Die Identifikation mit Ausweis- und Passkopien ist ein datenschutzrechtlich nach wie vor nicht abschließend geklärtes Thema. Wie in einem unserer früheren Beiträge dargestellt, darf der Personalausweis abgesehen von bestimmten gesetzlichen Ausnahmen für Banken und Telekommunikationsanbieter grundsätzlich nicht kopiert, eingescannt oder gespeichert werden. Grundlage für diese Rechtsauffassung ist u.a. eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 28. November 2013. Das Scannen und Speichern von Personalausweisen wurde hierin als ein schwerwiegender Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Personalausweisgesetzes angesehen.
Datenschutzkonforme Legitimation bei Auskunfteien?
Ein Fall, der in diesem Zusammenhang für Schlagzeilen sorgte, betrifft die Auskunftei Infoscore. Infoscore hat nach eigenen Angaben in erheblichem Umfang Daten von 7,8 Millionen Verbrauchern gespeichert, die auch Hinweise auf deren finanzielle Schwierigkeiten geben. Das Bertelsmann-Tochterunternehmen sieht nach Einschätzung von Kritikern nur relativ geringe Hürden für die Abfrage gespeicherter Scoringwerte zur Bonitätsprüfung vor. Bislang bedurfte es für eine online erhältliche „Mieterselbstauskunft“ nur der Angabe des Namens, des Geburtsdatums und der Anschrift. Zusätzlich wurde eine gültige Handynummer zum Versand einer Kontroll-SMS verlangt, was aus Sicht von Datenschützern allerdings nicht ausreichend war. Eine Ausweiskopie war nicht zwingend erforderlich, sondern wurde nur auf freiwilliger Basis angefragt. Infoscore hatte hierauf bislang verzichtet, weil die zuständige Aufsichtsbehörde die Einholung einer Kopie gegenüber der Auskunftei für unzulässig erklärt hatte.
Die Anforderungen zur Einholung sensibler Daten waren bei Infoscore somit vergleichsweise gering. Andere Auskunfteien wie die Schufa verlangen im Gegensatz dazu eine Kopie des Personalausweises. Allerdings ist auch dieses Vorgehen – wie eingangs dargestellt – nur in Ausnahmefällen datenschutzrechtlich zulässig. Damit entsteht an dieser Stelle ein Interessenkonflikt zwischen demjenigen, der über eine andere Person Auskünfte haben möchte und hierfür seine Ausweisdaten zur Verfügung stellen soll und den personenbezogenen Daten desjenigen, über den Auskunft begehrt wird.
Die zuständige Aufsichtsbehörde in Baden-Württemberg hat Infoscore inzwischen zu einer Stellungnahme aufgefordert, zu der soweit nichts Näheres bekannt ist. Infoscore verweist gegenüber den Medien auf die potentielle Strafbarkeit derjenigen, die die vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen mit krimineller Energie umgehen. Bis zur Klärung der Vorwürfe wurde der umstrittene Online-Dienst vom Netz genommen. Mögliche rechtliche Konsequenzen des Datenlecks – wie die Verhängung eines Bußgeldes durch die Aufsichtsbehörde – bleiben abzuwarten.
Strenge datenschutzrechtliche Anforderungen für Selbstauskünfte
Weiterführende Hinweise zur Zulässigkeit von Ausweiskopien ergeben sich aus dem Ende Februar 2015 veröffentlichten Leitfaden „Personalausweis und Datenschutz“ des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen (LDI NRW).
Im Fall von Selbstauskunftsersuchen gegenüber Wirtschaftsauskunfteien nach § 34 BDSG wird hervorgehoben, dass nur Auskünfte an die betroffenen Personen erteilt werden dürfen und nicht an neugierige Dritte. Um einen Datenmissbrauch zu verhindern und eine zulässige Auskunft zu erhalten, kann ein Identitätsnachweis gegenüber dem Unternehmen erforderlich sein. Zur Anforderung einer Ausweiskopie weist das LDI auf folgende Voraussetzungen hin:
- Die Kopie muss im Einzelfall erforderlich sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Personalausweis ohne großen Aufwand vor Ort vorgezeigt und eingesehen werden kann.
- Zweckbindung der Identifizierung: Das Unternehmen darf die Ausweiskopie nur zum Zweck der Identitätsprüfung verwenden, eine weitergehende Nutzung ist rechtswidrig.
- Erkennbarkeit der Kopie: Die Ausweiskopie muss als solche erkennbar sein (beispielsweise durch den Aufdruck: „Kopie“). Sie darf nicht den Eindruck erwecken, als handele es sich dabei selbst um ein Ausweisdokument.
- Schwärzung von Angaben: Grundsätzlich sind nur der Vor- und Nachname und die Anschrift zur Identifizierung erforderlich. Die übrigen Daten dürfen und sollen geschwärzt werden.
- Sofortige Vernichtung: Das Unternehmen hat die Ausweiskopie nach erfolgter Identifizierung unverzüglich zu vernichten.
- Verbot automatisierter Speicherung: Eine automatisierte Speicherung der Ausweisdaten ist nach § 20 Abs. 2 Personalausweisgesetz (PAuswG) und auch nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hannover unzulässig.
Fazit
Das LDI stellt in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht Hannover strenge Voraussetzungen an die Kopie von Ausweisdokumenten. Bezogen auf das Datenleck bei Infoscore bedeutet dies, dass eine Ausweiskopie nur ausnahmsweise zum Identitätsnachweis angefordert werden darf. Damit sind Auskunftsersuchen bei Auskunfteien enge Grenzen gesetzt, so dass die Interessenabwägung im Zweifel zugunsten desjenigen ausfällt, über den Auskunft begehrt wird.
Es ist in jedem Fall begrüßenswert, dass nunmehr mit dem Leitfaden des LDI mehr Klarheit bei der bislang datenschutzrechtlich nicht ganz eindeutigen Zulässigkeit von Ausweiskopien geschaffen wurde.
Update 20.04.2018:
Waren Ausweiskopien/Ablichtungen in Deutschland lange Zeit datenschutzrechtlich umstritten, sind sie seit Juli 2017 unter zwei Bedingungen zulässig (§ 20 Abs.2 Personalausweisgesetz):
- Nur der Ausweisinhaber oder eine andere Person mit der Zustimmung des Ausweisinhabers darf die Kopie erstellen.
- Die Kopie muss eindeutig und dauerhaft als solche erkennbar sein.
Zu beachten ist, dass nur der Ausweisinhaber die Kopie an Dritte weitergeben darf und jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten aus dem Ausweis der Einwilligung des Ausweisinhabers bedarf. Analog verhält es sich mit Passkopien (§ 18 Abs. 3 Passgesetz).
Anonymous
19. August 2015 @ 12:13
Sehr geehrter Herr Grünwald,
Ihre Antwort ist leider schlicht und ergreifend falsch. Der Verweis auf den Leitfaden ändert an der Sachlage leider überhaupt nichts, da auch dort unrichtige Aussagen formuliert sind.
Durch die Formulierungen im Leitfaden “ für die Begründung einer Geschäftsbeziehung ihren Vertragspartner zu identifizieren. Hierfür sind bei einer natürlichen Person folgende Angaben zu erheben und aufzuzeichnen“ wird der Eindruck erzeugt, dass eine Identifizierung durch Aufzeichnung von Angaben durchgeführt werden kann. Dies ist falsch.
Eine Identifizierung erfolgt immer in zwei Schritten:
1. Stimmt die zu überprüfende Person mit der im Ausweisdokument beschriebenen Person überein?
2. Handelt es sich um ein gültigen Ausweis?
2a. Wie wird ein Ausweis auf Gültigkeit geprüft? und
2b. Wer ist ausstellende Behörde?
Eine Identitätsprüfung hat also zunächst überhaupt nichts mit „Aufzeichnen“ zu tun. Aus Sicht des Datenschutzes stellt sich zusätzlich die Frage, welche Daten „aufgezeichnet“ und wie „verwendet“ werden. Wie auf S. 2 des Leitfadens beschrieben, “ kann diese Aufzeichnungspflicht auch durch eine Kopie des Ausweises erfolgen.“ Dies ist aber definitiv nicht die Identitätsprüfung sondern erfüllt nur und ausschließlich die Aufzeichnungspflicht im Falle des GWG!
Die auf S. 4 des Leitfadens beschriebene
„• Zweckbindung der Identifizierung
Das Unternehmen darf die Ausweiskopie nur zum Zwecke der Identitätsprüfung verwenden, eine weitergehende Nutzung ist rechtswidrig“ ist mindestens unpräzise formuliert. Dabei geht es um die Verwendung der Daten und nicht um die Identitätsprüfung selbst.
Die Fragen 2a und 2b lassen sich nur mittels Originaldokument beantworten.
Nach h. M. ist eine Kopie grundsätzlich keine Urkunde, die den gleichen Gedankeninhalt wie das Original hat. OLG S. 2869: Die Kopie verkörpert grundsätzlich keine eigene Gedankenerklärung, sondern dokumentiert nur, dass ein bestimmter Aussteller einmal eine bestimmte Erklärung abgegeben hat, gibt also als auf technischem Wege hergestelltes Abbild einer Urkunde lediglich stellvertretend für das Original eine fremde Gedankenerklärung wieder (…BGHSt 24, 140 [141]). Darüber hinaus lässt eine Kopie regelmäßig auch keinen Aussteller erkennen. Hat der Aussteller seine Gedankenerklärung einmal aus der Hand gegeben, kann ein nicht mehr zu überblickender Personenkreis Fotokopien dieser Erklärung herstellen, so dass der Rechtsverkehr nicht feststellen kann, von wem sie gefertigt wurden.
Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Kopie nach außen als Reproduktion des Originals erscheint und der Hersteller sie auch so nutzen will. D. h. wenn die Kopie auch als solche verwendet wird. (s. http://www.juratelegramm.de/faelle/strafrecht/NJW_2006_2869.htm)
Konkret bedeutet dies: Wenn es nur um die Übernahme von persönlichen Daten wie Name, Anschrift etc. geht, dann könnte man ja auch einen Anglerschein nutzen. Wenn es aber darum geht, dass es eine real existierende Person gibt, die an einer bestimmten Adresse wohnt und dies durch z.B. die Bundesrepublik Deutschland amtlich bestätigt wird, so ist man auf die Vorlage der Originalurkunde (Ausweis) angewiesen.
Das PersAuswG lässt genau zwei Fälle zur Identitätsprüfung zu:
1. Vorlage des Originalausweises und
2. die eID Funktion.
Wenn eine Ausweiskopie die gleiche Bedeutung wie ein Ausweis selbst haben soll, dann muss sie beglaubigt sein. Wie sollen denn an einer Ausweiskopie die Sicherheitsmerkmale eines Ausweises geprüft werden? Anstelle von „Prüfen“ tritt im Falle von Ausweiskopien „Aufzeichnen“. Das ist aber keine Identitätsprüfung.
Und wenn man diese Sicherheitsmerkmale nicht braucht (Ausweiskopie), dann kann man sie doch auch einfach weglassen. Das macht den Herstellungsprozess viel einfacher. Statt Ausweiskopien kann man auch gleich Anglerscheine nehmen, das ist dann ebenso gut.
Mit besten Grüßen
Clemens Grünwald
19. August 2015 @ 14:19
Guten Tag,
vielen Dank für Ihren Kommentar. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf unsere E-Mail.
Mit freundlichen Grüßen,
die Blogredaktion
Anonymous
18. August 2015 @ 13:13
In dem Beitrag wird aus meiner Sicht unzutreffend formuliert, dass eine Ausweiskopie zum Zweck der Identitätsprüfung verwenden darf. Diese Aussage ist falsch!
Eine Identitätsprüfung kann ausschließlich entweder am Originaldokument (Ausweis) oder mittels eID-Funktion durchgeführt werden.
Wesentlich hierfür ist, dass der Urkundencharakter eines Ausweises bei Erstellung einer Kopie verloren geht und selbst im Falle des GWG eine Kopie nur zur Dokumentation erstellt werden darf, dass eine Identitätsprüfung stattgefunden hat und nicht, dass eine Identitätsprüfung mittels einer Ausweiskopie stattgefunden hat. Darin liegt der grundsätzliche Unterschied.
Um eine Identitätsprüfung rechtlich gültig durchführen zu können, muss immer eine Urkunde (Ausweis) verwendet werden. Eine Ausweiskopie kann eine unechte Urkunde darstellen, je nachdem was der Ersteller der Kopie damit bezweckt. Alle Sicherheitsmerkmale eines Ausweises können bei Kopien nicht überprüft werden. Damit scheiden Ausweiskopien als Grundlage für eine Identitätsprüfung grundsätzlich aus.
Clemens Grünwald
18. August 2015 @ 14:30
Guten Tag,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Wie bereits zutreffend im Leitfaden des LDI NRW „Personalausweis und Datenschutz“ beschrieben und auch in unserem Blogbeitrag erläutert, ist die Identitätsprüfung anhand einer Ausweiskopie grundsätzlich unzulässig und nur unter den dort genannten strengen Voraussetzungen zulässig. Wir haben uns in unserem Beitrag an den strengen Vorgaben des LDI NRW orientiert, das als Aufsichtsbehörde für den Datenschutz wertvolle Maßgaben und Orientierungshilfen für Bürger und Unternehmen insbesondere in datenschutzrechtlichen Einzelfragen bietet. Das LDI NRW spricht in seinem Leitfaden auf S. 4 auch nur von der Identitätsprüfung mithilfe einer Ausweiskopie und hebt in diesem Zusammenhang insbesondere hervor, dass nicht erforderliche Angaben zu schwärzen sind, die Ausweiskopie nach erfolgter Identifizierung unverzüglich zu vernichten ist und die Kopie als solche erkennbar sein muss. Auch im ausnahmsweise gesetzlich geregelten Fall des § 8 Abs. 1 Satz 3 GwG gilt, dass nicht erforderliche Angaben auf der Ausweiskopie zu schwärzen sind (vgl. S. 2 des Leitfadens).
Die vom LDI NRW ausgeführte restriktive Rechtslage zur Zulässigkeit von Ausweiskopien findet sich somit auch in unserem Blogbeitrag wieder. Wir hoffen, dass wir Ihr Anliegen damit klären konnten.
Mit freundlichen Grüßen,
die Blogredaktion