Alle Hersteller von Neuwagen in Form von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen sind ab dem 31. März 2018 verpflichtet, ihre Fahrzeuge mit dem neuen eCall-System auszurüsten. Bei eCall handelt es sich um ein von der Europäischen Union geplantes, EU-weites Notrufsystem:

Rumst es, wird über das Mobilfunknetz an die eCall-Notrufabfragestelle der sog. Mindestdatensatz (MSD) übermittelt. Dieser besteht im Wesentlichen aus der Fahrzeugidentifikationsnummer, dem Unfallzeitpunkt, dem Standort des Fahrzeugs, der Anzahl der Mitfahrer und der Fahrtrichtung des verunfallten Wagens.

Der Notruf kann entweder automatisch durch eingebaute Sensoren im Auto oder manuell ausgelöst werden.

eCall grundsätzlich sinnvoll

eCall soll jährlich hunderte Menschenleben retten, da es durch die sekundenschnelle Information der Rettungskräfte zu einer deutlich verringerten Reaktionszeit führt und sich die Helfer aufgrund der übermittelten Daten gezielter auf das Unfallszenario vorbereiten können. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Rettungskräfte über das eCall-System auch informiert werden, wenn die Fahrzeuginsassen aufgrund des Unfalls nicht mehr in der Lage sind, selbsttätig einen Notruf abzusetzen.

Gegen das eigentliche eCall-System ist aus datenschutzrechtlicher Sicht wenig einzuwenden. In dem Verordnungsentwurf, der dem System zugrunde liegt, ist festgelegt, dass der personenbezogene Mindestdatensatz erst übermittelt werden darf, wenn konkrete Hinweise auf einen Unfall vorliegen. Damit ist ein permanentes Tracking des Fahrzeugs grundsätzlich ausgeschlossen bzw. nicht bezweckt. Ferner ist in dem Entwurf eine Datenschutzklausel vorgesehen, die die Konformität des Systems mit der RL 95/46/EG und 2002/58/EG sicherstellt.

Gefahr durch die Hintertür?

Schaut man sich den Text des Verordnungsentwurfes und die Erwägungsgründe jedoch genauer an, stößt man auf die Worte „Bereitstellung eines Drittanbieter eCall und/oder anderer Dienste mit Zusatznutzen“. In den Erwägungsgründen beispielsweise heißt es, dass „die obligatorische Ausrüstung von Fahrzeugen mit dem auf dem 112-Notruf basierenden bordeigenen eCall-System das Recht aller Interessenträger, zum Beispiel Fahrzeughersteller oder unabhängiger Anbieter, unberührt lassen sollte, zusätzliche Notfalldienste und/ oder Dienste mit Zusatznutzen parallel zu oder aufbauend auf dem bordeigenen eCall-System anzubieten.“

Zwar legt der Verordnungsentwurf u.a. fest, dass die Übermittlung von Daten über einen Drittanbieter eCall und/ oder andere Dienste mit Zusatznutzen von der ausdrücklichen Einwilligung des Eigentümers abhängig ist und im Einklang mit der Richtlinie 95/46/EG stehen müsse. Dennoch sind an dieser Stelle datenschutzrechtliche Bedenken angebracht:

Über die Dienste mit Zusatznutzen könnten beispielsweise Autoversicherungen Daten über das Fahrverhalten des Fahrers sammeln. Nach der Auswertung der Daten könnten die Versicherer ihre Tarife entsprechend anpassen. Gibt ein Autofahrer nun nicht seine Einwilligung in die Übermittlung der Daten über sein Fahrverhalten, könnte er automatisch mit einem teureren Versicherungstarif „bestraft“ werden.

Fraglich ist ferner, wie eine Einwilligungslösung rechtssicher gestaltet werden soll? Ein hervorgehobener Text in den Allgemeinen Geschäfts- oder Nutzungsbedingungen wird insofern wohl nicht ausreichend sein – obwohl diese Form der Einwilligungseinholung in der Praxis immer häufiger zu finden ist. Gerade in Fahrzeugen, die von verschiedenen Fahrern genutzt werden, müsste gewährleistet sein, dass jeder Fahrer sein individuelles Level an Privatsphäre steuern kann. Ist es vor Fahrtantritt zukünftig jedes Mal notwendig festzulegen, welche Daten übermittelt werden dürfen und welche nicht? Oder können in Zukunft gar auf dem elektronischen Fahrzeugschlüssel die eigenen  Privatsphäreeinstellungen gespeichert werden? Wie stark sind eigentlich die Persönlichkeitsrechte von Mitfahrern betroffen?

Mögliche Schattenseiten des Systems

Natürlich ist es sinnvoll und hilfreich, wenn über die Dienste mit Zusatznutzen das Auto bei einer Panne automatisch die nächste Werkstatt kontaktiert, wenn das Auto aus der Ferne abgeschlossen werden kann oder eine dynamische Navigation anbietet, die sich unmittelbar an die aktuellen Straßenverhältnisse anpasst. Dennoch dürfen die Risiken der Informationstechnologie im Auto nicht außer Acht gelassen werden: Die Auswertung von Bewegungsdaten des eigenen Wagens könnte dazu führen, dass dem Fahrer die Schuld an einem Unfall nachgewiesen wird. Dies würde ein Verstoß gegen den Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, darstellen. Fraglich ist auch, wie manipulativ die Zusatzdienste eingesetzt werden: Findet das Fahrzeug zukünftig tatsächlich die nächste Werkstatt oder weist es allein den Weg zu Partnerwerkstätten des Herstellers auf? Interessant werden auch die Diskussionen, wenn die ersten Sicherheitsbehörden Zugriff auf bestimmte Dienste nehmen wollen.