Das Emirat Dubai hat es sich zum Ziel gesetzt, bis ins Jahre 2020 die „glücklichste“ Stadt der Welt wie auch einer der modernsten Orte auf dem Planeten zu werden. Neben riesigen Hochhäusern aus Glas und Einkaufszentren, die beispielsweise ein Eishockey-Feld und ein mehrstöckiges Aquarium beherbergen, befindet sich die Infrastruktur im stetigen Ausbau. Die im Jahre 2009 eröffnete fahrerlose und durch die halbe Stadt führende Magnetschwebebahn war nur der Anfang. Digitale Informationssysteme und Online-Plattformen der Behörden nehmen zu. So können Strafzettel über eine elektronische Webseite des zuständigen „Straßen- und Transportamt“ (RTA) online per Kreditkarte bezahlt werden. Mittlerweile ist Dubai auf dem besten Wege zur Smart City.
Dubai wird nach und nach mit neuesten Videoüberwachungsanlagen ausgestattet sowie seit kurzem auch mit autonomen Fahrzeugen der Einsatzkräfte, Drohnen und einem „Polizei-Roboter“. In Vorbereitung auf die Weltausstellung der Expo 2020 bekommt die Polizei von Dubai nach Maßgabe des Brigadegenerals Khalid Nasser al-Razzouq eine „smart“ weiterentwickelte Technologie zur Strafverfolgung wie auch zur Überwachung der Öffentlichkeit. Die drohende Totalüberwachung wird mit dem wachsenden Sicherheitsbedürfnis der Anwohner und Gäste begründet. Bestätigt wird dieses Bedürfnis in den Großstädten der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) durch starke Präsenz von Wachpersonal und Polizeikräften.
Der autonome Streifenwagen soll nach Medienberichten mit hochauflösenden optischen Kameras, die unter anderem Gesichter und Nummernschilder scannen, sowie mit Laserdetektoren, Geschwindigkeitsmessgeräten, Ultraschal-Sensoren, Bewegungsmeldern und Wärmebildkameras ausgestattet sein. Bei Stau oder einer Verfolgungsjagd werden angedockte Drohnen gestartet.
Die einem Menschen nachgebildeten „Robocops“ verfügen über ein integriertes Mikrofon und eine Spracherkennungssoftware zur Kommunikation in englischer und arabischer Sprache mit nahestehenden Passanten. Weitere Sprachen sollen folgen. Diese patrouillieren in den Straßen der Stadt an öffentlichen Plätzen.
Die Videokameras übertragen das Bild in das Polizeizentrum nicht nur in Echtzeit, sondern sind mit Gesichtserkennungssoftware und auf der „Künstlichen Intelligenz“ basierenden Anwendungen wie z.B. von Google und IBM Watson verknüpft. Dies erlaubt automatisierte Aufnahmen der biometrischen Daten von Gesicht bzw. Iris und den Abgleich mit Personendatenbanken im Live-Betrieb. Ebenso werden Bewegungsmuster und Verhaltensmuster erstellt und analysiert, was durch die nahezu flächendeckende Installation der Videosysteme begünstigt wird. Ein Verdächtiger kann so auf den Straßen verfolgt werden.
Was am Berliner Südkreuz Bahnhof derzeit von der Bundespolizei bei einem 6-monatigen Pilotprojekt zur intelligenten Videoüberwachung in beschränkten Rahmen und mit umfassenden Hinweisschildern auf die Überwachungsanlage getestet wird, ist in Dubai mittlerweile Alltag. Nur erfolgt dies quasi ohne Anlass, ohne Hinweisschilder und ohne eine vorangegangene rechtliche Überprüfung. Regelungen zur Aufbewahrungsdauer der Video-/Bilddatenbank und Zugriffsbeschränkungen innerhalb des Systems sind nicht ersichtlich. Die Risiken der intelligenten Videoüberwachung durch biometrische Gesichtserkennung und Verhaltensanalyse werden vielmehr gerade in Kauf genommen. Im Zweifel würden ohnehin die staatlichen Maßnahmen zur Sicherheit den Rechten des Einzelnen vorgehen.
Datenschutz in den Emiraten und in Dubai?
Trotz aller Internationalisierung und der Veranstaltung von Großereignissen, wie man es in Europa oder den USA kennt, wird dem Datenschutz in den Emiraten eher eine geringere Bedeutung beigemessen. So existieren zwar einige Gesetze zum Umgang mit personenbezogenen Daten.
In der Verfassung der Vereinigten Arabischen Emirate von 1971 heißt es in Art. 26
“Personal liberty is guaranteed to all citizens. No person may be arrested, searched, detained or imprisoned except in accordance with the provisions of law. No person shall be subjected to torture or to degrading treatment.”
Und Art 31 der Verfassung konstituiert:
„Freedom of communication by means of the posts, telegraph or other means of communication and their secrecy shall be guaranteed in accordance with the law.”
Weitere Spezialgesetze wie z.B. zum Telekommunikationsrecht oder zur Cyberkriminalität konkretisieren diese verfassungsrechtlichen Grundformeln. Zudem gibt es die „Consumer Protection Regulations“ (Version 1.3) vom 10. Januar 2017, welche die Vertragsbeziehung zwischen dem Kunden und den staatlichen Dienstleistungen des Telekommunikationssektors sowie die Dienstleistungen von Werbung bis zur Aktivierung/Deaktivierung des Anschlusses reglementieren.
Doch ein explizites Datenschutzrecht, das die personenbezogenen Daten vor Eingriffen des Staates oder sonstigen Institutionen in den Vereinigten Arabischen Emiraten schützt, ist nicht ersichtlich. Es existiert auch kein „(Bundes-)Datenschutzbeauftragter“ oder eine entsprechende Datenschutzbehörde in den VAE im klassischen Sinne.
Vergleichbare Strukturen bietet nur eine überschaubare „Wirtschaftszone“ des Dubai International Financial Centre (DIFC), die dort ansässige Banken, Versicherungen und sonstigen Gewerbe im Zentrum der Weltmetropole umfasst und einer (zivilrechtlichen) Selbstverwaltung unterwirft. In diesem Gebäudekomplex befinden sich 2 Luxushotels, mehrere Shops und einige Banken und Firmen. Das seit 2007 geltende Data Protection Law vom DFIC erinnert sogar zum Teil an europäische Vorschriften und baut auf internationale Standards und Definitionen der personenbezogenen Daten und Verarbeitung auf. So wird beispielsweise in Art. 8 des Data Protection Law vom DIFC die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach Recht und Gesetz (und Treu und Glauben), wie auch ein Zweckbindungsgrundsatz, die Datenrichtigkeit und Datensparsamkeit normiert. Und Art. 9 (a) besagt, dass eine Einwilligung schriftlich zu erteilen ist. Gleichwohl sind auch hier – durch die Religion und Staatsform bedingte – Abwägungen mit „höherrangigem Interesse“ enthalten.
„Processing is necessary for the purposes of the legitimate interests pursued by the Data Controller or by the Third Party or parties to whom the Personal Data is disclosed, except where such interests are overridden by compelling legitimate interests of the Data Subject relating to the Data Subject’s particular situation.” (Art. 9 (e) Data Protection Law vom DIFC).
Doch selbst dieses an europäische und angelsächsische Regelungen anlehnende Gesetz zum Datenschutz findet nur im besagten Finanzdistrikt, der einen überschaubaren Teil Dubais ausmacht, Anwendung. Und selbst hier sind durch mehrere Öffnungsklauseln wiederum Ermächtigungsgrundlagen und Ausnahmen durch höheres Recht der Verfassung, der Bundes-/Emiratsgesetze und der Gerichte gegeben.
Die Konsequenz: Mangels konkreter Rechtsvorschrift findet eine Überprüfung der datenschutzrechtlich bedenklichen Systeme zur Überwachung in der Öffentlichkeit und auf den Straßen von Dubai praktisch nicht statt. Über die Erforderlichkeit bzw. Angemessenheit dieser Überwachungssysteme in einem arabischen Land, in welchem undurchschaubare bzw. harte Strafen gelten, die reichen Emiratis mit der Kreditkarte alle Probleme aus der Welt schaffen und die staatliche Kontrolle an oberster Stelle stehen, kann ohnehin diskutiert werden. Und inwieweit Betroffenenrechte überhaupt möglich und gegenüber staatlichen Organe durchsetzbar sind, steht auf einem anderen Blatt. Ansprüche auf Berichtigung, Sperrung und Löschung der jeweils sektorspezifischen Datenerhebung und Verarbeitung sind nicht ersichtlich.
Dies ist gewiss kein Zufall, sondern dürfte dem mangelnden Verständnis der Rechtsposition des Einzelnen gegenüber Staat und staatlichen Institutionen sowie staatlichen Unternehmen in vielen Sektoren sein. Der Einwohner oder Gast hat sich diesem zu unterwerfen. Der Datenschutz hat es vor diesem Hintergrund noch nicht einmal auf die Tagesordnung der Gesetzgebung geschafft.