Facebook gab kurz vor der diesjährigen f8 Entwicklerkonferenz in San Jose bekannt, dass der Facebook Messenger ein größeres Update erhalten werde. Zukünftig soll die Kommunikation zwischen Benutzern erleichtern werden. Hierfür wurde das zusätzliche Feature M ausgebaut, an dem bereits seit zwei Jahren geplant wird.

Damit setzt Facebook – wie schon viele anderen IT-Riesen – auf die deep-learning Technologie der künstlichen Intelligenz. So sollen das Verhalten des Einzelnen analysiert und dadurch die Interaktion im Chat verbessert werden. Zu denken ist beispielsweise an die Autokorrektur bei Tippfehlern oder vorgeschlagene Antworten.

Der Dienst M enthält sechs Funktionen, die automatische Vorschläge von Smileys oder die Verbindung zum Fahrservice von Uber oder Lyft ermöglichen. Auch die Übermittlung des eigenen Standortes wird bei bestimmten Keywords automatisch vom Messenger angeboten, wenn sich Gesprächspartner zu einem Treffen verabreden wollen. Die neue Anwendung stünde neben den Facebook Chatbots für Unternehmen und gilt als Einstieg zum digitalen Assistenten, wie es bereits Siri, Amazon Alexa oder Google Bixby vormachen.

KI und Datenschutz

Grundsätzlich ist das „Mitlesen“ bei Chatgespräche aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht ganz unbedenklich. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Kommunikationsinhalt nicht einen besonderen Schutz genießt, wie es in Deutschland durch das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses gewährleistet wird. Das Auslesen des geschriebenen Wortes im Rahmen einer Telekommunikation wäre ein Eingriff in diese schützenswerte Position der Gesprächspartner, selbst wenn dies automatisch durch ein Computerprogramm und nicht durch einen Menschen erfolgt. Aus diesem Grund hat sich die verschlüsselte Übertragung von Nachrichten (z.B. bei Chatprogrammen und Messenger-Diensten wie WhatsApp) längst etabliert.

Auch liegt der Verdacht nahe, dass sich der Inhalt der Unterhaltung auf das weitere Angebot vom größten sozialen Netzwerk der Welt auswirken könnte, indem sich anhand der gesammelten Informationen aus dem Chatverlauf beispielsweise Werbeanzeigen und sonstige vorgeschlagene Inhalte im Newsfeed personalisieren lassen. Wer gerade über die neuesten Kinofilme mit einem Freund chattet, erhält unter Umständen ein wenig später die Facebook Fansite der naheliegenden Kinobetreiber. Dies betrifft auch die Einblendung von passender Werbung.

Es ist ohnehin noch nicht absehbar, ob und inwiefern auf die künstliche Intelligenz basierende Anwendungen den Datenschutz des Einzelnen gefährden, wenn beispielsweise der Benutzer in seinem Handeln ununterbrochen analysiert wird und sich aus den gesammelten Informationen personalisierte Inhalte (z.B. Nachrichten, Werbung etc.) genieren. Vermeintlich unbedeutende Worte oder Interaktionen könnten bereits Einfluss auf unseren nächsten Einkauf haben.

Zukunftsvisionen

Mit diesem Konzept sei man erst am Anfang, wie Vertreter von Facebook auf der f8 Konferenz erklärten. Der im vergangenen Jahr vorgestellte „10-Jahres Plan“ vom Gründer Mark Zuckerberg sieht ambitionierte Zielvorgaben vor und beinhaltet unter anderem die Zukunftsvision der Benutzerführung ohne Maus und Tastatur.

In der durch eine intelligente Brille erzeugten Augmented Reality könnte bereits die Steuerung mittels virtueller mouse cursor und Bedienungsfelder integriert werden, ohne dass der Nutzer zu einem Eingabegerät greifen muss. Das Projekt der eigenen AR-Brille steht ohnehin seit geraumer Zeit ganz weit oben auf der To-Do-List des börsennotierten Unternehmens. Die Verknüpfung der Community mit der Augmented Reality als Plattform für alltägliche Aufgaben stellt ein erstes Etappenziel dar.

Doch die Visionen in der Hauptzentrale in Menlo Park in Kalifornien gehen längst weiter. Es wird sogar von gehirngesteuerter Technologie („Gehirn-zu-Text Initiative“) gesprochen, die derzeit nur in speziellen Laboren der führenden Universitäten erprobt wird. Das interne Projekt leitet der Neurowissenschaftler Mark Chevillet von der Johns-Hopkins-Universität unter Beteiligung von rund 60 Wissenschaftlern und Technikern.

Einer dieser Wege wäre die Integration von Elektroden im menschlichen Gehirn bzw. der Aufbau eines neuronalen Netzwerks zum Menschen. Diese Eingriffe sind allerdings gesundheitlich umstritten und kaum praxistauglich. So zeigen aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen in diesem Bereich, dass gelähmte Menschen mittels vergleichbarerer Techniken wenige Worte pro Minute einem Computer diktieren können. Indes wäre ein alltagstaugliches Gespräch auf diese Weise wohl auch in einigen Jahren noch nicht denkbar.

Erhebliche Bedenken

Selbst bei Annahme des unwahrscheinlichen Falles, dass diese Technologie zeitnah und praxistauglich umgesetzt werden könnte, lassen sich die datenschutzrechtlichen Horrorszenarien nicht ganz ausblenden. Welche Daten würden alles über den Einzelnen und sein Verhalten ausgewertet werden, wenn Facebook direkt das Gehirn anzapft? Und wären die Gedanken vielleicht sogar als biometrisches personenbezogenes Datum zu klassifizieren? Millionen Bilder, Worte und Gedanken des menschlichen Gehirns würden möglicherweise auch an das Soziale Netzwerk übermittelt werden, das daraus ein unschätzbares großes Geschäft für Werbung und Angebote betreiben würde. Eine rechtliche Prozessbewertung ist nahezu unmöglich.