re:claim autonomy! – so lautete der Slogan des am 05. Dezember in Berlin stattfindenden „Gedenksymposiums“ zu Ehren des kürzlich verstorbenen FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher.
Diskutiert und reflektiert wurden darin wegweisende Fragen zum Erhalt der Persönlichkeitsrechte im digitalen Zeitalter. „Schafft die sog. Künstliche Intelligenz den autonom Denkenden ab?“ oder „Wie kostenlos sind Onlinedienste wirklich?“. Dies waren nur einige Kernfragen rund um die Diskussion zur rasanten Entwicklung eben dieser Künstlichen Intelligenz und deren Bedeutung für die Gesellschaft.
Während Großkonzerne aus dem Silicon Valley gebetsmühlenartig predigen, dass bei ihren Diensten weiterhin die Individualität des Einzelnen gefragt sei, z.B. durch freie Gestaltung des Nutzerprofils bei Facebook oder individuelle Konfiguration des eigenen Smart-Homes, so zeigen die Plädoyers und Warnungen der Redner des Symposiums eine andere Intention der „US-Datenkraken“ auf.
Schon ein Blick in die AGB/Nutzungsbedingungen von Facebook reicht mithin aus, um zu erfahren, dass Nutzer dem Unternehmen umfassende Rechte an der Verarbeitung und Nutzung ihrer Daten einräumen. Daten entsprechen also einer Art digitalen Währung. Auch nach Ansicht des weißrussischen Publizisten Evgeny Morozov sei es daher nicht bloß Altruismus der Anbieter, ihre Onlinedienste kostenlos zur Verfügung zu stellen, sondern vielmehr Kalkül, da auf diese Weise viel mehr Nutzer umfangreiche Daten preisgeben würden. Anbieter könnten ihre Algorithmen für die Schaffung künstlicher Intelligenz somit viel feiner justieren, wenn der zur Verfügung stehende Datenpool größer sei.
So weit, so bekannt, jedoch ist das mögliche Ausmaß der Datenpreisgabe bisher wohl nur den Wenigsten präsent. Interessant ist daher die weitere Aussage Morozevs, dass die neu berechnete Künstliche Intelligenz sogar zeitnah Arbeitsplatzverluste mit sich bringen könnte, wenn der Mensch durch eine Maschine ersetzt werde, die er mittelbar selbst durch Preisagabe seiner Daten „intelligent gemacht“ habe.
Problematisiert wurde in diesem Zuge auch die generelle „Macht der Großen“, deren Diensten sich bereits heute viele EU-Unternehmen nicht mehr entziehen könnten. So führt die Juristin Yvonne Hofstetter aus, dass Unternehmen ihre CRM-Daten etwa regelmäßig in eine Cloud eines großen Anbieters verschieben würden und die Webseitenaktivitäten der Nutzer von Google getrackt werden würden. Unklar sei dabei, wer -neben der NSA- tatsächlich was mitliest.
Einheitlicher Tenor des Symposiums war letztlich, dass es zum Erhalt einer autonomen Persönlichkeit im digitalen Zeitalter erforderlich sei, zumindest für die EU ein hohes Datenschutzniveau zu garantieren und sich nicht abhängig zu machen von den „Big Playern“ in den USA.
Europäische Lösungen müssten dabei komplett unabhängig von den Weltkonzernen aufgesetzt werden, um dem Nutzer eine „echte Alternative“ zu bieten.
Eine regelnde Grundlage zur Schaffung einer solchen Alternative könnte die im Mai 2018 in Kraft tretende EU-Datenschutzgrundverordnung sein, die etwa Grundsätze wie „privacy by design“ oder einen sensiblen Sanktionsrahmen für unzulässige Datenverarbeitungen vorsieht.
Zwingend erforderlich bleibt jedoch die Bereitschaft der EU-Unternehmen, die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung als Chance für eine „rechtskonforme Künstlicher Intelligenz“ wahrzunehmen und nicht als eine durch die EU auferlegte wirtschaftliche und entwicklungstechnische Hürde.