Es ist mal wieder soweit. Ja, Weihnachten steht auch vor der Tür, aber das meine ich hier gar nicht. Es trifft mal wieder die Autofahrer, wenn zur Einhaltung von sich stetig ausbreitenden Fahrverboten in Innenstädten über mögliche Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen diskutiert wird. Jüngster Spross dieser Entwicklung ist ein Gesetzesentwurf zur Erweiterung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) um einen § 63c, der den zuständigen Landesbehörden die Möglichkeit einräumen soll, bestimmte Daten über Fahrer und Fahrzeug automatisiert abzugleichen, um so unbefugt dieselnde Eindringlinge abzuhalten und Verstöße zu sanktionieren.

Die Regelung im Detail

Zum Zweck der Durchsetzung etwaiger Fahrverbote dürften die Städte demnach folgende Daten zum Abgleich verwenden:

  • Kennzeichen,
  • Merkmale des Fahrzeugs zur „Einreisebestimmung“ (also z.B. die Abgaseinstufung),
  • Bild von Fahrzeug und Fahrer (Letzterer, weil ausschließlich er verkehrsrechtlich als persönlich haftbar gemacht werden kann) sowie
  • Ort und Zeit des mutmaßlichen Verstoßes.

Weitere Vorgaben zur konkreten Umsetzung sieht der Gesetzesentwurf nicht vor; insbesondere die Art und Weise, wie Kontrollen vor Ort durchgeführt werden sollen – dazu unten mehr – bleibt offen.

Betroffenheit und andere Befindlichkeiten

Im Gegensatz zu den „paar hunderttausend“ Dieselfahrern, die solche Verbote unmittelbar treffen, wirkt sich die geplante Videoüberwachung auf sämtliche Personen aus, die per Auto unterwegs sind – und da kommt eine große Masse an Menschen zusammen. Neben diesem für sich genommen bereits berücksichtigenswertem Aspekt stellen sich im Rahmen der Frage, ob die angedachte Maßnahme datenschutzrechtlich erforderlich und unterm Strich verhältnismäßig ist, aber noch weitere Gesichtspunkte in den Weg.

Für den ursprünglich verfolgten Zweck, die Luft in den betroffenen Städten sauber zu halten, kommen abseits einer möglichen Änderung der Gesetzeslage (gewissermaßen „eine Ebene darunter“) andere Maßnahmen wie u.a. die emsig diskutierten technischen Nachrüstungen von Fahrzeugen als mildere Mittel in Betracht. Aber auch was die Überprüfung der automobilen Zutrittsbeschränkungen angeht, sind Alternativen denkbar – beispielsweise die gern zitierte „blaue Plakette“ als Erweiterung des bisherigen Aufkleber-Sammelsuriums, um dessen Überprüfung es bisher ganz offensichtlich wenig Aufhebens bedurfte.

Zu Recht weist der LfDI Baden-Württemberg, Stefan Brink, in einem Interview darauf hin, dass mit einem solch interessanten Datenvorrat Begehrlichkeiten geweckt werden. Man muss kein Anhänger von Verschwörungstheorien sein, um dem möglichen Szenario einer späteren Zweckänderung entgegen zu blicken. Diese „wo wir die Daten doch schon mal haben“-Mentalität macht Brink deutlich am Beispiel der LKW-Maut, bei der die Regierung nach Besiegeln der strikten Zweckbindung (nämlich zur Maut-Abrechnung) bald schon Kreativität entfaltete, neue Verwendungsoptionen in Bezug auf die Daten auszuloten. Fast schon ironisch mutet es da an, wenn just der aktuelle Gesetzesentwurf zur Begründung der Rechtmäßigkeit auf die rechtliche Parallele zur Mautregelung verweist.

Gesetzgeberische Theorie …

Übrigens, ein ergänzender Blick in den – insofern „zum Glück“ recht übersichtlichen Gesetzesentwurf – ist durchaus lohnenswert So ist sich das zuständige Verkehrsministerium nicht zu schade, zu der Frage, was die Gesetzesänderung an Kosten mit sich bringt, ebenso galant wie kurz und knackig anzugeben: „Keine“. Das ist insofern richtig, als – Zitat – „durch die Ermächtigungsgrundlagen und Abrufberechtigung unmittelbar kein messbarer Erfüllungsaufwand entsteht“. Soweit, so (formell) nachvollziehbar.

Dass jedoch allein durch die Möglichkeit, von der technischen Überwachung Gebrauch zu machen, noch kein einziges Fahrzeug tatsächlich kontrolliert wird, liegt auf der Hand; es braucht eben zwingend auch Technik (oder zumindest Personal), um es umzusetzen, und beides kostet. Spätestens im Rahmen der Begründung auf Seite 6 des Entwurfs, bei der unter Ziffer „III. Alternativen“ wiederum höchst elegant „Keine“ vermerkt ist, wird schnell klar, welcher Richtung dieses Dokument entspringt.

… und gerichtliche Praxis

Dass die Bundesbeauftragte für Datenschutz (BfDI) dem Vorhaben bereits zugestimmt hat, mag überraschen, ist doch das automatisierte Abfragen von Kennzeichen immer wieder kritisch diskutiert worden (wir berichteten zum Beispiel zur Überwachung in Parkhäusern). Auch das Bundesverfassungsgericht wird sich voraussichtlich in diesem Jahr noch zu mehreren (jüngst im Jahr 2015 eingereichten) Verfassungsbeschwerden gegen entsprechende Überwachungsmaßnahmen aus den Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Hessen äußern (siehe dort Ziffer 10).

Vor diesem Hintergrund erscheint es möglich bis naheliegend, dass auch die neue Regelung früher oder später zur Verhandlung bei dem Gericht in Karlsruhe landet.

UPDATE 12.2.2019:

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14.12.2018 den Gesetzesentwurf wegen „erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken“ abgelehnt. Im Einzelnen monierte die Länderkammer das anlasss- und unterschiedslose Erfassen von jedwedem Autofahrer, der sich – berechtigt oder nicht – eine Umweltzone durchfährt sowie die zu lange Speicherdauer der Daten (bis zu sechs Monate).  Mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien zudem die Anforderungen an eine automatisierte Kennzeichenerfassung zu unbestimmt formuliert.

Die Bundesregierung hat daraufhin eine Gegenäußerung vom 9.1.2019 (gleiches Dokument, siehe oben) zum Anlass genommen, den Entwurfstext zu entschärfen. Im Wesentlichen stehe folgende Änderungen dahinter:

  • Einschränkung der Kontrollen auf Stichproben
  • Verbot der verdeckten Datenerhebung
  • Anordnung zum unverzüglichen Auswerten der Daten
  • Begrenzung der Speicherfrist auf maximal zwei Wochen

Ob damit die angemahnten verfassungsrechtlichen Anforderungen für „konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen“ erfüllt sein werden, bleibt abzuwarten.