Arbeitgeber sind in Deutschland gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX dazu verpflichtet, Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein sog. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Die Ziele eines BEM-Verfahrens bestehen darin, Ursachen für die Arbeitsunfähigkeit zu ermitteln und hieraus Maßnahmen zur Verringerung bzw. Vermeidung von zukünftigen Fehlzeiten abzuleiten.
Auf Seiten des Arbeitgebers wird das BEM durch einen BEM-Beauftragten oder ein BEM-Team durchgeführt. Zu der datenschutzrechtlich relevanten Frage, ob auch Mitarbeitende aus dem Personalbereich Teil dieses Teams sein können, äußerte sich jüngst der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI Rheinland-Pfalz) in seinem 32. Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023.
Verarbeitung sensibler Daten im BEM
Bei der Durchführung eines BEM werden personenbezogene Daten der betroffenen Mitarbeitenden erhoben und verarbeitet. Dabei dürfen in der Vorbereitung des BEM zunächst nur die Daten verarbeitet werden, die für die Feststellung erforderlich sind, ob eine Verpflichtung zum Angebot eines BEM-Verfahrens gegenüber dem*der Beschäftigten besteht. Dies sind in der Regel der Vor- und Nachname, krankheitsbedingte Fehltage sowie Kontaktdaten.
In den Informationsgesprächen oder spätestens bei den tatsächlichen Eingliederungsgesprächen können auch Gesundheitsdaten der betroffenen Beschäftigten (z. B. medizinische Diagnosen, gesundheitliche Beschwerden oder Beeinträchtigungen) verarbeitet werden. Diese Daten unterliegen gemäß Art. 9 DSGVO einem besonderen Schutz und sind streng vertraulich zu behandeln. Grundsätzlich darf eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten im BEM nur dann erfolgen, wenn der*die betroffene Beschäftigte hierfür zuvor eine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat. Die Einwilligung ist getrennt von der allgemeinen Zustimmung zur Durchführung eines BEM einzuholen.
Grundsatz der Zweckbindung im BEM
Die im Zusammenhang mit dem BEM-Verfahren erhobenen Daten dürfen nur für die Zwecke des BEM-Verfahrens und mit dem Ziel, die bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und zukünftige Arbeitsunfähigkeiten zu verhindern, verarbeitet werden. Eine Verarbeitung der Daten zu anderen Zwecken ist aufgrund des im Datenschutzrechts geltenden Zweckbindungsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO) grundsätzlich unzulässig. Die erhobenen Daten dürfen insbesondere nicht für personelle Maßnahmen, wie krankheitsbedingte Kündigungen, genutzt werden.
Gerade die mögliche Nutzung der Daten für personelle Maßnahmen wirft die Frage auf, ob Mitarbeitende der Personalabteilung – und insbesondere Personalverantwortliche – überhaupt am BEM-Verfahren teilnehmen bzw. Kenntnis von den Inhalten der Gespräche erhalten dürfen.
LfDI Rheinland-Pfalz: BEM-Beauftragte*r nur außerhalb der Personalabteilung
In seinem Tätigkeitsbericht zum Jahr 2023 äußerte sich der LfDI Rheinland-Pfalz kritisch zu dieser Frage (vgl. S. 35, Zf. 6.2). Hintergrund war eine Beschwerde gegen eine größere Landesbehörde, in welcher die Personalleiterin zugleich als BEM-Beauftragte tätig war.
Der LfDI stellte in seinen Ausführungen zunächst klar, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des BEM eine Trennung zwischen Personalverwaltung einerseits und BEM-Verfahren andererseits habe erreichen wollen, da diese unterschiedliche Ziele verfolgen. Das BEM-Verfahren habe die Wiedereingliederung und den dauerhaften Erhalt der Arbeitsfähigkeit des Betroffenen zum Ziel, während es bei der Personalverwaltung auch um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehen könne. Aus diesen Gründen sei der Inhalt eines BEM-Gesprächs kein zulässiger Gegenstand einer Personalakte und dürfe auch sonst den Mitarbeitenden der Personalabteilung nicht zur Kenntnis gegeben werden. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass Informationen aus dem BEM-Verfahren zweckwidrig für Personalmaßnahmen verwendet werden.
Dieser Interessenskonflikt wirke sich nach Ansicht des LfDI insgesamt negativ auf die Bereitschaft der Beschäftigten aus, an einem BEM-Verfahren teilzunehmen. So müssen die Beschäftigten befürchten, dass sich die ggf. im BEM-Verfahren gemachten Angaben zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachteilig auf ihre berufliche Situation auswirken könnten. Im vorliegenden Fall hat der LfDI daher empfohlen, die innerbetriebliche Organisation künftig so zu gestalten, dass eine Person außerhalb der Personalabteilung als BEM-Beauftragter tätig wird.
LfDI Baden-Württemberg vertritt ähnliche Auffassung
Bereits im Jahr 2017 hatte sich der LfDI Baden-Württemberg zu dieser Frage ähnlich geäußert und davon abgeraten, Bedienstete aus der Personalverwaltung am BEM zu beteiligen (33. Tätigkeitsbericht 2016/2017, S. 114, Zf. 9.1.). Es bestünden in diesem Fall datenschutzorganisatorische Probleme, das Wissen aus dem BEM-Verfahren gegenüber der Personalverwaltung geheim zu halten.
Nach Ansicht des LfDI Baden-Württemberg solle die Datenerhebung im BEM vielmehr durch eine besondere Organisationseinheit, einer Ad-hoc Kommission bzw. einen BEM-Beauftragten, erfolgen, die informationell abgeschottet agiert und Vertraulichkeit gewährleisten kann bzw. muss. Diese könne aus Vertretern des Arbeitgebers und den unterschiedlichen Interessensvertretungen bestehen. Nur in dieser Konstellation können die Betroffenen darauf vertrauen, dass die Durchführung des BEM nicht dazu genutzt werde, die Karriere zu stoppen oder zu beenden, sondern die Wiedereingliederung und Aufrechterhaltung der dauerhaften Arbeitsfähigkeit des Betroffenen im Vordergrund stehe.
Wie soll das BEM-Team nun zusammengesetzt werden?
Folgt man den Empfehlungen der beiden Aufsichtsbehörden, sollten Arbeitgeber das BEM-Team somit aus Mitarbeitenden außerhalb der Personalabteilung zusammensetzten. Darüber hinaus können die folgenden Personen Bestandteil des BEM-Teams sein:
- Eine Vertrauensperson nach Wahl des Beschäftigten (§ 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX)
- Soweit erforderlich der Werks- oder Betriebsarzt (§ 167 Abs. 2 S. 3 SGB IX)
- Mitglieder des Betriebs-/Personalrates der Schwerbehindertenvertretung dürfen nur mit einer ausdrücklichen Zustimmung des Beschäftigten am BEM-Verfahren teilnehmen (vgl. BAG-Beschluss v. 22.03.2016, 1 ABR 14/14, Rn. 29).
Dem BEM-Team dürfen ausschließlich die zur Durchführung des BEM-Verfahrens erforderlichen Daten mitgeteilt werden. Da eine Verarbeitung besonders sensiblen Daten möglich ist, sollten die beteiligten Personen mit einer gesonderten Verschwiegenheitsvereinbarung zur Verschwiegenheit verpflichtet werden.
Fazit
Auch wenn die Empfehlungen der beiden Aufsichtsbehörden für die Arbeitgeber nicht bindend sind, sind sie inhaltlich durchaus überzeugend. Der vertrauliche und zweckgebundene Umgang mit den im BEM verarbeiteten Daten kann nur dann vollständig gewährleistet werden, wenn das BEM außerhalb der Personalverwaltung stattfindet. Dies betrifft neben der Aufbewahrung der Gesprächsinhalte in separaten BEM-Akten auch die Zusammensetzung des BEM-Teams. Hierdurch dürfte sich aus Sicht der Beschäftigten auch die Bereitschaft zur Durchführung eines BEM erhöhen, was im Sinne einer Wiedereingliederung und Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit zu begrüßen ist.