Das Sprichwort „Gelegenheit macht Diebe“ trifft vor allem im Einzelhandel zu. Die betroffenen Ladeninhaber versuchen dementsprechend, Dieben keine Möglichkeiten zu geben, um „lange Finger“ zu machen.
So wird oftmals das Kassenpersonal angewiesen, die Einkaufswägen dahingehend zu kontrollieren, ob der Kunde die Waren vollständig auf das Kassenband gelegt hat. Allerdings ist das – vor allem zu Stoßzeiten – nur schwer umsetzbar. Daher nutzen mittlerweile einige Läden eine sog. „Unterbodenkamera“. Doch wie bei jeder Videoüberwachung, muss auch hier der Datenschutz beachtet werden.
Der nachfolgende Blogbeitrag soll einen allgemeinen Überblick über den möglichen datenschutzkonformen Einsatz einer solchen Kamera geben.
Was ist eine Unterbodenkamera?
Mithilfe einer Unterbodenkamera kann das Kassenpersonal den Einkaufswagen eines Kunden dahingehend überprüfen, ob dieser alle im Einkaufswagen befindlichen Waren auf das Kassenband gelegt hat oder ob sich noch Ware im Einkaufswagen, genauer gesagt im Unterboden des Wagens, befindet. Die Überprüfung des Einkaufswagens erfolgt durch das Filmen bzw. Abfotografieren des Einkaufswagens. Das von der Kamera erzeugte Bild wird anschließend auf einem Bildschirm in Sichthöhe des Kassenpersonals angezeigt.
Vereinbarkeit mit dem Datenschutz
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, muss eine solche Videoüberwachung datenschutzkonform sein.
Anwendbarkeit der DSGVO
Zunächst ist zu klären, ob die DSGVO überhaupt Anwendung findet. Obwohl keine Personen direkt gefilmt werden, sondern nur der untere Bereich eines Einkaufswagens, kann der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO (Art. 2 Abs. 1 DSGVO) trotzdem eröffnet sein. Bei Unterbodenkameras kann aufgrund der Höhe des Aufnahmebereichs der Kameras nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Personen vollständig erfasst werden. Vor allem kleinwüchsige Personen, Kinder oder Rollstuhlfahrer bewegen sich auf Höhe der Kameras und werden durch diese vollständig erfasst.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet, wenn personenbezogene Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO verarbeitet werden. Laut Art. 4 Nr. 11 DSGVO sind personenbezogene Daten „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen […]“. Im Rahmen von Bildaufnahmen ist eine natürliche Person identifizierbar, wenn durch das daraus gewonnene Bildmaterial die Identifikation dieser Person ermöglicht wird (vgl. BeckOK DatenschutzR/Schild, 46. Ed. 1.11.2023, DS-GVO Art. 4 Rn. 14).
Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung
Wie aufmerksame Leser unserer Blogbeiträge wissen, bedarf jede Datenverarbeitung einer Rechtsgrundlage aus der DSGVO bzw. einem Spezialgesetz. Der Einsatz von Unterbodenkameras lässt sich auf das berechtigte Interesse des Einzelhändlers nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO stützen. Das berechtigte Interesse liegt darin, den Verlust von Waren durch das Einsehen der Einkaufswägen zu vermeiden und somit Langfingern keine Gelegenheit zu bieten.
Verhältnismäßigkeit
Zuletzt sollte die eingesetzte Kamera auch verhältnismäßig sein, d. h. der Einsatz einer Unterbodenkamera muss zur Erreichung des legitimen Zwecks (Vermeidung von Warenverlust) geeignet, erforderlich und angemessen sein. Die Verhältnismäßigkeit kann insgesamt nur anhand des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden. Nachfolgend wird nur ein kurzer Überblick gegeben, dass der Einsatz einer solchen Kamera verhältnismäßig sein kann:
Geeignetheit
Eine Unterbodenkamera kann geeignet sein, den oben beschriebenen Zweck zu erfüllen, da damit leichter versteckte Ware im Einkaufswagen gefunden werden kann.
Erforderlichkeit
Problematischer ist hingegen, ob der Einsatz solcher Kameras tatsächlich erforderlich ist. Eine Unterbodenkamera ist erforderlich, wenn zur Zweckerreichung kein milderes aber gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Weniger einschneidende Maßnahmen können z. B. ein Deckenspiegel oder ein kurzes Aufstehen des Kassenpersonals an der Kasse sein, um in den Einkaufswagen zu sehen. Ob die oben genannten Maßnahmen jedoch gleich wirksam sind – insbesondere bei Stoßzeiten mit hohem Kundenaufkommen – ist jedoch fraglich. Denn vor allem bei einer hohen Arbeitsauslastung wird ein zusätzlicher Kontrollblick in den Einkaufswagen oftmals vergessen.
Angemessenheit
Schließlich muss der Einsatz von Unterbodenkameras auch angemessen sein. Das ist allgemein der Fall, wenn die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen (Kunden) hinter den Interessen des jeweiligen Einzelhändlers zurücktreten. Die Aufnahme der Einkaufswägen und die damit verbundene Aufnahme der Kunden stellt einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen gemäß Art 2 Abs. 1 GG dar, sodass eine konkrete Abwägung aller Interessen im Einzelfall notwendig ist. Im Rahmen dieser Abwägung steht auf der einen Seite das berechtigte Interesse der verantwortlichen Stelle (Einzelhändler), auf der anderen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen (Kunden). Für die Interessen der betroffenen Personen spricht, dass aufgrund der Höhe der Kamera rechtlich sensible Daten erfasst werden. Vor allem können kleine Kinder vollumfänglich erfasst werden. Diese sind auch nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO besonders schutzwürdig. Dennoch können die Interessen der betroffenen Personen hinter dem wirtschaftlichen Interesse des Einzelhändlers an der Warensicherung zurücktreten. Insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel besteht ein gesteigertes Interesse an einer Warensicherung.
Fazit und allgemeine Hinweise zum DSGVO-konformen Einsatz
Wie der Beitrag zeigt, ist der Einsatz einer solchen Unterbodenkamera aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht gänzlich ausgeschlossen. Jedoch sollten – wie bei jeder Videoüberwachung – stets die datenschutzrechtlichen Grundsätze beachtet und nicht leichtfertig eine solche Kamera angebracht werden. Es hängt zudem immer vom Einzelfall ab, ob die jeweiligen Kameras mit den Grundsätzen der DSGVO vereinbar sind. Zusammenfassend sollte eine solche Unterbodenkamera nur angebracht werden, wenn die folgenden beschriebenen Maßnahmen auch umgesetzt werden können:
- Es sollte sorgfältig geprüft werden, ob der Einsatz einer solchen Kamera überhaupt erforderlich ist oder ob die bereits bestehende Videoüberwachung ausreicht.
- Die Aufnahmen sollten nur kurz und lokal gespeichert werden.
- Die Aufnahmen dürfen zu keinen anderen Zwecken verwendet werden.
- Auf die Aufnahmen sollte nur das Kassenpersonal zugreifen können, das an der jeweiligen Kasse arbeitet.
- Die Kamera sollte so tief wie möglich angebracht werden, um den Kreis der betroffenen Personen zu minimieren.
- Die Kunden sollten durch Hinweisschilder bzw. im Rahmen bereits bestehender Hinweisschilder auf die Unterbodenkameras hingewiesen werden.
- Die Aufnahme sollte nur beginnen, wenn ein Einkaufswagen an das Kassenband geschoben wird.