Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg) hatte sich mit dem Fall einer Veröffentlichung von Prozessakten über Dropbox zu befassen, in denen sich auch Gesundheitsdaten befanden (siehe Pressemitteilung und Urteil vom 25.03.2022 (Az. 7 Sa 63/21) des LAG Baden-Württemberg). Dabei kommt das LAG Baden-Württemberg zu dem Ergebnis, dass die von der Robert Bosch GmbH (Beklagte) gegenüber einem Mitarbeiter (Kläger) ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 18.01.2019 wirksam ist.

Worum ging es in diesem Fall?

Fristlose Kündigung, die Erste

Ein Betriebsratsmitglied und langjähriger Mitarbeiter der Robert Bosch GmbH hatte gegen seinen Arbeitgeber 2018 ein Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart (Az. 14 Ca 1054/18) geführt. Dabei ging es um eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber wegen der Bedrohung anderer Beschäftigter und einer Belästigung vor einer Damenumkleide durch den Mitarbeiter. Das Arbeitsgericht sah zwar die Belästigung als nicht erwiesen an, die Bedrohung durch den Mitarbeiter aber durchaus und damit die fristlose Kündigung als gerechtfertigt.

Daraufhin kam es ebenfalls 2018 zum Berufungsverfahren vor dem LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.01.2020 – Az. 8 Sa 30/19). Das Gericht gab dem Mitarbeiter insoweit recht, als dass eine fristlose Kündigung unrechtmäßig war und vorher eine Abmahnung hätte ergehen müssen.

Zwischenakt

Nach dem Ende des Verfahrens stellte der Mitarbeiter die Prozessakten einem größeren Verteilerkreis über Dropbox zur Verfügung. Im zweiten Leitsatz aus dem späteren Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 25.03.2022 heißt es hierzu, der Kläger habe die Daten „der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt“ und „den Adressatenkreis“ darüber hinaus aufgefordert, „die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen“. In den Unterlagen aus dem Prozess waren die Namen von Beschäftigten, die als Zeugen vor Gericht ausgesagt hatten. Außerdem wurden in den über Dropbox zur Verfügung gestellten Unterlagen deren psychischen Beeinträchtigungen geschildert, die das Verhalten des Mitarbeiters auf die Zeugen hatte.

Fristlose Kündigung, die Zweite

Daraufhin wurde ihm von der Robert Bosch GmbH 2019 erneut fristlos gekündigt. Der Ingenieur klagte gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 04.08.2021 – Az. 25 Ca 1048/19) und begründete die Unwirksamkeit der Kündigung damit, dass es keine Geheimhaltungsvorschrift gäbe und die DSGVO gar nicht zur Anwendung käme, da er im Rahmen der persönlichen und familiären Tätigkeiten gehandelt habe. Dazu muss man wissen, dass die DSGVO nicht gilt, wenn Daten innerhalb des Freundes- oder Familienkreises benutzt werden (sog. Haushaltsausnahme). Außerdem habe er im berechtigten Eigeninteresse gehandelt, da ihm das Recht zustehe, zum Fall Stellung zu nehmen. Des Weiteren haben ihn die Vorwürfe als Betriebsratsmitglied und Familienvater belastet.

Das Arbeitsgericht folgte dieser Auffassung nicht.

Zunächst wies es darauf hin, dass eine persönliche oder familiäre Tätigkeit „öffentlichkeitsfeindlich“ sei. Daher könne die Veröffentlichung der Prozessakten mit einem großen Verteilerkreis keine persönliche oder familiäre Tätigkeit sein. Auch habe ein berechtigtes Interesse nicht bestanden, da die Verbreitung der Unterlagen, insbesondere in Bezug auf die Zeugen, nicht erforderlich gewesen sei. Er hätte für den Zweck einer „Gegendarstellung“ Schwärzung von Gesundheitsdaten vornehmen oder nur auszugsweise veröffentlichen können. Das Arbeitsgericht erkennt bei der ganzen Streitigkeit an, dass dies eine schwere psychische Belastung für den Mitarbeiter als Familienvater darstellt, allerdings sah das Gericht es nicht so, dass er vom Arbeitgeber im Prozess an den Pranger gestellt wurde, da dieser nur im Verfahren vorgetragen hatte, dass sich die Zeuginnen durch seine Anwesenheit vor der Damenumkleide belästigt „gefühlt“ hätten. Dem Arbeitsgericht fehlte – hier wie auch dem Arbeitsgericht im ersten Verfahren – die Substanz im Vortrag des Arbeitnehmers und damit auch eine Brisanz.

Das Arbeitsgericht wies am Ende die Klage ab und auch die vom Kläger eingelegte Berufung vor dem LAG Baden-Württemberg hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Die Gerichte konnten am Ende keine Rechtfertigungsgründe oder ein berechtigtes Interesse erkennen, da die Entscheidungsgründe zum betreffenden Urteil am Tage der Veröffentlichung des Links in der Dropbox noch nicht vorlagen und ihm als Kläger noch die Möglichkeit der Berufung offenstand, in welcher er seinen Standpunkt hätte darlegen können.

Fazit

Es ergibt sich ein Datenschutzverstoß, da die Gerichte festgestellt haben, dass für die Veröffentlichung keine Rechtsgrundlage bestand. Diesen Verstoß hat der Mitarbeiter eigenmächtig begangen. Der Fall zeigt, dass die Verbreitung von Angaben zu psychischen Beeinträchtigungen anderer Beschäftigter kein Kavaliersdelikt ist, sondern zu einer fristlosen Kündigung berechtigt.

Teilweise wird die Frage, ob Prozessakten dem „strengen“ Datenschutz unterliegen zur Grundsatzfrage stilisiert. Übersehen wird dabei, dass es auch um Gesundheitsdaten ging, die nach Art. 9 DSGVO als besonders schutzwürdige Daten angesehen werden. Eine Verarbeitung darf nur in von Art. 9 DSGVO vorgesehenen Fällen überhaupt erfolgen.

Ebenso wird vertreten, dass es zukünftig mögliche Whistleblower davon abhalten könnte, Fehlverhalten von Kollegen anzuzeigen. Doch auch diese Befürchtung scheint unbegründet, da die Veröffentlichung von Prozessakten kaum geeignet ist, Sachverhalte intern aufzuklären und die Gerichte eine Veröffentlichung von Auszügen aus den Akten bzw. die Schwärzung sensibler Daten nicht rundheraus ablehnen.

Es wird in der ganzen Komplexität des Falles deutlich, wie belastend Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber sein können. Doch auch wer sich im Recht fühlt, sollte nicht unüberlegt handeln, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Spätestens wenn die personenbezogenen Daten Dritter ins Spiel kommen, insbesondere solch besonders sensible Gesundheitsdaten, sollten die eigenen Handlungen und mögliche Konsequenzen genau durchdacht werden.