Der folgende Artikel basiert, wie bereits die vorhergehenden rechtsvergleichenden Beiträge (Suchmaschinen, Datenbanken, Drohnen) auf einem Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung und befasst sich mit dem Persönlichkeitsschutz durch heimliche Ton- und Bildaufnahmen u.a. mit Smartphones.

Die Ausgangslage – der Fall

Wer kennt die Situation nicht, man sitzt im Zug und beinahe alle starren auf ihre Smartphones. Was genau der einzelne macht, weiß man nicht; gut denkbar also, dass einige – aus welchen Gründen auch immer – Fotos, Videos oder Tonaufnahmen der Mitreisenden machen und diese auch an ihre persönlichen Kontakte versenden.

Eine andere Art heimlicher Aufzeichnungen kennt man aus den Medien zu Zwecken des Konsumenten- und Verbraucherschutzes. Derartige Aufnahmen, welche dann verpixelt und mit verfremdeten Stimmen ausgestrahlt werden, waren auch beim Konsumentenmagazin „Kassensturz“ des Schweizer Fernsehens gang und gäbe. Ein Entscheid (BGer 6B_225/2008) des Bundesgerichts setzte dieser Tradition 2008 jedoch vorübergehend ein Ende. Die Verantwortlichen der Sendung wurden wegen unbefugter Aufnahmen eines privaten Gesprächs verurteilt. Erst sieben Jahre später wurde dieses Urteil durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 24. Februar 2015 als rechtswidrig gewertet. Das Urteil hat die Wächterfunktion der Medien gestärkt, sofern diese Themen von gewichtigen öffentlichen Interessen aufgreifen und sich der Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen in Grenzen hält.

Die Rechtslage in der Schweiz

Die Tatsache, dass das Bundesgericht in den versteckten Aufnahmen eine Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs sah, erstaunt umso mehr vor dem Hintergrund, dass dasselbe Gericht bereits 1972 in einem Urteil die Pressefreiheit als tragende Grundlagen der direkten Demokratie der Schweiz einstufte.

Fehlt es bei versteckten Aufnahmen an der ausdrücklichen oder konkludenten Einwilligung – wovon in der Regel auszugehen ist – bedeutet dies eine Verletzung der Privatsphäre sowie des Rechts am eigenen Bild und an der eigenen Stimme.

Art. 13 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) sieht neben der Einwilligung auch eine gesetzliche Rechtfertigung zum Bearbeiten von Personendaten vor; doch fehlt es besonders beim eingangs genannten Beispiel heimlicher Aufnahmen im Zug an beiden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen.

Der dritte Rechtfertigungsgrund des Art. 13 Abs. 1 DSG sind überwiegende private oder öffentliche Interessen. Dieser Ansatz ist auch die einzige Möglichkeit, um heimliche Aufzeichnungen zu rechtfertigen; dies geht ebenfalls aus dem Entscheid der EGMR hervor. Er bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, dass die Meinungsfreiheit der Medien die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen überwiegt. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ein überwiegendes Interesse an den recherchierten Informationen vorliegt, die Beschaffung nur durch einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte möglich ist und der Eingriff als gering einzustufen ist. Gering ist er, wenn die betroffene Person hinreichend anonymisiert wurde und die Originalaufnahmen lediglich einem kleinen Personenkreis zugänglich sind.

Während demnach heimliche Aufnahmen durch Medienschaffende bei Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses erlaubt sind, liegt ein solches bei Aufnahmen durch Privatpersonen nicht vor. Trotz der dadurch vorliegenden Persönlichkeitsverletzung und den zustehenden Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen gibt es wenig erfolgreiche  Gegenmaßnahmen, die ergriffen werden können. Es stellt sich regelmäßig ein Beweisproblem, sofern die Bilder nicht öffentlich publiziert werden.

Die Rechtslage in Deutschland

Auch in Deutschland stellen heimlich aufgenommene Bilder oder Videos eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte dar. Insbesondere wenn hierdurch in den höchstpersönlichen Lebensbereich eingegriffen wird, stehen den Betroffenen privatrechtliche Unterlassungs-, Löschungs- (beide analog aus § 1004 Abs. 1 BGB) oder Schadenersatzansprüche (§ 7 BDSG oder § 823 Abs. 1 BGB) zu. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied im Urteil vom 19. Februar 2015, dass heimliche Videoaufnahmen durch einen Privatdetektiv eine Verletzung der Privatsphäre darstellen. Doch stellt sich die Frage der Beweislast gleichermaßen hierzulande.

Im Gegensatz zur Schweiz sieht das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) keine explizite Rechtfertigung der Datenverarbeitung durch überwiegende Allgemeininteressen vor; allerdings entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 5. Juli 2010, dass das überwiegende Allgemeininteresse das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschränken könne. Auf diese Weise erhält man auch in Deutschland die Möglichkeit einer zum schweizerischen Recht analogen Interessenabwägung, um eine mögliche Persönlichkeitsverletzung zu rechtfertigen. Diese legitime Einschränkung des Persönlichkeitsrechts sieht auch der deutsche Pressekodex in Ziffer 4 vor. Wie auch in Ziffer 4 des schweizerischen Journalistenkodex beinhaltet die deutsche Regelung, dass bei der Informationsbeschaffung keine unlauteren Methoden angewandt werden dürfen. Er geht in Richtlinie 4.1 sogar soweit, dass er verdeckte Recherchen im Einzelfall als gerechtfertigt erachtet, wenn die darin enthaltenen Informationen von besonderem öffentlichen Interessen sind. Dadurch erfahren gewisse Grundrechte (hier der Schutz der Persönlichkeit) eine Einschränkung mit Blick auf die Pressefreiheit.

Fazit

Die Regelungen hinsichtlich heimlicher und verdeckter Aufnahmen sind in der Schweiz und in Deutschland weitestgehend deckungsgleich. Beide Länder sehen strafrechtliche Sanktionen bei unbefugten Bild- und/oder Tonaufnahmen vor (§ 201 f. StGB/D sowie Art. 179 ff. StGB/CH), welche jedoch durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden können und somit eine legitimierte Datenverarbeitung darstellen, welche in einem verhältnismäßigen Rahmen in die Privatsphäre eingreift.

Heimliche Aufnahmen durch Privatpersonen können hingegen nicht durch ein überwiegendes Allgemeininteresse gerechtfertigt werden und stellen somit immer eine Persönlichkeitsverletzung dar, gegen die rechtlich vorgegangen werden kann. Hierbei stellen sich jedoch häufig beweisrechtliche Probleme.