Vor rund einem Jahr berichteten wir über die neue russische Gesichtserkennungssoftware von FindFace und deren Vorzüge wie auch Gefahren für den Datenschutz. Immerhin kann seitdem jedes Mitglied von VKontakte (vk.com), das russische Pendant zu Facebook und letztlich auch das größte russischsprachige soziale Netzwerk der Welt, auf der Webseite von FindFace ein Foto hochladen – und mittels integrierter Gesichtserkennungssoftware mit Bildern in der russischen Community abgleichen lassen. Dank dieses Dienstes lässt sich mit einer stetig zunehmenden Trefferquote ein etwaiges Benutzerprofil des Abgebildeten aufzeigen.

Aber die Anwendung kann nicht nur den Schwarm von der letzten Party in wenigen Momenten ausfindig machen, vorausgesetzt man hat ein halbwegs hochauflösendes Foto seines Gesichts, sondern auch Teilnehmer öffentlicher Veranstaltungen.

Laut Medienberichten greift nun auch die russische Regierung auf diese Technologie zurück, um damit auffällige Teilnehmer von (verbotenen) Demonstrationen im eigenen Land anhand der Bild- und Filmaufnahmen im sozialen Netzwerk aufzufinden. So wurden demnach bereits Dutzende Verfahren gegen Anwesende bei den von der Opposition aufgerufenen Massenprotesten am 26. März und 12. Juni eingeleitet.

Über eine derartige Problematik beim staatlichen Einsatz der von Artem Kuharenko (NTechLab) entwickelten Anwendung wurde bereits viel diskutiert.

Datenschutzrechtliche Bedenken der Gesichtserkennung

Die aktuelle Gesichtserkennungssoftware wandelt Gesichtsmerkmale und -muster in bestimmte Hashwerte bzw. Templates um, die als biometrisches Datum (§ 3 Abs. 1 BDSG; Art. 4 Nr. 14 DSGVO) besonders schützenswert sind und deren Verarbeitung nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO sogar grundsätzlich untersagt ist. Spätestens ab dem 25. Mai 2018 bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen in diese Datenverarbeitung oder aber ein besonderes (öffentliches) Interesse, das wiederum an strenge Voraussetzungen geknüpft ist.

Schließlich handelt es sich hierbei um nahezu einzigartige, nur der betroffenen Person zuordenbare natürliche Merkmale, anhand derer sie jederzeit identifizierbar ist. Im Gegensatz zu einem Schlüssel oder Passwort „haftet“ dieser Faktor dem Menschen einem Leben lang an. Selbst größere Veränderungen wie z.B. eine neue Frisur oder der natürliche Alterungsprozess können mit zunehmender Technik der Gesichtserkennungssoftware diese Personenzuordnung kaum verhindern.

Zumal die stetig verbesserte Kamera-Technik bei der Bildaufnahme durch höhere Bildauflösung und optimierter Lichtqualität derartigen Diensten in die Karten spielt. Die weiterhin wachsende Flut an Selfies und Videos im Internet wie auch immer mehr Drohnen und Videoüberwachungsanlagen im öffentlichen Raum lassen die Bilderdatenbanken weiter anwachsen. Auf langfristige Sicht dürfte so nahezu jeder Bürger auf einem Foto im Netz erkennbar sein.

Immer mehr Gesichtserkennung

Doch nicht nur in Russland, sondern auch in Deutschland sind Tendenzen der Zunahme an Überwachung mittels Gesichtserkennungssoftware zu beobachten. Allen voran sind die Pläne der Deutschen Bahn zur sogenannten „intelligenten Videoüberwachung“ zu nennen. Aber nicht nur öffentliche Stellen sind mit modernen Videokameras ausgestattet, sondern auch privatrechtlich organisierte Unternehmen verwenden diese Technik. Entweder zur personalisierten Werbung im Ladengeschäft oder aber beim Online-Shopping zur Authentifizierung.

Verbrecherjagd versus Datenschutz

Anders als bei der Werbung oder selbst gewählten Authentifizierung stellt sich allerdings die Situation dar, wenn die Technik im staatlichen Interesse und zur Verfolgung von Straftaten Verwendung findet.

So hat die Berichterstattung nach den jüngsten Ereignissen der Krawalle am Rande des G20 Treffens in Hamburg gezeigt, wie Journalisten praktisch in der Rolle der Strafverfolgungsbehörde schlüpfen. Und auch die Polizei bat offiziell um Fotomaterial von Teilnehmern an den Ausschreitungen. Es ist sehr bedenklich, wenn nun auch Privatpersonen bei der „Verbrecherjagd“ mitmischen und Fotos, die zum Teil in privaten Lebensbereichen heimlich angefertigt wurden, auf hierfür ins Leben gerufenen Portalen hochladen, um die Personenidentifikation mutmaßlicher „Verdächtiger“ zu unterstützen.

Ob hierbei automatische Verfahren der Gesichtserkennung zum Einsatz kommen oder zukünftig kommen werden, darüber lässt sich nur spekulieren. Ein Rückgriff auf einen Dienst wie FindFace wäre hierzulande aus den genannten Gründen wohl unzulässig.

Vor diesem Hintergrund sollte sich Jedermann vor Auge führen, dass die im Internet eingestellten Fotos auch zu den eigenen Lasten verwendet werden und in Zukunft der Personenidentifikation dienen können.