Bereits mehrfach berichteten wir über die datenschutzrechtliche Diskussion um den Einsatz von sog. Dashcams (Armaturenbrettkameras) im Straßenverkehr und die Frage der Verwertbarkeit dieser Aufnahmen vor Gericht. Nun ist hierzu eine obergerichtliche Entscheidung ergangen: Das OLG Stuttgart hat mit Beschluss vom 4. Mai 2016 (Az. 4 Ss 543/15) entschieden, dass kein generelles Beweisverwertungsverbot für Aufnahmen solcher Privatkameras besteht und eine Verwertung des Videomaterials zulässig sein kann. Eine solche Verwertbarkeit läge jedenfalls bei einer „Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten wie – vorliegend – eines Rotlichtverstoßes an einer mindestens seit sechs Sekunden rot zeigenden Ampel“ vor (vgl. die Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 18.05.2016).
In dem zugrundeliegenden Sachverhalt war der Betroffene von einer privaten Dashcam eines Zeugen dabei gefilmt worden, wie er über eine Kreuzung fuhr, obwohl die sich dort befindende Ampel für seine Fahrtrichtung bereits seit mindestens sechs Sekunden rot zeigte. Entgegen der bisherigen untergerichtlichen Rechtsprechung, die eine Verwertbarkeit von Dashcam-Aufnahmen, wenn überhaupt, nur dann bejahte, wenn die Dashcam erst anlassbezogen, z.B. ab Beginn einer Nötigung, aktiviert worden war (vgl. bspw. das Urteil des AG Nienburg), wurde in dem Beschluss des OLG Stuttgart nun eine Verwertbarkeit auch ausdrücklich für den Fall angenommen, dass die Dashcam nicht nur anlassbezogen, sondern bereits seit Fahrtantritt durchgängig lief und filmte. Eine abschließende Prüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Aufnahmen wurde vom OLG Stuttgart nicht vorgenommen; es stellte vielmehr fest, dass in dem hier vorliegenden Einzelfall selbst im Falle eines Verstoßes gegen § 6b BDSG kein Beweisverwertungsverbot bestehen würde (Anm.: Das OLG Stuttgart hält – anders als das AG Nienburg – den § 6b BDSG auch bei mobilen Kamera-Vorrichtungen für anwendbar).
Gründe hierfür aus dem Urteil:
- Ein ausdrückliches gesetzliches Beweisverwertungsverbot folgt aus § 6b Absatz 3 Satz 2 BDSG nicht.
- Die Aufnahmen dokumentieren lediglich Verkehrsvorgänge.
- Das verfolgte Vergehen weist eine hinreichende Schwere auf.
Die zur Beurteilung der Verwertbarkeit vorzunehmende Abwägung der Interessen kommt zu keinem Beweisverwertungsverbot, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um eine Aufnahme handelt, die „keine Einblicke in die engere Privatsphäre gewährt, sondern lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiert und eine mittelbare Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeugs zulässt, (…) wenn dies zur Verfolgung einer besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigenden Ordnungswidrigkeit erforderlich ist.“ Hier war also insbesondere die Schwere des aufgezeichneten Fehlverhaltens im Straßenverkehr (ein Rotlichtverstoß von deutlich über einer Sekunde) und die davon ausgehende erhebliche Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ausschlaggebend für die Bewertung des Gerichts.
Matthias
29. August 2016 @ 15:40
Es wäre in einem Rechtsstaat auch unerträglich wenn jemand seine Unschuld bei einem Verkehrsunfall (möglicherweise mit Personenschäden)
zwar beweisen kann, weil er (wie ich) eine dashcam hat, aber trotzdem aufgrund falscher Aussagen verurteilt wird, weil das Beweismittel nicht zugelassen wird.
Rainer
24. Mai 2016 @ 21:40
Der Entscheidung stimme ich voll zu. Wieso sollte man ein Video vor Gericht nicht anerkennen wollen, wenn das die einzige Möglichkeit ist, seine Unschuld zu beweisen? Bisher nehme ich wahr, dass die Münchener Richter noch etwas gegen Dashcams haben, ansonsten ließt man immer mehr von Akzeptanz bei Richtern. Ich fahre mit meiner Dashcam seit 2013 herum und war damit sogar schon in einer Polizeikontrolle. Für viele Polizisten ist das Thema noch ziemlich neu. Daher wissen die meisten noch nicht was sie dazu sagen sollen, wenn man sie darauf hinweist, dass mitgefilmt wird. Ich schalte die Dashcam dann immer sicherheitshalber ab.