Nachdem sich bereits das Landgericht München I (LG München I) mit Urteil vom 06.04.2020, Az. 3 O 909/19, (wir berichteten) zu dem Thema Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 3 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) positionierte, durfte sich nun das Oberlandesgericht München (OLG München) in der Berufungsinstanz der Sache annehmen. In seinem Urteil vom 04.10.2021, Az. 3 U 2906/20, sieht auch das OLG München den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 3 (DSGVO) sehr weit.
Rückblick
In einem Fall in dem es primär um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Beratung von Finanzanlagen ging, wurde auch der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO geltend gemacht. Bereits in der ersten Instanz begehrte die Klägerin die Aushändigung von Kopien aller personenbezogenen Daten. Das LG München I hat den Schadensersatzanspruch als unbegründet zurückgewiesen, verklagte die Beklagten jedoch auf Herausgabe von Kopien aller personenbezogenen Daten, insbesondere in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen, an die Klägerin.
Berufungsinstanz
Und was macht das OLG München in der Berufungsinstanz? Das OLG München sieht es ähnlich wie die Vorinstanz und legt den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO weit aus und weist die Berufung der Beklagten weitestgehend zurück.
Zunächst untermauerte das OLG München die erstinstanzliche Ansicht, dass der Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen eigenständigen Anspruch und nicht lediglich einen Auswuchs des Art. 15 Abs. 1 DSGVO darstellt. Hierbei führte das OLG München aus, dass der „Auskunftsberechtigte[n] neben dem Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auch ein eigenständiger Anspruch auf Überlassung von Kopien gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zusteht. Es handelt sich bei Abs. 1 und Abs. 3 des Art. 15 DS-GVO um zwei unterschiedliche Ansprüche, welche zwar denselben Gegenstand – personenbezogene Daten – betreffen, sich jedoch auf der Rechtsfolgenseite unterscheiden. Dies legt Wortlaut und Systematik der Vorschrift nahe.“
Auch hatte das OLG München keine Bedenken an der Bestimmtheit des Antrags der Klägerin im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, denn „für die Klägerin als Gläubigerin eines Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO wird im Regelfall nicht ersichtlich sein, welche Unterlagen sich bei dem Auskunftsverpflichteten befinden. Damit ist jedoch eine Konkretisierung der einzelnen herauszugebenden Schriftstücke nicht möglich. Andererseits begegnet der Antrag, sämtliche Dokumente herauszugeben, keinen Bedenken, da diese dahingehend bestimmt genug ist, dass durch die Beklagten sämtliche Dokumente, welche sich in ihrem Besitz befinden, als Kopie herauszugeben sind.“
Und dann kommt das OLG München – aus meiner Sicht – zu dem spannendsten Teil und äußerst sich zu der Frage: Wo beginnen und wo hören personenbezogene Daten auf? Hierbei stellt das OLG München unmissverständlich klar, dass es von einem weiten Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO ausgeht:
Der Begriff „ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (BGH NJW 2021, 2726 m.w.Nachw.). Betreffend den bei den Beklagten befindlichen Daten lässt sich jeweils aus dem Betreff bzw. dem Gesprächspartner eine Verbindung zu der Klägerin ziehen. Schreiben und E-Mails der Klägerin an die Beklagten sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen.“
Die Tatsache, dass die Telefonnotizen, Aktenvermerke und Protokollen auf Äußerungen der Klägerin basieren, reicht dem OLG München aus einen Personenbezug herzustellen und ordnet diese internen Vermerke als personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO ein.
Fazit
Dieses Urteil bringt für die Verantwortlichen in der täglichen Umsetzung zunächst keine praktische Vereinfachung mit sich und auch die Frage, ob solch eine weite Auslegung des Anspruchs fair ist oder lediglich ein Druckmittel der Betroffenen darstellt, wird hier nicht abschließend entschieden. Wollen die Verantwortlichen einen solchen Fall jedoch vermeiden, empfiehlt sich eher eine weite Auskunftserteilung an die Betroffenen.