Es gibt da so einige „Klassiker“ im Bereich der Verarbeitung von Beschäftigtendaten, die einem mit fortwährender Regelmäßigkeit über den Weg laufen – als da wären z.B. Geburtstagslisten, Bewerberfragebögen oder Gesundheitsuntersuchungen; alles Dinge, die mehr oder weniger direkt mit dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses in Verbindung stehen. In rechtlicher Hinsicht mehr „Schmalz“ vermittelt jedoch die Beendigung eines Anstellungsvertrages.

Unlängst hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm einen solchen Fall zu entscheiden. Noch existiert lediglich eine Pressemitteilung zu dem Fall, aber dennoch lassen sich bereits daraus einige spannende Erkenntnisse ziehen. Im Kern geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen darf, wenn gegen einen Mitarbeiter der Verdacht, er könne eine Straftat begangen haben, im Raum steht.

Hobbythek Folge 372: Juristische Mathematik

Erst einmal die Grundregeln: Zum einen dürfen personenbezogene Daten nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG „für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.“

Zum anderen gibt Satz 2 der benannten Vorschrift einen Handlungsrahmen für die innerbetriebliche Ermittlungstätigkeit vor, soweit es also um die Aufklärung der Tat geht. In diesem Zusammenhang werden im Wesentlichen drei Dinge gefordert:

  • Konkrete, dokumentierte (!) Verdachtsmomente
  • Erforderlichkeit zur Aufdeckung der Straftat (keine Ordnungswidrigkeit oder „nur“ vertragswidriges Verhalten)
  • Verhältnismäßigkeit der Maßnahme insgesamt (keine milderen Mittel ersichtlich)

Kündigung = (Verdacht in %) / (Anzahl der Vorfälle) x Schwere der Tat

Die allumfassende Begutachtung eines solchen Vorfalls ist allein schon vor dem Hintergrund der hier zahlreich in Erscheinung tretenden unbestimmten Rechtsbegriffe eine Herausforderung. Spannende Fragen sind vor allem: Wann sind Verdachtsmomente hinreichend konkret? In welcher Form muss dokumentiert werden? Wann ist eine einzelne Maßnahme erforderlich bzw. (noch) verhältnismäßig?

Es greifen hierbei aufs Vortrefflichste Datenschutz und Arbeitsrecht ineinander. Als Paradebeispiel hierfür kann sicherlich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur verdeckten Spind-Durchsuchung (BAG, Urteil vom 20.6.2013, 2 AZR 546/12) genannt werden, zu der die hiesige Entscheidung in einer Linie steht.

Denn die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kündigung hängt unmittelbar – und ganz entscheidend – davon ab, ob der Arbeitgeber die Erkenntnisse, die zur Kündigung geführt haben, auf rechtmäßige Weise erlangt hat. In gewissem Sinne grenzt ein derartiger Vorgang jedenfalls an die mittlere bis höhere „juristische Mathematik“, wenn es darum geht, eine solche Interessenabwägung rechtsfehlerfrei durchzuführen.

Eine Kündigung als Rechenbeispiel …

Einen Versuch dazu hat die Sparkasse Herne unternommen und ist damit abschließend in zweiter Instanz gescheitert. Was war passiert? Eine Mitarbeiterin hatte unter Verletzung des Vier-Augen-Prinzips einen Geldkoffer geöffnet, der einen von ihr persönlich bestellten sechsstelligen Geldbetrag in ungewöhnlicher Stückelung (ausschließlich 50-Euro-Scheine) enthielt. Kurz darauf zog sie einen Kollegen hinzu, der in ihrem Beisein verdutzt den Inhalt des Koffers zur Kenntnis nahm: Anstelle des Geldes befanden sich darin nämlich Waschpulver und Babynahrung.

Obendrein stand der Koffer vor dem (eigenhändigen) Öffnen etwa 20 Minuten unbeobachtet im Kassenbereich, in welchem sich allein die betreffende Mitarbeiterin aufhielt. Ermittlungen ergaben, dass für die Order des konkreten Geldbetrags in Höhe von 115.000 Euro keine sachliche Notwendigkeit bestand. Darüber hinaus tätigte die Mitarbeiterin in der Folgezeit mehrere größere finanzielle Transaktionen. „Da zählen wir doch mal Eins und Eins zusammen“, dachte sich ihr Arbeitgeber und sprach die Kündigung aus.

… und wie man es nicht macht

Aufgrund der geschilderten Indizienlage könnte man nun zu dem Schluss gelangen: „Alles paletti – was kann da schon schiefgehen?“ Eine ganze Menge, wie sich herausstellen sollte. Denn weil es hier nicht um eine nachgewiesene Tat, sondern zunächst um den Verdacht an einer solchen geht, sind entsprechend strengere Maßstäbe anzulegen.

Bereits in erster Instanz gab das Arbeitsgericht Herne der Angestellten Recht. Denn für eine Kündigung sei eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ erforderlich, dass sie tatsächlich die Tat begangen hat. Ein solcher dringender Tatverdacht sei hier nicht gegeben. Vielmehr sei nicht ausgeschlossen, dass auch eine andere Person als Täter in Frage komme. Zusätzlich habe nach dem in zweiter Instanz befassten LAG Hamm regelmäßig eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu erfolgen:

„Diese müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen durchführen und dabei den Arbeitnehmer regelmäßig konkret mit den verdachtsbegründenden Umständen konfrontieren. Eine diesen strengen Anforderungen der Rechtsprechung genügende Anhörung sei vorliegend aber nicht feststellbar.“

Ob daneben auch Aspekte zur Sozialauswahl im Rahmen der Kündigung für die ergangene Entscheidung maßgeblich waren, ist aktuell nicht bekannt; hierfür wäre ein Blick in das Urteil nötig, auf dessen Veröffentlichung wir derzeit noch warten. Da die Revision nicht zugelassen wurde, ist das Urteil insoweit abschließend für das Verfahren. Die bittere Konsequenz für die Sparkasse: Die betreffende Mitarbeiterin behält ihren Arbeitsplatz!

Was ändert sich mit der DSGVO?

Im Wesentlichen behalten die bisher aufgestellten Grundsätze auch zukünftig unter der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ihre Gültigkeit. Durch die in Art. 88 DSGVO vorgesehene Öffnungsklausel haben die EU-Mitgliedsstaaten weiterhin die Möglichkeit, nationale Regelungen für die Verarbeitung von Beschäftigtendaten zu erlassen. In Deutschland wird der bisherige bzw. aktuelle § 32 BDSG fast 1:1 in den § 26 BDSG-neu übernommen. Damit können alle rechtlichen Wertungen in Bezug auf Beschäftigtendaten inkl. der arbeitsrechtlichen Judikatur auf die ab Mai 2018 geltenden neuen Regelungen übertragen werden.

Fazit

Die vorliegende Konstellation verdeutlicht wieder einmal, wie entscheidend die Verzahnung von Datenschutz und Arbeitsrecht sein kann und wie wichtig es auch für den bestellten Datenschutzbeauftragten (DSB) ist, sich in solchen speziellen Themen fortzubilden. Schließlich wird im Zweifel er derjenige sein, der die Frage nach der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit zu beantworten hat. Wer also auf die Frage des Vorgesetzten „Gibt es aus Sicht des Datenschutzes irgendwelche Einwände?“ vorschnell abnickt und grünes Licht signalisiert, der kann ein Problem bekommen.

Gerade, weil die Beurteilung von innerbetrieblichen Ermittlungsmaßnahmen keine alltägliche Arbeit ist und – hoffentlich – auch die Prüfung einer Kündigung nur hin und wieder auf dem Aufgabenzettel steht, ist es nötig, in solchen kritischen Situationen den Überblick zu bewahren. Nicht jeder DSB ist ausgebildeter Jurist, womöglich mit Schwerpunkt Arbeitsrecht – und muss es auch nicht sein. Vielmehr kommt es darauf an, dass in einem solchen Fall der DSB überhaupt eingebunden wird (Stichwort: Datenschutz-Management / Compliance) und zusammen mit der Personalabteilung Hand in Hand arbeitet. Dabei sollte der DSB jedenfalls soweit „fit“ sein, die Problemstellen zu identifizieren und darauf hinzuweisen, wo konkret ein Risiko (in dem Fall rechtlicher Natur) entstehen kann.

Sobald das Urteil im Volltext veröffentlicht ist, werden wir ggf. näher auf die Begründung des Gerichts eingehen.