Bislang unterstand die Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) der Dienstaufsicht des Bundesinnenministeriums (BMI). Die Rechtsaufsicht wurde durch die Bundesregierung ausgeübt. Dies war wegen der fehlenden Unabhängigkeit der BfDI immer wieder Gegenstand von Kritik und soll nun mit einer Gesetzesnovelle geändert werden, die am 18. Dezember 2014 vom Bundestag nach mehrmonatiger Debatte verabschiedet wurde.

Ab 2016 wird die derzeitige Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff aus dem Zuständigkeitsbereich des BMI entlassen und in einer selbständigen obersten Bundesbehörde für den Datenschutz – weiterhin mit Sitz in Bonn – mit einem eigenen Einzelplan im Bundeshaushalt tätig sein. Damit steht die BfDI auf einer ähnlichen Stufe wie der Bundesrechnungshof oder der Vorstand der Deutschen Bundesbank. Das Vorschlagsrecht für die Leitung der Datenschutzaufsicht soll auf Bundesebene weiterhin bei der Regierung verbleiben, während dies in den Ländern regelmäßig den Parlamenten zusteht. Weiterhin ist vorgesehen, dass der oder die zukünftige BfDI vom Deutschen Bundestag gewählt wird und den Amtseid vor dem Bundespräsidenten leisten soll.

Auch wenn in der Praxis bereits schon jetzt keine Dienst- oder Rechtsaufsicht mehr ausgeübt wurde, wird den Beschäftigten der BfDI die Unabhängigkeit nun auch formal bescheinigt, indem die Aufsichtsmöglichkeit der Bundesregierung bzw. des BMI formal abgeschafft wird. Für die neu geschaffene Behörde gilt in Zukunft nur noch eine parlamentarische und gerichtliche Kontrolle. Bislang benötigte die BfDI eine Genehmigung des BMI für Zeugenaussagen in einem Untersuchungsausschuss eines Parlaments oder vor einem Gericht. Mit der Neuregelung wird die Aussagegenehmigung nunmehr durch Gesetz erteilt, so dass Zeugenaussagen der BfDI künftig auch ohne das Einverständnis der Bundesregierung möglich sind. Allerdings besteht eine Aussagebeschränkung zu Sachverhalten, die den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung betreffen oder betreffen könnten. In diesem Fall darf eine Aussage nur im „Einvernehmen mit der Bundesregierung“ erfolgen, wenn sie den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung“ berührt. Zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehören insbesondere Informationen, die die BfDI im Rahmen von Prüfungen über die Willensbildung der Bundesregierung, über Erörterungen im Kabinett oder Abstimmungsprozesse zur Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen erlangt hat.

Europarechtlicher Hintergrund

Hintergrund der Gesetzesnovelle ist, dass das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 darauf hingewiesen hatte, dass die von Datenverarbeitung betroffenen Menschen einer unabhängigen Unterstützung bedürfen, die frei sein muss vom Einfluss der zu kontrollierenden Stellen und von sonstigen öffentlichen Dateninteressen, insbesondere denen der Sicherheitsbehörden (Urteil vom 15.12.1984, Az. 1 BvR 209/83 u.a.). Diese Vorgabe wurde 1995 in Art. 28 der europäischen Datenschutzrichtlinie für sämtliche EU-Mitgliedstaaten festgeschrieben.

Der EuGH hat mit seinen Entscheidungen vom 09.03.2010 und vom 16.10.2012 klar gestellt, dass die bisher in Deutschland und in Österreich praktizierte Rechts- und Dienstaufsicht mit der Unabhängigkeit der Datenschutzkontrolle nicht vereinbar sind (Urteil vom 09.03.2010, Az. C-518/07; Urteil vom 16.10.2012, Az. C-614/10). Nach Auffassung der Richter müssen die Kontrollstellen ihre Aufgaben „in völliger Unabhängigkeit“ von staatlicher Aufsicht wahrnehmen können. Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung erfolgte jedoch erst, als die Europäische Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht hatte.

Fazit

Die Gesetzesnovelle setzt geltende europäische Vorgaben in nationales Recht um. Allerdings ist die vom EuGH geforderte „völligen Unabhängigkeit“ zweifelhaft, wenn etwa bei Zeugenaussagen, die den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ der Bundesregierung betreffen, zuvor das Einvernehmen der Bundesregierung eingeholt werden muss. Die hierfür geltenden Voraussetzungen sind sehr unbestimmt gefasst, so dass der Bundesregierung ein breiter Interpretationsspielraum verbleibt. Im Fall des NSA-Untersuchungsausschuss beispielsweise könnte die Bundesregierung das erforderliche Einvernehmen verweigern, wenn sie der Ansicht ist, dass eine Zeugenaussage der BfDI den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung berühren könnte.

Update vom 10.2.2015: Der Bundesrat hat das Gesetz am 6.2.2015 gebilligt. Es tritt am 1.1.2016 in Kraft (vergleiche hier).