Ein hehres Ideal

In Art. 12 DSGVO wird ein großes Ziel verkündet. Satz 1 verpflichtet den Verantwortlichen, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit alle Informationen an die Betroffenen, die die DSGVO vorsieht, gut formuliert sind. Die Informationen müssen in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form sein, besonders, wenn sie sich speziell an Kinder richten.

Es gibt Messungen, wonach die meisten Menschen Datenschutz-Informationen nie lesen. Obwohl sie bestätigen, sie hätten sie gelesen. Falls jemand sie doch mal liest, dann weiß sie oder er: kaum eine Vorschrift in der DSGVO wird so missachtet, wie Art. 12 Abs. 1 S. 1 mit seiner Forderung nach einer guten Sprache. Vielleicht gehört das zu den Ursachen, warum viele Menschen vom Datenschutz nichts wissen wollen. Die meisten hören auf zu lesen, sobald es ihnen zu hakelig wird. Das weiß man aus der Forschung.

Sie klicken dann schnell auf „OK“, statt zu überlegen, ob sie das wirklich wollen.

Google musste u.a. wegen schlecht formulierter Datenschutz-Bedingungen im Frankreich 50 Mio. EUR Geldbuße zahlen (wir berichteten). Grund genug, zu fragen: wie formuliere ich richtig?

Verständlichkeitsforschung

„Listen to science“, die Forderung gilt nicht nur bei Klimaschutz. Schon seit den 1970er Jahren haben Forscher sich mit der Verständlichkeit von Texten befasst. Sie haben die Textverständlichkeit mit empirischen Tests an tausenden von Testpersonen nachgemessen. Dadurch kamen sie zu Regeln wie:

  • Kurze und einfache Sätze bilden, Schachtelsätze vermeiden
  • Einfache, geläufige und konkrete Wörter verwenden
  • Abkürzungen vermeiden oder erklären
  • Passivkonstruktionen vermeiden
  • Nominalisierungen (substantivierte Verben oder Adjektive, die häufig auf -ung enden) vermeiden.

Wissenschaftler haben Verständlichkeit messbar und mit Formeln berechenbar gemacht.

Viele ihrer Regeln widersprechen der typischen Sprache deutscher juristischer Texte. Im romanischen Rechtskreis, z.B. in Frankreich, Spanien wird die Klarheit und Einfachheit eines Textes von Juristen als „präzise“ und „korrekt“ empfunden. In Deutschland und England ist das Gegenteil der Fall. Bei uns lieben Juristen Nominalisierungen („Art. 7 stellt folgende Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Einwilligung“ statt „Jemand willigt nach Art. 7 wirksam ein, wenn …“). Auch Passivkonstruktionen sind beliebt: „Der Erklärende muss über die Art und Weise der Datenverarbeitung informiert worden sein“, statt: „Die Erklärung informiert über Art und Weise der Datenverarbeitung.“ Gute Sprache klingt uns nicht juristisch genug. Wir sollten lernen, das zu ertragen. Art. 12 DSGVO verlangt es.

Hier eine Kombination von Schachtelsatz, Nominalisierung und Passivkonstruktion: „Der Erklärende muss ausreichend konkret über die Art und Weise der Daten-verarbeitung, insbesondere über den Zweck der Datenverarbeitung und die Empfänger seiner Daten sowie über die Möglichkeit, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen, informiert worden sein.“ Für Juristen klingt das gut. Für Verständlichkeitsforscher nicht. Sie halten es mit dem Autor Kurt Tucholsky und seiner Regel: „Hauptsätze. Hauptsätze. Hauptsätze.“

Was zu tun ist

Der Verantwortliche muss geeignete Maßnahmen treffen. Vor allem bei Datenschutzerklärungen mit großer Reichweite oder jungem Publikum müssen wir uns mehr Mühe geben. In manchen Unternehmen gibt es Richtlinien und Verantwortlichkeiten für die Sprache der Kundenkommunikation. Dort kann man den Datenschutz in diesen Aufgabenbereich einbeziehen. Google hat nach der französischen Entscheidung nachgebessert. Sie haben jetzt einfache und klare Erläuterungen mit kurzen Texten und Illustrationen, die übersichtlich mit Tabs getrennt sind. Andere gut sichtbare Unternehmen sollten nicht auf das erste Bußgeld wegen unverständlicher Datenschutzbedingungen warten.

Man kann im Internet die Lesbarkeit eines Textes online testen (es gibt entsprechende Seiten) und dort versuchen, zu optimieren. Ein wichtiger Schritt ist schon, das Thema zu kennen.