Über das Recht auf Auskunft (Art. 15 Abs. 1 DSGVO) und Kopie (Art. 15 Abs. 3 DSGVO) als datenschutzrechtliche Dauerbrenner haben wir bereits mehrfach in unserem Blog berichtet. Die Reichweiten bzw. Grenzen dieser beiden Ansprüche werden seit Langem intensiv diskutiert. Meist steht dabei die Frage im Vordergrund, ob eine (bestimmte) Auskunft oder Kopie auch verweigert werden kann, z. B. aufgrund einer möglichen Verletzung der Rechte Dritter. In Erwägungsgrund 63 der DSGVO heißt es, dass das Auskunftsrecht „die Rechte und Freiheiten anderer Personen […] nicht beeinträchtigen“ sollte, was jedoch nicht dazu führen darf, „dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird“ (ErwG 63 Satz 6 und 7). Ebenso dürfen Rechte und Freiheiten anderer Personen laut Art. 15 Abs. 4 DSGVO nicht durch das Recht auf Erhalt einer Kopie beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme eines einschränkungslosen Auskunftsrechts gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 22.02.2022 – VI ZR 14/21) kaum zu begründen.

Wann können die Rechte aus Art. 15 DSGVO eingeschränkt werden?

Aber wann liegt eine „ausreichende“ Beeinträchtigung der Rechte und Freiheiten dritter Personen vor, die eine beschränkte Auskunftserteilung und/oder Kopie legitimieren kann? Während einerseits rechtliche Argumente denkbar sind, die für die Möglichkeit einer beschränkten Erfüllung sprechen, werden andererseits Konsequenzen gefürchtet, wenn dem Begehren zu Unrecht nicht vollständig entsprochen wird. Dass das Thema Auskunft nach Art. 15 DSGVO mittlerweile häufig vor Gericht behandelt wird, bestärkt die Sorgen von datenschutzrechtlich Verantwortlichen.

Der BGH äußerte sich im Februar zu Hinweisgebern

Der BGH (siehe o. g. Urteil vom 22.02.2022) hat im Februar dieses Jahres deutlich gemacht, dass das Recht einer betroffenen Person auf Auskunft in Bezug auf die Herkunft von Daten (Art. 15 Abs. 1 lit. g DSGVO) dem Interesse einer dritten Person an einer Geheimhaltung ihrer Identität überwiegen kann. Im dem vor dem BGH behandelten Fall ging es um ein Mehrparteienhaus, in dem sich über Geruchsbelästigungen und Ungeziefer im Treppenhaus beschwert wurde. Das Gericht sah die Herausgabe des Namens des Hinweisgebers im Zusammenhang mit einem Auskunftsanspruch des Bewohners, auf den sich die Beschwerde bezog, auf Basis einer Interessenabwägung als rechtmäßig an (wir berichteten).

Die Interessenabwägung – ein Beispiel aus Hessen

Neben der Beobachtung der diesbezüglichen Rechtsprechung lohnt sich allerdings auch ein Blick auf die Sichtweisen der Datenschutzaufsichtsbehörden in Bezug auf dieses Thema – insbesondere bei Fällen, die noch nicht unmittelbar durch (höchstrichterliche) Rechtsprechung behandelt wurden. Denn in den Tätigkeitsberichten der Behörden finden sich immer wieder interessante Beispiele, wie sich diese in bestimmte Situationen positionieren bzw. positioniert haben.

Im 50. Tätigkeitsbericht des Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) von 2021 wird etwa davon berichtet, dass eine Turnsport-Trainerin auf Basis des Art. 15 DSGVO die Aushändigung eines über sie erstellten Berichts vom Deutschen Turner-Bund (DTB) verlangte. In diesem Bericht ging es um Vorwürfe der von ihr trainierten Jugendlichen, die u. a. psychische Gewalt durch die Trainerin sowie eine unautorisierte Ausgabe von Medikamenten betrafen und von einer externen Rechtsanwaltskanzlei mithilfe von Interviews der Jugendlichen aufgearbeitet worden waren. Nach Geltendmachung des Anspruchs durch die Trainerin, übermittelte der DTB lediglich eine geschwärzte Fassung des Berichts, sodass daraus keine Rückschlüsse auf die Identität der Interviewten mehr möglich war.

Der HBDI sah in diesem Fall – in dem nicht nur Namen, sondern ganze Textpassagen geschwärzt worden waren (da die beschriebenen Situationen klar auf bestimmte individuelle Situationen hindeuten) – ein überwiegendes Interesse der Jugendlichen an einer Geheimhaltung der eigenen Identität: Zum einen mit Verweis auf Erwägungsgrund 39 der DSGVO, der die besondere datenschutzrechtliche Schutzbedürftigkeit von Kindern betont und zum anderen aufgrund der Tatsache, dass den Jugendlichen eine Vertraulichkeit ihrer Angaben aus den Interviews zugesichert worden war. Zudem merkte der HBDI an, dass der Bericht im Übrigen – ohne die Passagen, die Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen – der Trainerin zur Verfügung gestellt wurde.

Fazit

Grundsätzlich bleibt es also dabei, dass die Entscheidung, ob Daten Dritter beauskunftet werden, sei es durch Nennung oder Kopie, eine Einzelfallabwägung bleibt. Auch wenn der BGH im beschriebenen Fall des Mehrparteienhauses kein überwiegendes Interesse des Hinweisgebers an einer Identitätsgeheimhaltung gesehen hat, ist insbesondere bei minderjährigen Dritten Vorsicht geboten. Denn bei einer Interessenabwägung ist diesem Umstand ein besonderes Gewicht beizumessen.