„Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein.“, so äußerte sich Stefanie Hubig, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, zuletzt zur von der Europäischen Union (EU) diskutierten Chatkontrolle. Die Frage nach der Einführung der Chatkontrolle ist nach dem vorläufigen „Nein“ Deutschlands vom Tisch – jedenfalls vorerst. Das Gesetzesvorhaben bleibt aber weiterhin aktuell, denn in Zukunft könnte erneut ein überarbeiteter Vorschlag zur Diskussion gestellt werden.
Worum geht es?
Als sog. „Chatkontrolle“ wird ein umstrittenes Gesetzgebungsvorhaben der EU bezeichnet, in dessen Rahmen Messenger- und Hosting-Dienste dazu verpflichtet werden sollen, die private Kommunikation der Nutzer auf Inhalte sexuellen Kindesmissbrauchs zu kontrollieren. Konkret soll geprüft werden, ob sexuellen Kindesmissbrauch darstellende Abbilderungen (sog. CSA-Material) übermittelt werden oder Annäherungsversuche Erwachsener gegenüber Kindern in der Absicht eines sexuellen Missbrauchs (sog. Grooming) stattfinden. Erfolgen soll die Kontrolle noch auf dem Gerät des Nutzers vor der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (Client-Side-Scanning) und verdachtsunabhängig. Im Falle eines Verdachts soll der jeweilige Kommunikationsdienst zur Meldung an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden verpflichtet sein.
Die nunmehr über drei Jahre andauernde Diskussion um die Chatkontrolle nahm ihren Ursprung im Mai 2022, als die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (hier abrufbar) vorlegte. Schon damals warnte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vor „Europas Einstieg in eine anlasslose und flächendeckende Überwachung der privaten Kommunikation“ (Pressemitteilung 9/2022). Seitdem wurde der Entwurf kontrovers diskutiert, weiterentwickelt und angepasst. Eine Mehrheit wurde bislang im Rat der EU nicht erreicht.
Aufdeckung von Straftaten um jeden Preis?
Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden von Bund und Ländern (DSK) äußerte sich zuletzt wie folgt (Pressemitteilung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 08.10.2025):
„Anlasslose Massenüberwachungen, die Millionen Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union unter Generalverdacht stellen, sind unverhältnismäßig. Die vorgeschlagene Chatkontrolle gefährdet die sichere Kommunikation in unserer offenen Gesellschaft. Eine Untergrabung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch Client-Side-Scanning und damit die Überwachung direkt auf den Endgeräten aller Personen wäre das Ende der Privatsphäre, wie wir sie kennen.“
Unstreitig ist, dass das Ziel des Vorhabens – die Bekämpfung von sexuellem Kindesmissbrauch – legitim und wichtig ist. Dennoch gibt es aus datenschutzrechtlicher Sicht mit Blick auf das Gesetzesvorhaben auch nach etwa drei Jahren noch immer viele offene Fragen und Bedenken. Jedenfalls aber wird mit Blick auf die Debatte um die Chatkontrolle klar: Der oft als bürokratisch wahrgenommene Datenschutz ist von zentraler Bedeutung und wird auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen – als Garant für Transparenz, Verhältnismäßigkeit und die Wahrung von Grundrechten.