Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 05. September 2017 die Privatsphäre von Arbeitnehmern auch im Umfeld des Arbeitsplatzes betont und verpflichtet den Arbeitgeber darauf, bei Überwachungsmaßnahmen, die die Arbeitnehmer betrifft, die Verhältnismäßigkeit zu wahren und vorab darüber zu informieren.

Der Fall

In einer Firma aus Rumänien sollen die Mitarbeiter den Yahoo Messenger Dienst für dienstliche Kommunikation nutzen. Eine Arbeitgeberweisung sah vor, dass der Gebrauch von Computerressourcen, wie auch das Internet (und damit der Messenger) zu privaten Zwecken, verboten ist. Dabei sah die Weisung nicht vor, dass der Arbeitgeber die Kommunikation der Arbeitnehmer überwachen könnte.

Im Juli 2007 schrieb der Arbeitgeber in einem Rundschreiben an seine Mitarbeiter, sie sollen zur Arbeit kommen, um die Angelegenheiten des Unternehmens und keine persönlichen Angelegenheiten zu bearbeiten, das Internet nicht für Dinge nutzen, die nicht mit Firmenangelegenheiten zu tun haben. Außerdem habe Arbeitgeber die Pflicht, die Arbeit der Arbeitnehmer zu überwachen und Strafmaßnahmen gegen jeden zu verhängen, der sich etwas zu Schulden kommen lässt. Missverhalten werde überwacht und bestraft.

Außerdem bezog sich der Arbeitgeber auf eine Mitarbeiterin, die aus disziplinarischen Gründen gekündigt worden ist. Daraus sollten die Mitarbeiter lernen und nicht die gleichen Fehler begehen.

Gleichzeitig mit dem Rundschreiben begann der Arbeitgeber die Yahoo Messenger Kommunikation aufzuzeichnen. Kurz danach wurde der Vertriebsingenieur Barbulescu von seinem Arbeitgeber damit konfrontiert, dass es Anhaltspunkte gebe, er nutze den Messenger für private Zwecke. Dies verneinte er. Daraufhin legte der Arbeitgeber 45 Seiten eines Ausdrucks der teils auch intimen Chatinhalte mit seiner Verlobten und seinem Bruder vor und kündigte dem Ingenieur. Dieser klagte sich durch die Instanzen der Arbeitsgerichte in Rumänien, die aber dem Arbeitgeber Recht gaben. Letztlich klagte der Ingenieur beim EGMR.

Das Urteil

Der EGMR stellte zunächst fest, dass Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hier einschlägig ist. Dieser legt fest, dass jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz hat. Genauer geht es hier um den Schutz der Korrespondenz, worunter die Kommunikation im Messenger Dienst fällt.

Der EGMR erläuterte, dass dieser Artikel zwar zunächst nur die Mitgliedstaaten des Europarats bindet und nicht die Privatunternehmen. Die Gerichte der Mitgliedstaaten hätten aber die Verpflichtung, diesen Artikel bei ihrer Urteilsfindung zu berücksichtigen. Daher besteht auch mittelbar eine Wirkung gegenüber den Privatunternehmen.

Der EGMR hob in seinem Urteil hervor, dass es eine Interessenabwägung geben muss zwischen dem Interesse des Arbeitgebers auf einen reibungslosen Betriebsablauf und das Interesse des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Privatsphäre auch am Arbeitsplatz. Die nationalen Gerichte sollten nach Ansicht des EGMR daher im Rahmen einer Abwägung folgendes prüfen:

  1. Wurde der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber darüber informiert, dass die Möglichkeit von Überwachungsmaßnahmen bezüglich der Korrespondenz und anderer Kommunikation besteht und welche Implementation solcher Maßnahmen existieren? Hat der Arbeitgeber über die Art der Überwachung im Voraus unterrichtet?
  2. Welcher Überwachungsumfang und welche Intensität des Eingriffs in die Privatsphäre des Arbeitnehmers besteht? Dabei sollte beachtet werden, dass es einen Unterschied zwischen Verbindungsdaten und den Inhalt der Kommunikation gibt. Ebenso spielt hier eine Rolle, ob die gesamte Kommunikation oder nur Teile überwacht werden, die Überwachung zeitlich begrenzt ist und ob nur eine begrenzte Anzahl von Personen Zugriff auf die Auswertungen der Überwachung haben.
  3. Welche Rechtfertigungsgründe gibt es für eine Überwachung und den Zugriff auf den Inhalt einer Kommunikation?
  4. Gibt es weniger intensive Methoden und Maßnahmen als den direkten Zugriff auf den Kommunikationsinhalt?
  5. Wurde der Zweck der Überwachung vorher benannt?
  6. Bestehen Sicherheitsmaßnahmen, dergestalt, dass der Arbeitgeber nicht auf die Kommunikationsinhalte zugreifen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht vorher über diese Möglichkeit informiert worden ist?

Der EGMR sah hier das Rundschreiben des Arbeitgebers als nicht ausreichend an. So hat er nicht darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, auf die Kommunikationsinhalte Zugriff zu nehmen und den Arbeitnehmer darüber im Unklaren gelassen. Schon dieser Punkt führte zu einer Verletzung der Privatsphäre des Arbeitnehmers. Außerdem hätten die Gerichte die oben aufgeführten Punkte nicht ausreichend in ihren Urteilen gewürdigt.

Da die vorinstanzlichen Gerichte diesen Punkt nicht geprüft hätten, urteilte der EGMR, dass eine Verletzung des Artikels 8 der EMRK vorliegt und verurteilte den Staat zu einer Schadensersatzzahlung von 1365 € an den Arbeitnehmer.

Fazit

Aus deutscher Sicht ergeben sich für den Arbeitgeber keine Änderungen. Hier legt insbesondere § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG und ab Mai 2018 § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG fest, in welchen Rahmen der Arbeitgeber Mitarbeiter überwachen darf. Dabei hat er aber auch jetzt schon die von dem EGMR aufgezählten Punkte zu beachten. Der EGMR hat in seinem Urteil auch lediglich die allgemeine Entscheidung des Arbeitgebers im Blick, die private Nutzung des Internets zu verbieten und unter welchen Kriterien eine Kontrolle des Verbots verhältnismäßig ist. Nicht Gegenstand war etwa eine heimliche Videoüberwachung, um einen Mitarbeiter einer Straftat zu überführen. Hier ist weiterhin § 32 Abs. 1 S.2 bzw. ab Mai 2018 § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG und die nationale Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu beachten.