Der Bundesgerichtshof hat gestern ein Urteil (Aktenzeichen: VI ZR 233/17) zur Verwertbarkeit von Dashcamaufzeichnungen als Beweismittel in einem Zivilprozess gesprochen.

Der Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel in Unfallhaftpflichtprozessen zugelassen werden.

Die Fahrzeuge der Streitparteien waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert. Die Parteien stritten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hatte. Eine Zeugin konnte ebenso wenig zur Klärung beitragen wie ein Gutachten, welches beide Varianten für plausibel und möglich hält. Der Kläger wollte die von ihm gemachten Dashcam-Bildaufnahmen als Beweismittel in den Prozess einbringen.

Die Vorinstanzen, das Amtsgericht Magdeburg (Urteil vom 19. Dezember 2016 – 104 C 630/15) sowie das Landgericht Magdeburg (Urteil vom 5. Mai 2017 – 1 S 15/17) hatten die Dashcam-Aufzeichnungen nicht als Beweismittel zugelassen, da die Aufnahmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstießen und somit einem Beweisverwertungsverbot unterlägen.

Hintergrund

Dashcams sind Kameras, die auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe von Fahrzeugen befestigt sind und die während der Fahrt fortwährend aufzeichnen. Dabei kommt regelmäßig eine sogenannte Loop-Aufzeichnung zum Einsatz, d.h. sobald das Speichermedium voll ist bzw. nach einer bestimmten Zeit wird das bisher Aufgezeichnete überschrieben.

Warum sind Dashcam-Aufzeichnungen umstritten?

Den berechtigten Interessen des Autofahrers stehen die Interessen der gefilmten Personen gegenüber. Deutsche Gerichte urteilten bereits, dass die Nutzung von Dashcams einer Vorratsdatenspeicherung gleichkomme und daher datenschutzrechtlich unzulässig sei. Das Interesse der Verkehrsteilnehmer, nicht beobachtet bzw. aufgezeichnet zu werden, sei höher zu bewerten als das Interesse des Aufzeichnenden an einem Videobeweis im Falle eines Unfalls. Andererseits ließen andere Gerichte die Aufzeichnungen auch als Beweismittel zu.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der BGH stellte nun fest, dass die vorgelegte Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig sei. Sie verstoße gegen § 4 BDSG (Zulässigkeit der Datenerhebung), da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt sei und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG (Videoüberwachung) oder § 28 Abs. 1 BDSG (Datenerhebung für eigene Geschäftszwecke) gestützt werden könne.

Die Richter stellten fest, dass zumindest eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers zur Wahrnehmung seiner Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich gewesen sei, denn – und nun wird es für alle zukünftigen Fälle interessant – es sei technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges.

Der BGH öffnet hier die Argumentationslinie für den rechtskonformen Einsatz von Dashcams. Wir sind gespannt, ob in den Entscheidungsgründen näher darauf eingegangen werden wird.

Im aktuellen Fall sieht der BGH die vorgelegte Aufzeichnung jedoch trotz ihrer datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit als verwertbar an. Über die Frage der Verwertbarkeit sei aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden und in dem vorliegenden Fall falle diese zugunsten des Klägers aus.

Eine Rolle hat die Tatsache gespielt, dass nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet wurden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar seien.

Die Richter betonten, dass die datenschutzrechtlichen Vergehen mit Geldbußen geahndet werden könnten und die Aufsichtsbehörden in diesem Bereich steuernd eingreifen könnten.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.