Die Stadtverwaltung der russischen Hauptstadt und die Moskauer Metro kündigten Anfang des Monats an, dass im Frühjahr des nächsten Jahres das System Face Pay die Fahrscheine in der Metro durch biometrische Gesichtskontrollen ersetzen wird. Die Drehkreuze mit Gesichtserkennungsfunktion werden laut Stadtverwaltung an jeder U-Bahn-Station installiert und werden in der Lage sein in Sekundenschnelle das Gesicht des Fahrgastes zu scannen. Die Details des Bezahlungsprozesses sind noch nicht komplett preisgegeben. Es ist bekannt, dass man sich im Vorfeld als Nutzer in dem speziellen Bot-Programm auf dem Messengerdienst Telegram registrieren muss. Dabei wird das selbst gemachte Selfie mit dem Bankkonto gekoppelt und beim Gesichtsscann in der Metro wird das Geld automatisch vom Bankkonto des Nutzers abgebucht. Durch die Technologie solle vor allem die Überlastung der Stationen und die schnellere Abwicklung des Eintritts erreicht werden.

In dem Bereich der Gesichtserkennungstechnologie sieht sich die russische Hauptstadt als Vorreiter. Die Gesichtserkennung im öffentlichen Nahverkehr ist bereits aktiv im Einsatz. Im letzten Jahr hat die Stadtverwaltung rund 39 Millionen Euro in die Überwachungssysteme mit Gesichtserkennungsalgorithmus für U-Bahn- Stationen ausgegeben.

Massenhaft kommt eine auf Gesichtserkennung basierte Zahlungsmethode in der U-Bahn noch in keiner Metropole der Welt zum Einsatz. Sogar in dem chinesischen Peking gibt so ein Zahlungssystem noch nicht. Die Moskauer Verwaltung verkündet stolz, dass Moskau möglicherweise die erste Metropole weltweit sein wird, die solche Zahlungsmethoden einführt.

Datenschützer und Aktivisten der Bürgerinitiativen in Russland sind skeptisch und berichten über mögliche Gefahren der Neueinführung.

Eine russische Nichtregierungsorganisation zum Schutz der digitalen Rechte der Bürger RosKomSvoboda kämpft seit lange gegen den Einsatz der Gesichtserkennungssysteme in Moskau und fordert das komplette Verbot. Sehr kritisch werden insbesondere die technischen Aspekte der Datenspeicherung und ein möglicher Missbrauch der Daten durch Beamte gesehen. Die Experten der Organisation haben im August dieses Jahres einen Bericht über die Überwachung des öffentlichen Raumes veröffentlicht. Das was sie durch das Monitoring des Darknets herausgefunden haben, ist schockierend. Ein Datenhändler hat für eine symbolische Geldsumme -Bewegungsprofile von Bürgern angeboten, die mithilfe der Gesichtserkennungsfunktionen der Kameras im Stadtgebiet entstanden sind. Der Journalist von RosKomSvoboda, Andrei Kaganskich, fand durch seine Recherche heraus, dass das Moskauer System der Gesichtserkennung praktisch keine Vorkehrungen gegen einen Datenleck hat. Polizeibeamte oder andere Stadtbedienstete, die einen Zugang zum System haben, verkaufen die Daten auf den Foren und Chats im Darknet. Die potentiellen Käufer sind Privatdetektive und Inkassounternehmen.

Die Befürchtungen und Bedenken gegen das Face Pay in der Metro sind immens, denn rund neun Millionen Menschen nutzen täglich die öffentlichen Nahverkehrsmittel in Moskau. Nach den lauten Protesten in der Presse hat die Stadtverwaltung versucht das Leck im System der Gesichtserkennung zu schließen und die Beamten, die den Zugriff zum System missbraucht haben, zu finden. Jedoch sind die technischen Fehler des Systems und das Berechtigungskonzept, laut Journalisten, nicht umfassend überarbeitet worden. Nach wie vor sei der Kauf von Bürgerdaten aus den Gesichtserkennungssystemen im Darknet möglich.

RosKomSvoboda kritisiert den Umgang der Verwaltung mit den personenbezogenen Daten der Bürger und befürchtet einen erneuten Datenmissbrauch. Die Organisation setzt sich aktiv für das Verbot der Gesichtserkennungssysteme in Russland ein und fordert die Verabschiedung eines Gesetzes, das den Betrieb solcher Systeme umfassend und transparent regelt.

Aktuelles zur Gesichtserkennung in der EU…

Auch in der Europäischen Union wird das Thema Gesichtserkennung derzeit heiß diskutiert. Seit einigen Jahren berichten wir regelmäßig in unserem Blog über die möglichen Einsatzfelder der Technologie in Deutschland und Europa (Gesichtserkennung am Bahnhof; Gesichtserkennung im Fußballstadion).

Die Mehrheit der EU-Bürger steht der automatischen Gesichtserkennung skeptisch gegenüber. Laut eines Berichts von heise.de sprechen sich 80 Prozent der EU-Bürger gegen die Einführung solcher Systeme aus. Die biometrische Gesichtserkennung kommt in vielen europäische Staaten jedoch trotz dieser Ablehnung bereits zum Einsatz.

Vereinzelt wird die Gesichtserkennung zur Identitätsfeststellung oder auch zur Strafverfolgung genutzt. Die Gesichtserkennungssysteme wurden neulich von polnischen Behörden zur Durchsetzung der Lock-Down-Vorschriften im Kampf gegen die Corona-Pandemie eingesetzt. Auch die französische Polizei nutzt die Technologie für Verfolgung von Straftaten im öffentlichen Raum. Außerdem hat Frankreich den neu eingeführten Online-Identitätsausweis mit der Gesichtserkennungsfunktion ausgestattet.

Wir berichteten in unserem Blog über die Pläne der Europäischen Union ein temporäres Verbot der automatisierter Gesichtserkennungssysteme einzuführen. Die Umsetzung blieb jedoch zur Enttäuschung der europäischen Datenschützer aus. Daraufhin haben mehrere Bürgerrechtsinitiativen aus ganz Europa eine Online-Petition gestartet, die das dauerhafte Verbot der Technologie fordert. Die Initiative gegen die Nutzung der Gesichtserkennung hat der italienische Aktivist Paola Cirio ins Leben gerufen. Bis jetzt haben 11.000 Bürger die Petition unterzeichnet, auf 50.000 Tausend Unterschriften hofft die Initiative.

Fazit

Biometrische Gesichtserkennung bietet den Staaten enorme Kotrollmöglichkeiten und erleichtert vor allem die Arbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden. Die Einsatzmöglichkeiten der Technologie sind vielfältig. Vergessen wird dabei oft, dass es sich beim Einsatz von solchen Systemen um die Verarbeitung von biometrischen Daten handelt, die nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten gehören und deswegen nur unter engen Voraussetzungen erhoben und verarbeitet werden dürfen. Dementsprechend müssen technischen und organisatorische Maßnahmen für diese Systeme ein sehr hohes Schutzniveau bieten, um die Bürgerrechte jedes Einzelnen zu wahren und den Missbrauch der Daten auszuschließen. Wie man am Beispiel der Gesichtserkennungssysteme in Moskau sieht, ist dies leider den Verwaltungsbehörden in der russischen Hauptstadt nicht gelungen.