Die flächendeckende Videoüberwachung der üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG (üstra) kann weiter stattfinden. Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 10.02.2016, Az. 10 A 4379/15, die Verfügung der Landesbeauftragten für Datenschutz Niedersachsen, mit der die Einstellung der Videoüberwachung in Bussen und Bahnen angeordnet wurde, aufgehoben. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Untersagung. Die üstra sei eine öffentliche Stelle, auf die das Landesdatenschutzgesetz Anwendung finde. Dieses ermächtige die Aufsichtsbehörde lediglich zu Beanstandungen und nicht zur Untersagung einer datenschutzwidrigen Praxis. Das Gericht nahm inhaltlich keine Stellung zur Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung.

Videoüberwachung bei der üstra

Seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 setzt üstra Videoüberwachung auf dem gesamten Streckennetz ein und zwar rund um die Uhr. In Hannover sollen 80 Prozent der Busse und die Hälfte der Bahnen mit Videokameras ausgestattet sein. Die Aufnahmen landen in einer so genannten Blackbox und werden nach 24 Stunden überspielt. Mit der Videoüberwachung will üstra den Fahrgästen Sicherheit vermitteln und Straftaten nachträglich aufklären können.

Bereits 2013 mahnte der damalige Landesbeauftragte für Datenschutz üstra an, die flächendeckende Videoüberwachung einzustellen (wir berichteten). Die Aufsichtsbehörde erteilte Auflagen zu Zeitpunkt, Ort und Umfang der Videoüberwachung, die das Unternehmen nicht umsetzte. Die Folge war die Untersagung der Videoüberwachung, die – nachdem das Mediationsverfahren zu keiner gütlichen Streitbeilegung geführt hat – den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gebildet hat.

Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung

Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Untersagung der Aufsichtsbehörde aus formalen Gründen aufgehoben. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr bleibt weiterhin offen.

Grundsätzlich richtet sich die Zulässigkeit einer Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen nach § 6 b BDSG. Demnach muss sie unter anderem zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich sein. Schutzwürdige Interessen der Berechtigten – konkret der Fahrgäste und Mitarbeiter – dürfen nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Regelungen ähnlichen Inhalts finden sich auch in den Landesdatenschutzgesetzen. Der Düsseldorfer Kreis hat eine Orientierungshilfe zur Videoüberwachung in öffentlichen Verkehrsmitteln herausgegeben. Auch danach bedeutet die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung eine Abwägung der Interessen des Überwachenden und dem von der Überwachung Betroffenen. Maßstab der Bewertung ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht als besondere Ausprägung des Persönlichkeitsrechts auf der einen und der Schutz des Eigentums oder der körperlichen Unversehrtheit auf der anderen Seite. Dabei sind die Gesamtumstände jedes Einzelfalls maßgeblich. Soweit die Videoaufnahmen nicht nur auf einen Monitor übertragen, sondern auch aufgezeichnet werden sollen, sei eine diesbezügliche Abwägung mit den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen erneut vorzunehmen.

Die Verkehrsbetriebe haben mit Vandalismus und Sachbeschädigung zu kämpfen. Außerdem werden Straftaten den Fahrgästen gegenüber verübt. Mit der Videoüberwachung versuchen sie, die Taten aufzuklären und den Fahrgästen mehr Sicherheit zu bieten. Auch bei der üstra sind dies die Gründe für die Videoüberwachung. Um den schutzwürdigen Interessen der von der Videoüberwachung Betroffenen Rechnung zu tragen, werden die Aufnahmen in einer Blackbox gespeichert und nach 24 Stunden automatisch überschrieben. Andererseits ist die Mehrzahl der Fahrgäste auf die Verkehrsbetriebe angewiesen. Straftaten begehen dabei nur sehr wenige. Eine flächendeckende Videoüberwachung ohne eine Unterscheidung nach Zeit oder Ort bedeutet nicht nur Sicherheit, sondern auch einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Aufgrund der Kameraeinstellung und räumlichen Gegebenheit von Bahnen und Bussen ist es nahezu unmöglich, der permanenten Videoüberwachung auszuweichen.

Eine Unterscheidung bei dem Videoeinsatz zwischen Orten, die als Kriminalitätsbrennpunkte gelten, und solchen, die zum Beispiel außerhalb des Stadtzentrums liegen, wäre eine Möglichkeit, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Ähnliches fordert der Düsseldorfer Kreis in seiner Orientierungshilfe. Voraussetzung für eine zulässige Videoüberwachung ist danach, dass eine Gefahrenlage schlüssig dargelegt werden kann bzw. dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit Straftaten zu rechnen ist.

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr sollte daher regelmäßig die von dem Düsseldorfer Kreis zu diesem Thema erstellte Orientierungshilfe herangezogen werden. Das gilt auch für öffentliche Stellen, auf die noch Landesdatenschutzgesetze Anwendung finden und die eine Untersagung seitens der Aufsichtsbehörde bei Datenschutzverstößen nicht vorsehen. Die Datenschutz-Grundverordnung wird die Landesdatenschutzgesetze in weiten Teilen voraussichtlich obsolet machen. Darüber hinaus sieht sie weitreichende Befugnisse der Aufsichtsbehörde vor, die auch ein Verbot der Datenverarbeitung umfassen.