Im Rahmen der Doping-Bekämpfung müssen Leistungssportler mittels ADAMS (Anti-Doping Administration & Management System), einer Software der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), online oder per App täglich ihren Aufenthaltsort im Vorfeld bekannt geben, um für unangekündigte Dopingkontrollen lokalisierbar zu sein. Neben datenschutzrechtlichen Implikationen mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht der Sportler bringt das derzeitige System der WADA, auf das auch die Nationale Anti-Dopingagentur (NADA) zurückgreift, erhebliche Einschränkung der Spontanität für die Athleten mit sich.

Gesundheitsdaten von Athleten im Internet

Die Schwachstellen des Systems wurden offenbar, als im September vergangenen Jahres russische Hacker das System der Anti-Doping Agentur angegriffen und medizinische Informationen von Athleten veröffentlicht hatten. Sportler dürfen Medikamente einnehmen, die auf der Dopingliste stehen, wenn sie dafür eine spezielle Erlaubnis haben. So wurden u.a. Daten der US-amerikanischen Turn-Olympiasiegerin Simone Biles veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass sie ein gelistetes Medikament eingenommen hatte. Um den Dopingvorwürfen, mit denen sie sich konfrontiert sah, zu begegnen, machte Biles in einem Tweet öffentlich, dass sie an ADHS leidet und daher das Medikament einnimmt.

Neues System EVES – Projekt PARADISE

Auf der diesjährigen Nationalen IT-Sicherheitskonferenz in Berlin stellten TU-Forscher ein gemeinsam mit Jonas Plass, 400m-Läufer und Olympiateilnehmer, ein unter dem Projektnamen PARADISE entwickeltes neues System vor, das mittels eines mit einem GPS- Sender ausgestatteten Transponders („EVES“), der an der Kleidung getragen wird, Athleten und Kontrolleure zusammenbringen soll, ohne dabei Bewegungsprofile zu erstellen. Ziel des Projekts ist es, die Privatsphäre der Sportler besser zu schützen und gegenüber dem jetzigen Verfahren eine einfachere Handhabung zu bieten.

Totale Überwachung durch ADAMS?

Durch die im bisherigen System ADAMS hinterlegten detaillierten Angaben zu Aufenthaltsorten und -zeiten (sog. Whereabouts) fühlen sich viele Sportler indirekt beobachtet, zumal sie nicht nachvollziehen können, wer wann auf welche Daten zugreift. Zudem steht die Sicherheit der Datenbank, auf der sich auch sensible medizinische Daten befinden, spätestens seit dem Hacker-Angriff, in Folge dessen Sportler ihre Gesundheitsdaten im Internet wiederfanden, in Frage. Schließlich verlangt das System für einen Zeitraum von drei Monaten vor einem Wettkampf die tägliche Angabe von Ort und Uhrzeit, an dem der Athlet für eine eventuelle Dopingkontrolle angetroffen werden kann. Dabei kann es für die Athleten weitreichende Folgen haben, wenn etwa Änderungen des Aufenthaltsortes nicht rechtzeitig vermerkt werden, denn ein dreimaliges Nichtantreffen des Athleten am angegeben Ort zieht eine Wettkampfsperre nach sich.

Punktgenaue Ortung – die Zukunft der Doping-Kontrollen?

Bei PARADISE soll nur der mit der Durchführung der Doping-Kontrolle beauftragte Kontrolleur die Standortdaten abfragen können. Ist der Kontrolleur weit vom Aufenthaltsort des Athleten entfernt, wird ihm nur der grobe Standort angezeigt; erst wenn die Entfernung weniger als 4 Km beträgt, erhält er bei einer erneuten Abfrage die genauen Standortdaten.

Ein GPS-Sender birgt allerdings Risiken. Schnell kommt der Gedanke an die ebenfalls mit GPS-Technologie ausgestattete elektronische Fußfessel auf – eine permanente Überwachung, auch in Bereichen, in denen man lieber ungestört sein möchte, wünscht sich wohl niemand. Um der permanenten Überwachung zu entkommen, soll das Paradise-System geschützte Bereiche bieten, sog. Geofences, so Plass. Kirchen, Friedhöfe und Krankenhäuser sollen beispielsweise von vornherein ausgenommen sein; daneben können die Sportler auch selbst Geofences bzw. Privacy Areas einrichten. Dies bietet zwar einen besseren Schutz des persönlichen Lebensbereichs; es kommen aber Zweifel auf, ob das Einrichten privater Orte nicht denjenigen, die Dopingmittel nehmen, Rückzugsmöglichkeiten bietet.

Rechtliche Einordnung der Doping-Kontrollen

Die Meldeauflagen zur Dopingbekämpfung führen nach Ansicht des baden-württembergischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, Dr. Stefan Brink, zu nicht hinnehmbaren Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Sportler. Durch das System ADAMS erhalte die Nationale Anti-Doping Agentur Einblicke in die Privatsphäre der Sportler, die selbst staatlichen Strafverfolgungsbehörden nicht gestattet sei.

In der Tat stellt sich die Frage nach der Rechtsgrundlage für die Erhebung und Verarbeitung der persönlichen Daten, einschließlich der Gesundheitsdaten, der Sportler.

Einwilligung der Athleten?

Nach Auffassung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist die mit dem Doping-Kontrollsystem einhergehende Datenverarbeitung durch die Einwilligung der Athleten gedeckt; denn die Teilnahme am Leistungssport erfolge freiwillig und die Kontrollen seien als Wettbewerbsregeln zu betrachten, denen sich die Athleten unterwerfen.

An der Freiwilligkeit der Einwilligung zur Teilnahme am Meldesystem ADAMS als Teil des Doping-Kontrollsystems bestehen aus rechtlicher Sicht erhebliche Zweifel. Nach § 4a Abs. 1 BDSG ist eine Einwilligung nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Freiwilligkeit wird im Datenschutzrecht oft definiert als die Abwesenheit von Zwang.

Selbstverständlich haben professionelle Athleten ihren Beruf – sowie die meisten Menschen – freiwillig gewählt. Daraus ein Einverständnis in alle damit zusammenhängenden und sehr weitreichenden Kontrollmechanismen konstruieren zu wollen, ist schon sehr weit hergeholt. Eine Weigerung, an dem Meldeverfahren teilzunehmen, führt zu einem Ausschluss von Wettkämpfen und kommt damit einem Berufsverbot gleich.

Fehlende Transparenz

Da nicht nachvollziehbar ist, wie die Zugriffsrechte in ADAMS ausgestaltet sind, wer also unter welchen Voraussetzungen auf die Daten der Sportler zugreifen kann und ob etwa der Kontrolleur stets Einblick in alle Daten, also auch die Gesundheitsdaten hat, ist ferner das datenschutzrechtliche Transparenzgebot nicht gewahrt.

Schließlich darf der Gruppendruck, dem die Athleten ausgesetzt sind und der dazu führt, dass sie auf ihre Rechte verzichten, nicht unterschätzt werden. In der grundsätzlich notwendigen Dopingbekämpfung werden die Rechte und Freiheiten der Sportler derzeit unverhältnismäßig eingeschränkt, so dass ein neues, mehr Rechtssicherheit und Persönlichkeitsschutz bietendes System zu begrüßen wäre.