Das letzte Jahr hielt für Facebook einige Highlights bereit. Neben dem Inkrafttreten der DSGVO und der wegweisenden EuGH-Entscheidung zur gemeinsamen Verantwortlichkeit von Facebook und Fanpage-Betreibern entschied der BGH, dass die Erben einer verstorbenen Nutzerin auf deren Facebook-Konto zugreifen dürfen (wir berichteten).

Interessant ist die Entscheidung vor allem deshalb, weil sich der BGH neben der zivilrechtlichen Prüfung auch detailliert mit der DSGVO auseinandersetzt. Konkret klärt der Senat die Frage, ob dem Anspruch der Erben, Zugang zum Benutzerkonto der verstorbenen Nutzerin zu erhalten, datenschutzrechtliche Belange ihrer Facebook-Kommunikationspartner entgegenstehen.

Der BGH verneint dies. Zwar könnten sowohl Nachrichten als auch veröffentlichte („gepostete“) Inhalte personenbezogene Daten darstellen oder solche enthalten. Die Übermittlung und Bereitstellung dieser Daten durch Facebook an die Erben sei aber sowohl nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Var. 1 DSGVO (Vertragserfüllung) als auch auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (berechtige Interessen) zulässig.

Übermittlungsauftrag als wesentliche Vertragspflicht

Bereits der Facebook obliegende Übermittlungsauftrag wirke laut BGH ausdrücklich kontobezogen und zeitlich unbegrenzt – somit auch über den Tod eines Nutzers hinaus.

„(…) Denn nach dem Inhalt des Nutzungsvertrags zwischen der Beklagten (hier: Facebook) und ihren Nutzern ist die Bereitstellung und Übermittlung von Nachrichten und sonstigen Inhalten an das vom jeweiligen Absender benannte Empfängerkonto eine wesentliche Vertragspflicht der Beklagten sowohl gegenüber dem Absender – hier also den Kommunikationspartnern der Erblasserin – als auch gegenüber dem Berechtigten des Empfängerkontos. (…)“ (Rn. 72)

 Nach dem Tod der Nutzerin seien ihre Erben Berechtigte des Kontos geworden, was ihnen als neuer Vertragspartner des Nutzungsvertrags mit Facebook gestatte, ausgetauschte Nachrichten der Verstorbenen einzusehen. Eine Übermittlung bzw. Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten durch Facebook erfolge daher auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. b Var. 1 DSGVO zur Erfüllung des konkreten Nutzungsvertrags.

Gewichtige berechtigte Interessen der Erben

Besonders umfassend nimmt der BGH die Abwägung der gegenseitigen Interessen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO vor. Die Erben könnten bedeutende berechtigte Interessen bereits aus dem grundgesetzlich geschützten Erbrecht geltend machen. Durch den Eintritt in das Vertragsverhältnis mit Facebook hätten sie rechtmäßigen Zugang zum Benutzerkonto der Verstorbenen und zu den darin enthaltenen digitalen Inhalten erhalten.

„(…) Es stellt bereits für sich genommen ein gewichtiges berechtigtes Interesse eines Vertragspartners dar, die Hauptleistungsansprüche aus diesem Vertragsverhältnis auch geltend machen zu können. Würde den Erben der Zugang verweigert, würden ihnen die durch den erbrechtlichen Übergang von Rechten und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis entstandenen Rechtspositionen faktisch entzogen (…).“ (Rn. 78)

Damit einhergehend seien auch vermögensrechtliche Ansprüche bzw. Verbindlichkeiten der Nutzerin auf die Erben übergegangen, deren Umfang die Erben – auch aus dem Inhalt eines Benutzerkontos – in Erfahrung bringen dürften.

„(…) Der Zugang zu dem Benutzerkonto dient deshalb regelmäßig auch dazu, um zu prüfen, ob sich aus dem Inhalt Ansprüche der Erblasserin gegen Dritte oder Ansprüche Dritter gegen die Erblasserin ergeben (…).“ (Rn. 79)

Als berechtigtes Interesse der Erben kannte der Senat darüber hinaus an, dass die Erben durch den Zugang zum Benutzerkonto der Nutzerin herausfinden wollten, ob die Verstorbene kurz vor Ihrem Tod Suizidabsichten hatte. Ein solches ideelles Interesse sei in die Abwägung der gegenseitigen Interessen ebenfalls einzubeziehen.

Kein Überwiegen der Interessen der Kommunikationspartner

Auf Seiten der Kommunikationspartner sei laut BGH besonders der Schutz ihrer personenbezogenen Daten und die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Kommunikation zu beachten. Ebenfalls müsse in Erwägung gezogen werden, dass die Schutzbedürftigkeit der zumeist minderjährigen Kommunikationspartner im Vergleich zu Erwachsenen höher zu gewichten sei.

Nach Berücksichtigung der relevanten Grundrechtsbezüge, der Eingriffsintensität, der Art der verarbeiteten Daten und der Zwecke der Datenverarbeitung fiel das Ergebnis zugunsten der Erben aus. Bereits gemäß der bei Abwägung der Interessen einzubeziehenden „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen“

„konnten die Kommunikationspartner vernünftigerweise absehen, dass die Datenverarbeitung durch Bereitstellung der Nachrichten und Inhalte für das Empfängerkonto auch nach dem Tod der ursprünglichen Kontoberechtigten fortgesetzt würde und die Erben Kenntnis von diesen Daten erlangen könnten. (…)“ (Rn. 91)

In diesem Bewusstsein hätten die Kommunikationspartner Inhalte und Nachrichten stets freiwillig, selbstbestimmt und inhaltlich kontrollierbar übermittelt, um sie durch Facebook für das konkrete Nutzerkonto zur Verfügung stellen zu lassen. Zusätzlich müsse der eng begrenzte Zweck der Datenverarbeitung besonders beachtet werden: Gegenstand war ausschließlich ein konkretes Nutzerkonto und die darin bereits enthaltenen Nachrichten. Zugang zum Konto begehrten lediglich zwei Personen, die als nächste Angehörige der Verstorbenen ein sowohl ideelles als auch vermögenswertes Interesse an der Aufklärung der Todesumstände hatten. Die durch die konkrete Art der Datenverarbeitung bestehenden Risiken für die Kommunikationspartner seien hierdurch begrenzt gewesen. Eine drohende Aushöhlung des gesetzlichen Erbrechts der Erben könne über die Interessen der Kommunikationspartner jedenfalls nicht gerechtfertigt werden.

Die gesamte Entscheidung des BGH kann hier nachgelesen werden. Die Feststellungen, die sich ausführlich und lesenswert mit der datenschutzrechtlichen Aufbereitung des Falles befassen, beginnen auf Seite 31 der Entscheidungsgründe.