Auch wenn die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen zwei Redakteure von netzpolitik.org erfreulicherweise eingestellt wurden, so stellen sich im Nachhinein zahlreiche Fragen: Wie konnte es überhaupt zu einer derartigen Ermittlungsschieflage durch den Generalbundesanwalt kommen? Inwieweit darf auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft durch Bundesbehörden Einfluss genommen werden? Wer darf sich als Journalist bezeichnen und kann in diesem Zusammenhang das Privileg der Pressefreiheit für sich beanspruchen? Mit der letzten Frage möchten wir uns etwas ausführlicher beschäftigen, da über die grundrechtlichen Aspekte hinaus hiervon auch datenschutzrechtliche Privilegien abhängen.

Was ist Pressefreiheit?

Die Pressefreiheit wird in Artikel 5 des Grundgesetzes unter anderem gemeinsam mit der Meinungs- und Informationsfreiheit als Grundrecht normiert. Dort heißt es in Abs. 1 Satz 2: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Diesem Grundrecht werden in Abs. 2 allerdings auch Grenzen gesetzt: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Welche Privilegien sind hiermit verbunden? Die Pressefreiheit umfasst gemäß § 53 Abs. 1 Ziffer 5 Strafprozessordnung ein eigenes Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten; dies gilt insbesondere für deren Informationsquellen. Die Pressegesetze der Bundesländer verpflichten Behörden und öffentliche Institutionen, Pressevertretern Auskunft zu erteilen, sofern dem nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen. Zudem darf Journalisten gemäß § 6 Abs. 2 Versammlungsgesetz der Zutritt zu öffentlichen Versammlungen nicht verwehrt werden. Und auch das Bundesdatenschutzgesetz nimmt in § 41 auf die Pressefreiheit Rücksicht und klammert die journalistische Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten in einigen Punkten von den einschlägigen Datenschutz­bestimmungen aus.

Pressefreiheit wird berechtigterweise als vierte Gewalt im Staat bezeichnet. Durch die Pressefreiheit geschützt sind die Beschaffung der Information, die Produktion, die Veröffentlichung der Nachricht sowie auch das Presseerzeugnis selbst, unabhängig von Auflage oder Umfang.

Der Pressebegriff umfasst traditionell Druckerzeugnisse klassischer Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage, d.h. Publikationen, die per Druckpresse (daher auch der Begriff Presse) hergestellt und an einen größeren Personenkreis verbreitet werden (vgl. hierzu auch Beck Online-Kommentar, Rn 45-47). Dieser traditionelle Pressebegriff ist in den letzten Jahren zwar erweitert worden um Online-Ausgaben von Zeitungsverlagen. Inwieweit allerdings auch Internetforen oder Blogs wie netzpolitik.org dem verfassungsrechtlichen Pressebegriff und somit auch der Pressefreiheit unterliegen, ist jedoch umstritten.

Wer ist Journalist?

Begriffe wie Journalist und Presse sind in Deutschland historisch bedingt nicht gesetzlich normiert. Angesichts der Gleichschaltung der Medien im Dritten Reich durch Notverordnungen wurde mit Gründung der Bundesrepublik bewusst auf eine Normierung der Begriffe verzichtet. Beide Begriffe sollten daher im Hinblick auf die Pressefreiheit – wie bei anderen Grundrechten auch – möglichst weit gefasst werden. Ein einfacher Vorschlag lautet daher: Journalist ist derjenige, der im Besitz eines Presseausweises ist.

Aber auch hier fehlen, auch wenn die jetzige große Koalition die Wiedereinführung eines amtlichen Presseausweises im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, jegliche gesetzliche Regelungen. Presseausweise werden zumeist von Journalistenverbänden für ihre Mitglieder ausgegeben; Mitglied kann jeder werden, der hauptberuflich als Journalist tätig ist. Wir drehen uns also im Kreis.

Nach den Richtlinien des Deutschen Journalisten-Verbandes kann dort Mitglied werden, „wer entsprechend den Kriterien des Berufsbildes Journalistin/Journalist, hauptberuflich als Arbeitnehmer/in, Arbeitnehmerähnliche/r oder als Selbstständige/r für Printmedien, Rundfunk, digitale Medien, Nachrichtenagenturen, in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder im Bildjournalismus tätig und an der Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombination dieser Darstellungsmittel beteiligt ist, und zwar vornehmlich durch Recherchieren (Sammeln und Prüfen) sowie durch Auswählen und Bearbeiten der Informationsinhalte, durch deren eigenschöpferische medienspezifische Aufbereitung (Berichterstattung und Kommentierung), Gestaltung und Vermittlung oder durch disponierende Tätigkeiten im Bereich von Organisation, Technik und Personal. Hauptberuflich tätig ist, wer mit seiner journalistischen Tätigkeit den überwiegenden Teil seines Lebensunterhaltes bestreitet.“

Mit Verweis auf diese Definition des Deutschen Journalisten-Verbandes hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihrer Ausgabe vom 8. August erstaunlicherweise die Ansicht vertreten, Blogger und freie Schreiber, die nur nebenberuflich tätig sind, seien keine Journalisten. Drei Tage vorher vertritt die FAZ sogar die Meinung: „Tatsächlich begleiten und kommentieren die Blogger nicht nur, was in der Netzpolitik passiert; sie verfolgen eine eigene politische Agenda, organisieren den Widerstand etwa gegen Vorratsdatenspeicherung und Netzüberwachung. Aufrufe zu Demonstrationen gehören dazu. Darin sind sie Lobbyisten näher als Journalisten.“

Redakteure von netzpolitik.org mit dem Hinweis auszugrenzen, sie seien in aller Regel nicht hauptberuflich tätig, ist sicherlich schon fragwürdig. Grundrechte können weder von der Teilzeit noch vom Arbeitnehmerstatus abhängen. Vollends problematisch wird es, Redakteuren den Journalistenstatus mit dem Hinweis abzusprechen, ihr Handeln sei politisch motiviert. Das ist absurd. Nicht zuletzt ist Journalismus immer auch politisch und damit interessengeleitet.

Der Deutsche Journalisten-Verband zieht die Grenze folglich dort, wo journalistische Standards durch Werbung aufgeweicht werden; Blogger von netzpolitik.org sind nach Ansicht des Verbandes zweifelsfrei Journalisten.

Weite Auslegung der Begriffe notwendig

Auch wenn in den letzten beiden Wochen außer der FAZ kaum jemand den Redakteuren von netzpolizik.org den Journalistenstatus streitig gemacht hat, so wird es sicherlich erforderlich sein, Begriffe wie Presse und Journalist weitaus offener als bisher zu interpretieren und zu definieren. Anstelle eines Fazits versuchen wir es daher mit einer eigenen Definition: „Journalist ist jede Person, die regelmäßig und eigenverantwortlich nicht werbliche, redaktionelle Beiträge erstellt und diese unter Nennung des eigenen Namens veröffentlicht oder verbreitet.“