Ein Großteil unserer Leser nahm sicherlich schon einmal an einer Bundestagswahl teil und kennt den Gang zur Wahlkabine. Aber was ist mit dem Datenschutz? Wir stellen in diesem Beitrag einmal den gesamten Ablauf von dem Erhalt der Briefpost bis zur Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses unter datenschutzrechtlicher Würdigung vor.
Werbung vor der Wahl
Die zur Wahl zugelassenen Parteien haben einen gesetzlichen Anspruch auf die Übermittlung der sogenannten Meldedaten. So können sie gemäß § 50 Abs. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) die amtlichen Daten wie die Anschrift erfahren, um beispielsweise Flyer oder Post vor der Wahl zu versenden. Für andere Zwecke dürfen die Parteien die Daten jedoch nicht verwenden. Im Übrigen müssen die Anfragenden diese Daten spätestens einen Monat nach der Wahl wieder löschen.
Wahlbenachrichtigung
Zunächst erhält grundsätzlich jeder Wahlberechtige postalisch an seine gemeldete Wohnadresse die amtliche und persönliche Wahlbenachrichtigung mit zusätzlichen Informationen zur Durchführung der Wahl wie auch zur Antragstellung für die Briefwahl. Insgesamt soll dadurch sichergestellt werden, dass theoretisch jeder Wahlberechtigte bei der anstehenden Wahl seine Stimme abgeben kann.
Auch die Vorbereitungen für die Wahlen sind im Vorfelde schon datenschutzrechtlich interessant. Denn die Gemeindebehörde (Bezirksamt) erstellt das Wählerverzeichnis nach §§ 12, 14 Bundeswahlordnung (BWO) für den eigenen Wahlbezirk.
Datenschutz beim Wahlgang – mit Selfie-Verbot!
Der Wahltag beginnt um 8:00 Uhr. Im zugewiesenen Wahllokal wird der Wähler in der Regel zunächst seine Wahlbenachrichtigungskarte und/oder seinen Personalausweis vorzeigen, um ihn an die für ihn zuständigen Wahlhelfer mit dem Wählerverzeichnis zu verweisen. Am Tisch der Wahlhelfer hat er die weiße Wahlbenachrichtigungskarte nebst seinem Personalausweis (oder ein anderes amtliches Ausweispapier) vorzulegen, damit die ehrenamtlichen Organisatoren nach seiner Person im Wählerverzeichnis suchen und prüfen können, ob er tatsächlich wahlberechtigt ist und auch noch keine Briefwahl abgegeben hat. Dies richtet sich grundsätzlich nach § 56 BWO.
Wenn alles korrekt ist, erhält der Bürger die Wahlzettel. In der Wahlkabine steht es ihm sodann frei, seine Stimmen nach eigenem Gutdünken abzugeben.
Um den Wahlprinzipien (der freien, geheimen, gleichen und unmittelbaren Wahl) nach dem deutschen Recht zu entsprechen, darf der Wähler nur alleine und grundsätzlich auch nicht in Beisein seiner Kinder oder Ehegatten die Kreuze setzen. Es liegt aber im Ermessen des Wahlvorstandes, ob ein Kleinkind mit in die Wahlkabine gehen darf (Geschäftsanweisung für Wahlvorstände, S. 19; hier beispielhaft aus Hamburg). Ebenso ist darauf zu achten, dass ihm dabei niemand über die Schulter gucken kann oder Anwesende (oder Wahlhelfer) die Kreuze auf dem Wahlzettel erkennen.
Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, z.B. bei körperlicher Einschränkungen, kann eine Hilfsperson eingesetzt werden, die den Wähler in die Kabine begleitet.
Hier findet sich auch eine Regelung in § 57 Abs. 3 BWO.
„Die Hilfsperson ist zur Geheimhaltung der Kenntnisse verpflichtet, die sie bei der Hilfeleistung von der Wahl eines anderen erlangt hat.“
Nach einer jüngsten Gesetzesänderung ist es dem Wähler auch nicht gestattet, ein Selfie oder ein Foto aus der Wahlkabine zu schießen, welches beispielsweise die abgegebenen Stimmen zeigt.
„In der Wahlkabine darf nicht fotografiert oder gefilmt werden.“ (§ 56 Abs. 2 S. 2 BWO)
Hiermit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich in letzter Zeit immer mehr Personen mit Wahlzetteln fotografierten und dieses stolz in den Sozialen Netzwerken zeigten. Schließlich würde auch hiermit das Wahlgeheimnis unterlaufen und somit gegen die Wahlprinzipien verstoßen werden. Nicht zuletzt können auch personenbezogene Daten betroffen sein, wenn sich aus dem Foto vom ausgefüllten Wahlzettel oder versehentlich beiliegenden Dokumenten (z.B. der Personalausweis oder Briefumschlag) z.B. die Wohnadresse, der Name oder auch die politische Meinung ergeben können.
Keine schriftliche Verpflichtungserklärung
Obwohl die Wahlhelfer das Wählerverzeichnis einsehen, in welchem unter anderem der vollständige Name, das Geburtsdatum und die amtliche Anschrift eingetragen sind, und sich die Helfer auch den Personalausweis der Wähler ansehen, gibt es keine ausdrückliche schriftliche Verpflichtungserklärung auf den Datenschutz (wie z.B. für Unternehmen nach § 5 Bundesdatenschutzgesetz). Die Mitglieder des Wahlvorstands werden allerdings von der Wahlbezirksleitung auf die Verschwiegenheit mündlich verpflichtet., was auch gleichzeitig die erste Amtshandlung morgens vor dem Start ist.
„Der Wahlvorsteher eröffnet die Wahlhandlung damit, dass er die anwesenden Beisitzer auf ihre Verpflichtung zur unparteiischen Wahrnehmung ihres Amtes und zur Verschwiegenheit über die ihnen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten hinweist. Er stellt sicher, dass der Hinweis allen Beisitzern vor Aufnahme ihrer Tätigkeit erteilt wird.“ (§ 53 BWO).
Eine Regelung, dass Wahlhelfer nicht in der Nähe ihrer Wohnung eingesetzt werden dürfen, existiert nicht. Es ist durch die Wahlhelfer darauf zu achten, dass kein Wähler Kenntnis über persönliche Daten eines andren Wählers erlangt. In der diesjährigen Geschäftsanweisung für Wahlvorstände heißt es daher zum Datenschutz (Punkt 5.5.):
„Es ist zu vermeiden, dass Angaben zur wahrberechtigten Person von anderen Personen zur Kenntnis genommen werden können“.
Das ehrenamtliche Team ist vom Wahlvorstand angewiesen, die abgegebenen Wahlzettel ausschließlich vom berechtigten Wähler in die Wahlurne „einwerfen“ zu lassen und zwar auf solch eine Weise, dass keine umstehende Person die Kreuze sehen kann. Der Spalt (Schlitz) der Urne darf übrigens nicht weiter als 2cm sein (§ 51 BWO).
Dieser in vielen Wahlkreisen an einen Mülleimer erinnernde Behälter ist mit einem Schloss versehen und nicht transparent, so dass die Stimmzettel allein durch den kleinen hierfür vorgesehenen Schlitz befüllt werden und nicht auszulesen sind. Erst nach 18 Uhr und somit nach Ende der Wahl öffnet der Wahlvorstand vor den Augen der Wahlhelfer diese Wahlurne, um die Stimmen anschließend nach Maßgabe des Wahlamts zu sortieren bzw. auszuzählen.
Sollte übrigens ein Wähler aus Versehen seinen Personalausweis mit den Zetteln in diesen Schlitz stecken, muss er ebenso bis 18 Uhr warten. Vorher darf die Urne nicht geöffnet werden.
Besonderheiten
Zum Teil treten Besonderheiten auf, wenn der Wahlbezirk vom Statistischen Amt zur repräsentativen Wahlstatistik per Zufall ausgewählt wurde, was rund drei Prozent der Wahllokale betrifft. Diese Wahllokale erhalten leicht modifizierte Stimmzettel, die oben mittig mit einem Kennbuchstaben versehen sind. Die Kennbuchstaben (von A bis M) sind Altersgruppen und dem Geschlecht zugeordnet. Auf diese Weise soll eine amtliche Statistik geführt werden, wie die jeweilige Altersgruppen je nach Geschlecht gewählt haben. Auch auf diesen Umstand ist im Wahllokal sichtbar hinzuweisen.
Um dem Datenschutz zu entsprechen, können nur Wahlbezirke mit mindestens 400 wahlberechtigten Personen infrage kommen (§ 3 Wahlstatistikgesetz – WstatG). Die Kennbuchstaben sind zwar nach einem Muster definiert, der abgeänderte Wahlzettel enthält aber darüber hinaus keine personenbezogenen Daten. Auf die Stimmabgabe hat diese Besonderheit keinen Einfluss.
Und am Wahlabend nach 18:00 Uhr?
Die Auszählung nach 18 Uhr ist öffentlich und darf daher auch von anderen Personen beobachtet werden, jedoch gilt auch hier: „Das Wählerverzeichnis ist vor Einsichtnahme zu schützen.“ (Punkt 7.1 der Geschäftsanweisung).
Und auch nach der Stimmenauswertung gibt es strenge datenschutzrechtliche Vorgaben für die Helfer der Wahl. So sind beispielsweise sämtliche Dokumente wie z.B. der Brief mit der Wahlbenachrichtigungskarte, den der Wähler oftmals dann vor Ort „loswerden“ will und dem Wahlhelfer in die Hand drückt, in einem vorgesehenen Müllbeutel zu sammeln, der anschließend nach der Auszählung mit allen weiteren Unterlagen (Notizzetteln, Wählerverzeichnis, Stimmzettel usw.) in die Wahlurne kommt. In die Mülltonnen vor Ort, z.B. in den Klassenzimmern oder anderen Örtlichkeiten, darf kein Dokument der Wahl gelangen.
Nach Meldung des vorläufigen Wahlergebnisses (Schnellmeldung) per Telefon an den Kreiswahlleiter, werden alle Unterlagen und sonstiges Material gemäß der Geschäftsanweisung und der BWO unterschiedlich verpackt.
In einem hierfür vorgesehenen Karton werden unter anderem das Wählerverzeichnis, die Wahlscheine, die Quittungsliste für die Auszahlung der Aufwandsentschädigung an das Wahlhelferteam und der Wahlurnenschlüssel gelegt. In einem zusätzlichen Umschlag kommen alle zweifelsfrei gültigen und ausgefüllten Stimmzettel. Beides wird versiegelt, so dass diese nicht ohne Siegelbruch wieder geöffnet werden können (Geschäftsanweisung). Karton und Umschlag hat der Wahlvorstand zügig am Abend noch persönlich beim Wahlleiter abzugeben und die Abgabe/Empfangnahme mit Unterschrift zu bestätigen.
Aufbewahrung und Vernichtung
Im letzten Amtsschritt am Wahlabend werden alle restlichen Dokumente und Materialien in die Wahlurne gepackt und diese mit speziell hierfür vorgesehenen Siegel/Klebestreifen (mit Unterschrift des Wahlvorstands) verschlossen an den Empfangsberechtigten zum vorgesehenen, sicheren Transport an das Wahlamt übergeben. Auch so ist gewährleistet, dass niemand auf dem Transport an die Dokumente gelangt und diese vom zuständigen Amt zunächst gesichtet und später archiviert bzw. ordnungsgemäß vernichtet werden. Das Öffnen des Siegels durch Dritte, wie z.B. durch den Hausmeister wäre eine Straftat.
Nach Kontrollen und der Feststellung des amtlichen Endergebnisses durch den Bundeswahlleiter gilt es noch die sichere Aufbewahrung aller Unterlagen zu klären.
So sind
„die Wählerverzeichnisse, die Wahlscheinverzeichnisse, die Verzeichnisse nach § 28 Abs. 8 Satz 2 und § 29 Abs. 1, die Formblätter mit Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge sowie eingenommene Wahlbenachrichtigungen [..] so zu verwahren, dass sie gegen Einsichtnahme durch Unbefugte geschützt sind.“ (§ 89 Abs. 1 BWO).
Die Wahlbenachrichtigungskarten sind gemäß § 90 BWO unverzüglich zu vernichten und alle sonstigen Unterlagen sind je nach Situation mindestens für 6 Monate aufzubewahren. Anschließend folgt deren Vernichtung. Das ganze Prozedere wiederholt sich dann alle vier Jahre bzw. nach dem Rhythmus der jeweiligen Wahlen.