Wie bereits in der Vergangenheit besprochen (wir berichteten), kann eine unvollständige Beantwortung einer geforderten Auskunft über die Informationen zur Datenverarbeitung zu Schadensersatzansprüchen führen. Nicht besser wird es, wenn man sie unterlässt oder Daten wegen der Auskunftsanfrage löscht.
Solch einen Fall hatte nun das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 04.12.2024 – 8 Ca 3409/24) zu entscheiden.
Daten schreddern nach Auskunftsanfrage
Ein Bewerber hatte sich bei einem Unternehmen beworben und eine Absage erhalten. Daraufhin wollte er zwei Tage später die Gründe für die Absage wissen und machte auch sein Recht auf Auskunft zu Informationen über die Datenverarbeitung geltend. Er setzte eine Frist von ca. zwei Wochen zur Beantwortung.
Zum Zeitpunkt des Eingangs der Anfrage waren die Bewerberdaten beim Unternehmen noch vorhanden. Nachdem er einen Monat lang nichts gehört hatte, erinnerte der Bewerber an seine Anfrage. Zwei Wochen nach der Erinnerung antwortete das Unternehmen, dass alle Bewerberdaten gelöscht seien und deswegen die Anfrage nicht weiter bearbeitet werden könne.
Damit gab sich der Bewerber aber nicht zufrieden und hakte nach. Das Unternehmen reagierte jedoch nicht mehr. Daraufhin verklagte er das Unternehmen und forderte vor Gericht Schmerzensgeld wegen Einschränkung seiner Rechte und Kontrollverlusts über seine Daten.
„Schindluder mit meinen Bewerberdaten?“
Er begründete seinen Anspruch u. a. damit, dass er nun gezwungen sei, Zeit und Geld (Prozesskosten) zu investieren, um sein Grundrecht auf Auskunft durchzusetzen. Das „nerve“ in erheblichem Maße. Außerdem lege die schnelle Löschung der Daten den Verdacht nahe, dass das Unternehmen „Schindluder“ mit seinen Daten treibe. Es sei ihm auch völlig unklar, was mit seinen Daten in der Zwischenzeit passiert sei: Hatten externe Dritte wie Personalberatungsfirmen oder Softwarebetreiber Zugriff auf die Daten? Wurden Daten von anderen externen Quellen über ihn eingeholt? Dies treibe ihn um und führe zu „emotionalem Ungemach“. Erschwerend komme aus seiner Sicht hinzu, dass das Unternehmen durch Löschung seiner Daten nunmehr auch gar keine Möglichkeit mehr habe, adäquat Auskunft zu geben.
„Auskunftsanfrage nur um abzuzocken“
Das Unternehmen sah in den Angaben des Bewerbers keine Begründung für ein Schmerzensgeld. Einen Kontrollverlust könne es nicht erkennen. Außerdem warf das Unternehmen dem Bewerber vor, die Bewerbung nicht ernst gemeint zu haben und nur auf Schmerzensgeld aus zu sein. Es betonte zudem, dass die schnelle Löschung der Daten der Realisierung der Befürchtungen des Bewerbers entgegengewirkt habe.
„Schmerzensgeld wegen Kontrollverlust gerechtfertigt“
Das Arbeitsgericht kommt in seiner Bewertung zu einem etwas anderen Ergebnis als das Unternehmen.
Zunächst stellt das Arbeitsgericht klar, dass man kein besonderes rechtliches Interesse an einer Auskunft darlegen muss. Das Gericht wirft dem Unternehmen vor, dass es sich den ganzen Prozess wegen Schmerzensgeld hätte ersparen können, wenn es das Auskunftsverlangen erfüllt hätte. Wenn es eine Falle des Bewerbers gegeben habe, dann sei das Unternehmen sehenden Auges hineingetappt.
Dem Grunde nach sah das Arbeitsgericht die Klage des Bewerbers vollständig begründet, der Höhe nach aber nur teilweise. Zur Begründung zog das Arbeitsgericht die Kriterien des EuGH (Urteil vom 14. Dezember, Az.: 2023 – C-456/22) heran:
Drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen:
- Verstoß gegen die DSGVO
- Vorliegen eines Schadens
- Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Verstoß
Außerdem weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass der EuGH entschieden hat, dass keine Bagatellgrenze existiert.
Verstoß gegen die DSGVO
Den Verstoß gegen die DSGVO sieht das Arbeitsgericht in der fehlenden Beauskunftung an den Bewerber durch das Unternehmen. Zunächst stellte es fest, dass das Unternehmen die Monatsfrist aus Art. 12 DSGVO nicht eingehalten hatte. Außerdem hätte das Unternehmen keine Negativauskunft geben dürfen, da die Daten zum Zeitpunkt der Anfrage noch vorhanden waren. Das Unternehmen hatte also nicht nur nicht fristgerecht, sondern die Auskunft gar nicht erteilt.
Außerdem habe das Unternehmen die Daten in Kenntnis der Anfrage gelöscht, was dazu geführt habe, dass die weitere Datenspeicherung nach Art. 17 DSGVO erforderlich gewesen wäre. Auch darin liege ein Datenschutzverstoß.
Vorliegen eines Schadens
Der bloße Verstoß gegen die DSGVO reiche nicht aus, so das Gericht. Ein Schaden liege aber bereits dann vor, wenn ein Verlust der Kontrolle über die Daten gegeben sei – eine Bagatellgrenze gebe es nicht.
Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Verstoß
Durch den Verstoß gegen die DSGVO müsse der Schaden, der auch eine reine Befürchtung sein könne, so das Gericht unter Verweis auf den EuGH, verursacht worden sein.
Diesen Zusammenhang sieht das Gericht hier gegeben. Zwar reiche eine bestimmte Gefühlslage nicht aus, hier sei aber dem Bewerber ein Schaden in Form eines Kontrollverlusts entstanden. Hätte das Unternehmen pflichtgemäß reagiert, wäre es nicht zum Kontrollverlust gekommen.
Dadurch, dass das Unternehmen bereits drei Tage nach der Bewerbung die Daten gelöscht und sich danach länger als einen Monat in Schweigen gehüllt habe, habe der Bewerber Grund zur Befürchtung gehabt, seine personenbezogenen Daten seien missbräuchlich verwendet worden. Vertieft werde diese Befürchtung, da das Unternehmen keine nachvollziehbare Erklärung für die Missachtung des Auskunftsanspruchs abgebe. Dann dürfe sich der Bewerber mit Recht Sorgen machen. Außerdem habe das Unternehmen den Eindruck erweckt, es wolle Ansprüche des Bewerbers aus der DSGVO nicht anerkennen, indem das Anliegen ignoriert werde.
Fazit
Der einzige Punkt, in dem das Gericht dem Bewerber nicht folgte, war die Höhe des Schmerzensgeldes. Von den geforderten 3.000 € erhielt der Bewerber nur 750 € zugesprochen.
Es bleibt aber festzuhalten, dass
- Daten angesichts einer Auskunftsanfrage nach Art. 15 DSGVO nicht einfach gelöscht werden sollten, um nicht beauskunften zu müssen, und
- die Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig innerhalb der Frist zu beantworten ist. Dabei sei noch darauf hingewiesen, dass die Monatsfrist nur eine Maximalfrist ist und bei einfach gelagerten Fällen auch kürzer ausfallen kann (wir berichteten).