Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Pressemitteilung die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten gestärkt und entschieden, dass das Wohl von Vielen schwerer wiegt als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen.

Corona keine Bühne bieten

Schauplatz war Bayerns Staatsoper, den das Landesarbeitsgericht (LAG) München als Vorinstanz wie folgt beschreibt (vgl. LAG München, Urteil vom 26.10.2021 – 9 Sa 332/21): Für die Spielzeit 2020/2021 erstellte die Staatsoper ein umfassendes Hygienekonzept in Zusammenarbeit u. a. mit dem Institut für Virologie der TU München und dem Klinikum rechts der Isar. Dazu gehörten Umbaumaßnahmen der Bühne (Plexiglaswände und Abstand der Orchestermusiker im Orchester von zwei Metern), Einteilung der Beschäftigten in Risikogruppen und, je nach Gruppe, die Verpflichtung zur Durchführung eines PCR-Tests.

Eine Flötistin sollte, wie alle Beschäftigten zu Beginn der Spielzeit, einen negativen PCR-Test vorlegen. Der Test wurde kostenlos zur Verfügung gestellt. Ohne Test durfte sie nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen. Sie weigerte sich den Test durchzuführen, woraufhin die Flötistin nicht beschäftigt und die Gehaltszahlungen eingestellt wurden, bis sie sich bereit erklärte, den PCR-Test durchzuführen. Eine Spezialität in diesem Fall ist der Verweis im Arbeitsvertrag der Klägerin auf den Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern, wonach der Arbeitgeber „[…] bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt […] feststellen lassen [kann], ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist.“ Davon dürfe der Arbeitgeber nicht willkürlich Gebrauch machen.

Verletzung der Selbstbestimmung durch PCR-Test?

Die Flötistin klagte zunächst vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht (LAG) München gegen die Staatsoper auf Nachzahlung des nicht ausgezahlten Gehalts und war der Meinung, dass die PCR-Tests einer Fehlerhaftigkeit unterlägen und der Test eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte darstelle.

Die Vorinstanzen lehnten die Klage der Flötistin ab. Das LAG München als Vorinstanz stellte im o. g. Urteil zunächst fest, dass die Regelung des Tarifvertrags eine Anordnung von Corona-Tests auch bei Personen ermögliche, die keine Krankheitssymptome zeigten. Die Regelung diene auch dem Schutz Dritter. Arbeitskollegen sowie betriebsfremde Dritte sollen vor Krankheiten geschützt werden. Dieser Schutzzweck könne bei Krankheiten, die ebenfalls von symptomfreien Personen übertragen werden können, nur erreicht werden, wenn die Regelung nicht nur auf Krankheitssymptome eingeschränkt werde. Daher war die Anordnung der Tests von der Regelung gedeckt.

Außerdem entsprächen die PCR-Tests als allgemein eingesetzte und empfohlene Testmöglichkeit dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene und seien eine geeignete Möglichkeit für den Nachweis des Sars-Cov-2-Virus. Eine gewisse Fehleranfälligkeit spreche nicht gegen die Geeignetheit.

Verpflichtet zur Solidarität

Weiter bescheinigt das LAG München dem Arbeitgeber, sein Weisungsrecht gegenüber der Flötistin nach billigem Ermessen ausgeübt zu haben. Dazu hat das LAG die Rechte des Arbeitgebers und der Flötistin gegeneinander abgewogen. So habe der Arbeitgeber ein erhebliches Interesse an den Tests, da er verpflichtet sei, die Gesundheit aller anderen Arbeitnehmer, insbesondere der Orchestermitglieder, die mit der Flötistin unmittelbar zusammenarbeiten, zu schützen. Dazu sei der PCR-Test geeignet. Andere, weniger invasive Maßnahmen kamen nicht in Betracht. So hätte die Flötistin z. B. mit Maske nicht ihre Arbeitsleistung erbringen können. Auch eine weitere bauliche Veränderung dergestalt, dass die Mitglieder des Orchesters noch weiter auseinandersitzen, sei nicht möglich, da sich die Musiker gegenseitig hören müssten, um einen „Klangkörper von Weltrang“ bieten zu können. Zuletzt weist das LAG München darauf hin, dass es bei Corona-Tests nicht um die „[…] Übernahme von Verantwortung für Risiken für die eigene Person [geht], sondern um Solidarität, die Bereitschaft für den Schutz anderer etwas auf sich zu nehmen […].“ Daher diene der Corona-Test nicht dem Schutz der getesteten Person selbst, sondern dem Schutz der Kollegen.

Kein besseres Mittel gegen Corona als der PCR-Test

Die Flötistin dagegen habe ein berechtigtes Interesse an der Wahrung der körperlichen Unversehrtheit. Ein Nasen- bzw. Rachenabstrich ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Allerdings geht das LAG nicht davon aus, dass der Test wegen der Durchführung des Abstrichs und der dabei möglichen Verletzung der Nasenschleimhaut unzumutbar war, da der Arbeitgeber es auch akzeptiert habe, dass ein reiner Rachenabstrich durchgeführt werde. Aus datenschutzrechtlicher Sicht weist das LAG München kurz darauf hin, dass die Information über einen negativen oder positiven Test zwar ein sensibles persönliches Datum sei, aber keine Rückschlüsse auf sonstige medizinische Daten einer Person zulasse. Mit der Weitergabe des Testergebnisses werde nur eine abgegrenzte Information über eine Person weitergegeben.

Bundesarbeitsgericht bestätigt Pflicht zum PCR-Test

Das BAG bestätigte in letzter Instanz das Urteil des LAG München (vgl. BAG, Urteil vom 01.06.2022 – 5 AZR 28/22). Der Arbeitgeber sei verpflichtet, seine Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen. Die Durchführung der PCR-Tests sei rechtmäßig gewesen. Dabei wiederholt das BAG die Argumentation des LAG München und verweist auf den minimalen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und erklärt diesen Eingriff für verhältnismäßig. Auch mache das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Testanordnung nicht unzulässig, da ein positives Testergebnis aufgrund der infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und der Kontaktnachverfolgung im Betrieb ohnehin bekannt würde.

Fazit

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ergibt sich die Rechtsgrundlage für die Testanordnung aus § 26 Abs. 3 BDSG. Danach ist eine Verarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses rechtmäßig, wenn es um die Ausübung zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht geht. Im konkreten Fall ergibt sich die Pflicht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten, diese vor Gesundheitsgefahren zu schützen. Flankiert wurde diese Pflicht durch die Regelung des Tarifvertrags zur Feststellung von Krankheiten bei den Arbeitnehmern. Zu berücksichtigen ist, dass es sich hier um einen sehr speziellen Fall handelt. Blasinstrumente begünstigen die Verbreitung von Coronaviren und machen weniger einschneidende Maßnahmen wie Masken unmöglich. Daher lässt sich dieses Urteil nicht verallgemeinern. Im Hinblick auf eine mögliche Corona-Welle im Herbst und Winter hat das BAG allerdings einen rechtlichen Weg aufgezeigt, unter welchen Umständen verpflichtende Corona-Tests im Rahmen eines Hygienekonzeptes eingesetzt werden können, sofern der Gesetzgeber den Unternehmen keine neue Gesetzesgrundlage an die Hand geben sollte.