Kürzlich legte die österreichische Nichtregierungsorganisation noyb (Gründer ist u. a. der Datenschutzaktivist Max Schrems) Beschwerde gegen die Cookie-Paywalls von sieben großen deutschen Nachrichten-Websites, darunter SPIEGEL.de, Zeit.de, heise.de und FAZ.net, bei den jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden ein.
Bei einer Cookie-Paywall werden Leser*innen vor die Wahl gestellt, entweder für die angebotenen Inhalte zu bezahlen oder die Inhalte kostenlos lesen zu können, dies dann aber verbunden mit personalisierter Werbung und Tracking.
Gegenstand der Beschwerde von noyb
Darauf bezieht sich auch der Vorwurf von noyb: Die Websitebetreiber stellen die Leser*innen vor die Wahl, für das kostenlose Lesen eines redaktionellen Inhalts der Datenweitergabe an Drittunternehmen zu Trackingzwecken zuzustimmen oder alternativ ein kostenpflichtiges Abo bei dem Websitebetreiber abzuschließen. Oder anders gesagt: Die Wahl zwischen dem Interesse an den personenbezogenen Daten und dem eigenen Geldbeutel zu haben.
Aber stellt diese Wahl auch eine Freiwilligkeit und letztlich wirksame Einwilligung in die Weitergabe der personenbezogenen Daten im Sinne der DSGVO dar? Genau dies verneint noyb, da die Freiwilligkeit gerade nicht gegeben sei, wenn die betroffenen Leser*innen eine Einwilligung nur mit der Konsequenz eines kostenpflichtigen Abos verweigern könnten.
Hintergrund dieser Thematik ist auch die Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde aus dem Jahr 2018, wonach die oben beschriebene Praxis nicht zu beanstanden sei. Die Nichtabgabe der Einwilligung sei für die betroffene Person nicht mit einem Nachteil verbunden und die Einwilligung in die Datenweitergabe vielmehr mit einem erkennbaren Vorteil, nämlich dem vollen Zugang zur Website und den damit verbundenen Dienstleistungen, verknüpft. Ähnlich sieht es die LfDI Niedersachsen in ihrer Handreichung zur datenschutzkonformen Einwilligung (vgl. auch S. 4 f.).
Ist die Freiwilligkeit der Einwilligung bei Cookie-Paywalls gegeben?
Die Freiwilligkeit der im Rahmen von Cookie-Paywalls abgegebenen Einwilligung ist aber (nicht nur) aus datenschutzrechtlicher Perspektive durchaus kritisch zu bewerten: Für diese wird in Art. 7 Abs. 4 DSGVO ein allgemeines „Kopplungsverbot“ formuliert, wonach eine Einwilligung unfreiwillig sein kann, wenn die Erfüllung eines Vertrags, z. B. die Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung in eine Datenverarbeitung abhängig gemacht wird, die für die Vertragserfüllung nicht erforderlich ist (BeckOK DatenschutzR/Stemmer, 36. Ed. 1.5.2021, DS-GVO Art. 7 Rn. 40). Bestehen hingegen vergleichbare Alternativen, ist aber die Freiwilligkeit wohl anzunehmen.
Die Dienstleistung in Form des Zugangs zu redaktionellen Inhalten von der Zahlung eines angemessenen Entgeltes abhängig zu machen, ist wohl nicht verwerflich, da sich die betroffene Person gleichermaßen eine Printausgabe kaufen könnte. Wie ist dann aber die Auswahl zwischen einem vermeintlich kostenlosen Zugang auf Kosten der eigenen personenbezogenen Daten und einem kostenpflichtigen Abo, welches mit einem regelmäßigen Bezug einer Printausgabe verglichen werden kann, zu bewerten?
Objektiv betrachtet wird der Leser durch die Entscheidung für das kostenpflichtige Abo nicht schlechter gestellt, als wenn er regelmäßig eine Printausgabe beziehen würde, daher könnte hier eine Freiwilligkeit angenommen werden. Andererseits wird betroffenen Personen, die sich weder eine Print- noch Onlineausgabe regelmäßig leisten wollen oder können, ein kostenloses Onlineangebot im Austausch für die Weitergabe ihrer Daten an Dritte unterbreitet, was für die Erbringung der Dienstleistung des Websitebetreibers selbst weder erforderlich sein wird, noch einen erkennbaren Vorteil mit sich bringt und letztlich die Freiwilligkeit in Frage stellt. Diese Praxis könnte zudem zur Folge haben, dass der Schutz der eigenen Daten in Verbindung mit der Teilhabe an seriösen digitalen Nachrichten zum Privileg erhoben wird und sich ein datenschutzrechtliches schnell zu einem gesellschaftlichen Problem wandelt.
Mit Spannung werden daher die Reaktionen der deutschen und österreichischen Aufsichtsbehörden, langfristig sogar die des Gesetzgebers, auf die neuen Beschwerden von noyb gegen die Cookie-Paywalls erwartet.
T.H.
14. September 2021 @ 8:49
Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass bei den meisten Zeitungen der Zugang mit Zustimmung zu Cookies nicht gleichbedeutend mit dem Zahlungspflichtigen Zugang ist. Bei der „Zeit“ z.B. ist ca. die Hälfte der veröffentlichten Artikel selbst mit Zustimmung immer noch hinter einer Paywall versteckt. Gerade das sind oft die gesellschaftlich relevantesten Artikel. Im Endeffekt bedeutet das für diejenigen die sich die digitalen Abos nicht leisten können, dass Sie zwar mit ihren persönlichen Daten zur Kasse gebeten werden, gleichzeitig aber oft trotzdem vom gesellschaftlichen Diskurs ausgeschlossen werden. Da zeigt sich wie so oft, dass die Armen eben keine Lobby haben…