh- oder Benützungsverbote), wenn Sie diese App aus obigen Gründen nicht einsetzen können.