Ende September erklärte das indische Verfassungsgericht nach einigen Klagen die Datenbank der Aadhaar-Identifikationskarten für zulässig. Vier der fünf Richter sahen das Recht auf Privatsphäre nicht verletzt, setzten dem Aadhaar-Programm jedoch einige Grenzen.

Was ist eine Aadhaar-ID?

Die Aadhaar-ID (Hindi = „Fundament“) ist eine persönliche, zwölfstellige Identifikationsnummer, welche jeder Bürger Indiens von der Unique Identification Authority of India (UIDAI) erhalten kann. Hinter dem QR-Code auf der ID verbergen sich in einer zentralen Datenbank gespeicherte biographische und biometrische Daten. Seit 2016 ist das System faktisch für alle Bürger verpflichtend, die staatliche Hilfe und Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen. Mittlerweile sind über 1,2 Milliarden Menschen in der weltweit größten Biometriedatenbank registriert.

Auf Wunsch der Eltern können auch Neugeborene und Minderjährige eine Aadhaar-ID erhalten. Ab dem fünften Lebensjahr müssen die Kinder neben den demografischen Daten wie Name, Geschlecht, Geburtsdatum und Adresse zusätzlich Ihre biometrischen Daten angeben, einschließlich eines Fotos des Gesichts, Iris-Scans beider Augen und Fingerabdrücke aller zehn Finger. Diese werden mit dem 15. Lebensjahr noch einmal aktualisiert.

Welche Möglichkeiten bietet Aadhaar?

Das Ziel des Aadhaar-Programmes ist die Verhinderung von Sozialbetrug. Über die Identifikation mit der Aadhaar-Karte soll gewährleistet werden, dass Sozial- und Hilfeleistungen zu den richtigen Personen gelangen. Mittlerweile werden jedoch auch Bankkonten, SIM-Karten, Versicherungen, Renten oder Darlehensanfragen mit der Aadhaar-ID verknüpft. Dies führte dazu, dass einige Anbieter Ihre Produkte und Dienstleistungen nur noch nach Vorlage der Aadhaar-ID verkauften. SIM-Karten wurden abgeschaltet und Bankkonten nach Ablauf einer Frist geschlossen. Eine 25-jährige Frau brachte ihr Kind vor der Notaufnahme eines Krankenhauses in Gurugram zur Welt, weil ihr das Personal aufgrund der fehlenden Aadhaar-Karte die Behandlung und den Zutritt zum Kreissaal verweigerte.

In seinem 1.448-seitigen Urteil ordnete das Gericht nun an, dass sowohl Schulen als auch Privatunternehmen die Angabe der Aadhaar-Nummer nicht verlangen dürfen. Die Verknüpfung der ID mit den Daten der Steuererklärung hielt die Mehrheit der Richter weiterhin für zulässig.

Die Bedrohungen der Aadhaar-IDs

Neben der Problematik des faktischen Zwangs der Identifizierung durch die Aadhaar-Karte, steht das Programm zunehmend in der Kritik. Mangelnde Sicherheit begünstigt Korruptionsvorfälle, steigende Cyberkriminalität und Identitätsdiebstähle.

Über 100 Fälle von Aadhaar-ID-Fälschungen sind bisher bekannt. Journalisten der indischen Zeitung „The Tribune“ berichteten, dass sie nach einer Zahlung von 500 Rupien (circa 6 €) an anonyme Verkäufer binnen 10 Minuten auf sämtliche Aadhaar-Nummern und die damit verbundenen Daten zugreifen konnten. Aufgrund eines Fehlers hatten 800 Bewohner desselben Dorfes fälschlicherweise das gleiche Geburtsdatum – den 01. Januar – auf Ihrer Aadhaar-Karte festgeschrieben. Dieser Fauxpas steht im ironischen Kontrast zu dem Werbeslogan von Aadhaar:

„It is better to be unique than the best. Because, being the best makes you the number one, but being unique makes you the only one.“

„Die Einzigen“ waren die Dorfbewohner mit dem gleichen Geburtsdatum trotz eindeutiger Aadhaar-ID nicht.

In den nächsten Jahren soll Aadhaar weiterentwickelt und mit den Gesundheitsdaten der indischen Bürger verknüpft werden. Wie die indische Regierung Ihre Bürger vor den Gefahren und Risiken der digitalen Identität zukünftig schützen will und kann, bleibt abzuwarten.