Nachdem in letzter Zeit viel über den Impfstatus von Profi-Fußballern diskutiert wurde (wir berichteten), ist ein weiteres (datenschutzrechtliches) Fußball-Thema, das nicht die Spieler, sondern die Fans von Vereinen betrifft, leider aus dem Fokus gerückt.

EASy GS – Bayern sammelt eigenmächtig Fandaten

Im August berichtete das bekannte Sportmagazin „Kicker“ über eine Datenbank des Bayerischen Landeskriminalamts mit den Namen „EASy Gewalt und Sport“ („EASy GS“), in der seit Januar 2020 personenbezogene Daten von Fußball-Fans gesammelt und ausgewertet werden. Betroffen seien davon (Stand 15. Juni 2021) 1.644 Fans, wobei es sich bei den meisten um Anhänger des 1. FC Nürnberg (556 Personen), von 1860 München (407 Personen) und des FC Bayern München (248 Personen) handele. Die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die bayerische Datenbank – die parallel zur bundesweiten und lediglich ca. 500 Personen umfassenden Datei „Gewalttäter Sport“ („DGS“) bestehe – seien niedrig. Darüber hinaus komme es zu keiner Information der betroffenen Fans über die Aufnahme in „EASy GS“, wo ihre Daten bis zu zehn Jahre lang gespeichert liegen könnten.

Ans Licht traten diese Informationen durch eine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Katharina Schulze und Maximilian Deisenhofer an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. Zweck der Datei „EASy GS“ ist demnach „die Sammlung, Auswertung, Zusammenführung und Bearbeitung bereits polizeilich vorhandener relevanter personenbezogener Erkenntnisse zur Unterstützung polizeilicher Aufgaben im Zusammenhang mit Störungen im Phänomenbereich Sport“. Als Störungsarten, um die es dabei gehe, wurden bspw. Gewalttaten oder die Unterstützung gewaltbereiter Gruppierungen genannt; allerdings auch Graffitis, Schmierschriften, das Anbringen von Aufklebern, Verstöße gegen in Stadionsatzungen bestehenden Verboten (wie das Besteigen von Zäunen) oder Beleidigungen. Die Entscheidung zur Speicherung erfolge dabei anhand einer sogenannten Individualprognose, statt auf Grundlage eines einzelnen, relevanten Sachverhalts. Dies könnte letzten Endes so verstanden werden, dass bereits der Verdacht auf eine der geschilderten Aktivitäten zur Aufnahme in die Datenbank genügen kann.

Was wird gespeichert?

Führt die Individualprognose zu dem Ergebnis, dass es zu einer Datenspeicherung kommen soll, werden dabei laut Antwort des Bayerischen Innenministeriums in der Kategorie „Personendaten“ der Name, das Geschlecht, das Geburtsdatum und der Geburtsort, die Staatsangehörigkeit, der Beruf sowie Beschreibungsmerkmale des äußeren Erscheinungsbilds einer Person festgehalten. Darüber hinaus könne es jedoch auch – sofern die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien – zu einer Erfassung von Aufenthaltsorten kommen (z. B. Sportveranstaltungsbesuche), welche jedoch stets im Einzelfall begründet werden müsse. Des Weiteren könne auch die Zugehörigkeit zu einer Fangruppe in „EASy GS“ gespeichert werden.

Rechtsgrundlage der Speicherung?

Da gemäß der DSGVO jede Verarbeitung einer Rechtsgrundlage bedarf (Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 DSGVO) stellt sich an dieser Stelle die Frage, wie die bayerische Polizei die Speicherung der genannten Daten rechtfertigt. Zu beachten ist an dieser Stelle jedoch, dass nach Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten „zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ durch die dafür zuständigen Behörden nicht vom Anwendungsbereich der DSGVO umfasst wird. Diesbezügliche Regelungen finden sich hingegen in der weitaus weniger prominenten Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz (RLDSJ), die nicht unmittelbar gilt, sondern durch die EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen ist. In Bayern erfolgte dies durch das Bayerische Datenschutzgesetz (BayDSG) (vgl. Art. 1, Art. 2, Art. 28 ff. BayDSG), welches allerdings vorsieht, dass – wenn spezielle datenschutzrechtliche Rechtsvorschriften zu einem Sachverhalt bestehen – diese den Vorschriften aus dem Bayerischen Datenschutzgesetz vorgehen (Art. 1 Abs. 5 BayDSG). Die rechtliche Grundlage für die Errichtung von „EASy GS“ findet sich deshalb im „Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei“ („Polizeiaufgabengesetz“, PAG). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration nennt hier Art. 2, 64 PAG i.V.m. § 483 Abs. 3 StPO, welche Speicherungen in Dateisystemen beruhend auf einer Errichtungsanordnung legitimieren können.

Dauer der Speicherung?

Auch zum Thema Datenlöschung äußerte sich das Ministerium mit entsprechenden Rechtsgrundlagen. So erfolge eine Löschung „in jedem Fall dann unverzüglich, wenn der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht entfällt (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG), d. h. wenn aus einer der Polizei bekannten Entscheidung der Justiz eindeutig hervorgeht, dass im Verfahren über den Beschuldigten jeglicher Tatverdacht ausgeräumt worden ist“. Sofern der Tatverdacht nicht vollständig ausgeräumt sei, z. B. im Falle von Verfahrenseinstellungen, werde die weitere Speicherung von der Polizei im Einzelfall geprüft. Auch komme es zu einer Löschung von Amts wegen (Art. 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Alt. 2 PAG) bei einer Feststellung im Einzelfall, dass Kenntnis über die Daten für die Aufgabenerfüllung der Polizei nicht mehr erforderlich sei. Zudem gebe es turnusmäßig Qualitätskontrollen des Datenbestands, bei denen auch eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Datenspeicherung erginge. Dennoch sind den Angaben des Ministeriums zufolge (Stand 15. Juni 2021) Daten von 604 Personen mit einer festgelegten Speicherprüffrist von zehn Jahren gespeichert.

„EASy GS“ – Kritik von allen Seiten

Katharina Schulze (Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag), die die Anfrage gemeinsam mit Maximilian Deisenhofer (Grünen-Landtagsabgeordneter) stellte, kritisiert bereits die reine Existenz von „EASy GS“ sowie den Umfang der Datei auf ihrem Internetauftritt scharf. Es sei unverständlich, dass neben der bereits umstrittenen bundesweiten Datei „Gewalttäter Sport“ noch eine weitere Datei der Bayerischen Polizei bestehe, die darüber hinaus noch Daten von dreimal so vielen Personen umfasse. In der Anfrage, die nun zu „EASy GS“ vorliegt, wird deren Bestehen zusätzlich zur bundesweiten Datenbank damit begründet, dass beide Datenbanken verschiedene Zwecke verfolgten. Anders als die Datei „Gewalttäter Sport“, mit der Anhaltspunkte für mögliche Eingriffsmaßnahmen sowie Erkenntnisse für taktisch-operative Maßnahme zusammenhängend mit gewaltbereiten Personen bei Sportveranstaltungen zu gewinnen seien, diene „EASy GS“ einer „Gewinnung von personenbezogenen Erkenntnissen über Zusammenhänge und Verbindungen zwischen den Angehörigen gewaltbereiter Szenen im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen“. Nichtsdestotrotz stellt sich natürlich die Frage nach der Erforderlichkeit der Speicherung sowie der Datenmenge und Speicherdauer, zumal Schulze eine seit Jahren zurückgehende Zahl an Delikten und Ordnungswidrigkeiten bei Fußballspielen in Bayern anspricht.

Ein weiterer Aspekt, den die Fraktionsvorsitzende stark moniert, ist, dass bei den Betroffenen bislang weder ein Wissen über die Existenz der Datei bestand, noch ein Wissen darüber, dass die eigenen Daten darin gespeichert seien. Das Staatsministerium verweist im Hinblick auf diesen Umstand auf eine Reihe von Normen zur Benachrichtigung von Betroffenen (§ 101 Abs. 4, 5, 6, 7 StPO, Art. 50 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2-5 PAG), welche Ausnahmen von Benachrichtigungsverpflichtungen beinhalten, sowie auf die allgemeinen Informationspflichten der Bayerischen Polizei (Art. 31 Abs. 3 S. 2 u. 3 PAG). Die mangelnde Transparenz der Datensammlung ist ein Umstand, der bereits bei der bundesweiten Datei „Gewalttäter Sport“ in den Fokus der Kritik gerückt ist. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (LfDI Rheinland-Pfalz) forderte deshalb bereits öffentlich eine Neuausrichtung und proaktive Benachrichtigung der darin gespeicherten Personen in allen Bundesländern. Im Hinblick auf die bayerische Datenbank „EASy GS“ steht der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz (BayLfD) nach Medienberichten schon seit Längerem im kritischen Austausch mit dem zuständigen Ministerium und habe sich diesem gegenüber für eine Benachrichtigungspflicht gegenüber den von der Speicherung Betroffenen ausgesprochen. Momentan haben betroffenen Personen lediglich die Möglichkeit durch einen proaktiven Auskunftsanspruch – für die Bayerische Polizei in Art. 65 PAG geregelt – von ihrer Aufnahme in die Datei zu erfahren.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, inwiefern es zu einer Änderung der beschriebenen Situation kommen wird oder ob in Bayern weiterhin im Stillen Daten verdächtiger Fans gesammelt werden und damit ungeahnt ein Eingriff in deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) stattfindet. Es wäre zu begrüßen, wenn dieses Thema und die Rechte der betroffenen Fans nicht in Vergessenheit geraten würden.

Wir werden Sie in unserem Blog über aktuelle Entwicklungen im Fall „EASy GS“ auf dem Laufenden halten.