Auf unserem Blog beschäftigen wir uns häufiger mit Formen der Überwachung und der Frage, was datenschutzrechtlich zu vertreten ist und wo die Grenzen liegen. Mal geht es um die Vorratsdatenspeicherung, dann um die neuen Angebote auf dem Gebiet der Kranken– und Kfz-Versicherungen. Auch Social Media spielt immer eine Rolle. Da fällt einem natürlich Facebook ein, aber auch die neuen Datenschutzbestimmungen von Spotify sind uns einen Artikel wert. Durchaus seltener geht es um die Belange und Besonderheiten von Kindern. Was ein wenig in der Natur der Sache liegt, denn hier werden ja eher Themen aufgegriffen, die für Unternehmen, Beschäftigte und datenschutzrechtlich Interessierte relevant sind.
Heute wollen wir uns aber dennoch einmal mit der Überwachung von Kindern beschäftigen. Sie haben keine? Lesen Sie trotzdem weiter, denn es geht auch Sie etwas an! Bei der Recherche zu diesem Artikel habe ich nämlich schnell gemerkt, dass es hierbei eigentlich um die Frage geht, wie wir unsere Gesellschaft in der Zukunft sehen und welche Werte die „lieben Kleinen“ von uns vermittelt bekommen und zu was das führen kann.
Überwachung nur zum Wohle von … wem eigentlich?
Überwachung, dieses Wort ist grundsätzlich negativ besetzt. Die Industrie spricht gerne von Kontrolle oder Risikoabwehr. Ich bleibe aber bei dem Wort Überwachung. Diese fängt nicht erst im Säuglingsalter an, wo es Fläschchen gibt, die blinken, wenn das Baby zu schnell trinkt. Es könnte ja zu viel Luft schlucken und dann, ach je, Bauchschmerzen haben. Oder der Schlaf der Babys wird über Sensoren überwacht und die neuen Babyphones haben sowieso fast alle eine Kamerafunktion, damit die Eltern ihren Sprössling auch ja immer im Blick haben. Neu für mich war eine Art Pflaster, das rund um die Uhr die Körpertemperatur misst und auf das Smartphone der Eltern überträgt. Natürlich mit Warnung, wenn sich diese verändert. Die Aufzählung solcher Apps und Hilfsmittel könnte seitenweise fortgeführt werden. Aber die Überwachung fängt bereits im Mutterleib an. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, als Mutter bin ich nicht gegen Ultraschall und pränatale Diagnostik. Ich möchte nur aufzeigen, dass bereits hier überwacht wird. Kommen die Kinder dann ins Schulalter, geht es weiter. Der Absatz von Ortungssoftware für Eltern nimmt stetig zu. Über Apps wie z.B. „Little Nanny“ oder „Footprints“ können Eltern den Bewegungsradius ihrer Kinder überwachen. Was von der Industrie als Versprechen für mehr Freiheit für Kinder angepriesen wird, bewirkt in der Realität das Gegenteil. Die Eltern wissen immer, wo sich die Kinder aufhalten, wie schnell sie sich von A nach B bewegen. Die nächste Stufe stellt die Uhr „Freedom4Kids“ dar, die nur mit einem Spezialwerkzeug vom Arm der Kinder entfernt werden kann. Die funktionale Ähnlichkeit zu elektronischen Fußfesseln ist frappierend. Die Privatsphäre der Kinder wird mit solchen, für sich sicherlich allesamt gutgemeinten, Gadgets verletzt.
Genug der Beispiele. Die Frage war, welche Auswirkungen das auf unsere Gesellschaft hat.
Werden derart überwachte Kinder so selbständig werden wie ihre Elterngeneration? Wie entwickeln sie Selbständigkeit, Freiheit und Werte wie Verantwortung? Eine weitere Frage schließt sich automatisch an: Werden Menschen, die schon von Kindesbeinen an an eine – wenn auch gutgemeinte – Form von Überwachung gewöhnt sind, unsensibel, ja abgestumpft gegenüber dem Entzug von Privatsphäre in einer Überwachungsgesellschaft (vgl. hier)?
Alles überzogen?
Gesellschaften verändern sich – und deren Werte auch. Das ist normal und per se nicht zwingend negativ. Im Kontext dieses Artikels sei aber an die Volkszählung vor 28 Jahren erinnert. Schaut man sich den damaligen Fragebogen heute einmal an, erscheinen die Fragen von damals nahezu harmlos. Da wurde nach dem Wohnort, dem höchsten Schulabschluss und nach der Arbeitsstelle gefragt. Soziale Medien verlangen bzw. verfügen heute über weitaus mehr Informationen über uns. Und trotzdem wird das heute relativ unkritisch hingenommen, wohingegen vor knapp 30 Jahren politisch wie juristisch heftig gekämpft wurde.
Anonymous
10. November 2015 @ 2:31
Problem ist doch wohl nur, wenn etwas, das für 6-jährige gedacht war gegen 14-jährige angewendet wird.
Eins scheint mir jedenfalls klar: Jugendliche werden sich gegen so etwas zur Wehr setzen. Und sei es durch nachträgliche Rache.