Begrüßenswerte Reformen in der hessischen Landesverfassung

In welchem Bundesland kann ein besonders schweres Verbrechen mit dem Tode bestraft werden? So oder so ähnlich könnte eine Frage bei Günter Jauch’s „Wer wird Millionär“ Show lauten. Tatsächlich sieht das hessische Landesrecht in Art. 21 Abs. 1 S. 1 Hessische Verfassung (HV) eine solch drastische Sanktion vor, die aber seit der Einführung des Grundgesetzes in 1949 als vorrangiges Recht (Art. 102 GG) glücklicherweise nicht vollstreckt werden kann.

Am 28. Oktober waren alle wahlberechtigten Hessinnen und Hessen aufgerufen nicht nur über die Zusammensetzung des 20. Hessischen Landtags zu entscheiden, sondern auch ihre Stimmen zu insgesamt 15 Reformpunkten ihrer Landesverfassung abzugeben. Neben dem vielfach diskutierten Verbleib der Todesstrafe in der HV war insbesondere die Erhebung des Datenschutzes zum landesrechtlichen Grundrecht ein wichtiger Abstimmungspunkt und aus verfassungsrechtlicher Sicht ein Novum.

Todesstrafe raus – Datenschutz rein

Das sehr deutliche Ergebnis der Abstimmung liegt nunmehr vor. Während die „hessische Todesstrafe“ demnächst endgültig Rechtsgeschichte sein wird, haben sich hinsichtlich der Frage des Datenschutzes 90,9% für ein neues Grundrecht auf Datenschutz ausgesprochen. Der hessische Gesetzgeber hat angekündigt dieses in einen neuen Art. 12a HV aufzunehmen. Er wird lauten:

„Jeder Mensch ist berechtigt, über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten selbst zu bestimmen. Die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme werden gewährleistet. Einschränkungen dieser Rechte bedürfen eines Gesetzes.“

Der Hessische Landtag begründet die Einführung des Datenschutzgrundrechts in erster Linie damit, dass die hessische Verfassung bisher kein ausreichendes Schutzniveau zum Schutz von Daten und informationstechnischen Systemen biete. Diese Lücke soll nunmehr der neue Art. 12a HV schließen. In der Erläuterung heißt es, dass sich der Schutzbereich des Artikels auf alle datenverarbeitenden oder datenspeichernden Geräte erstrecken soll. Als besonders schutzbedürftig sieht der hessische Gesetzgeber die Privatsphäre des Nutzers an – so soll dieser bei der Nutzung solcher Systeme besonderen Gefährdungen durch heimliche Zugriffe geschützt werden.

Fazit

Die neuerlichen Entwicklungen in der hessischen Landesverfassung sind sehr zu begrüßen. Wenn man bedenkt, dass es die Hessen waren, die bereits im Jahre 1970 weltweit ein eigenes Datenschutzgesetz verabschiedeten, verwundert die Einführung eines bundesweit ersten Datenschutzgrundrechts kaum. Die rege Beteiligung am Volksentscheid zeigt, dass Datenschutz gerade auch in der breiten Mitte der Bevölkerung ein wichtiges Thema darstellt. Es handelt sich dabei mehr als nur um bloße Symbolpolitik. Zukünftig können und dürfen Datenschutz und der Schutz informationstechnischer Systeme nur noch durch ein Gesetz eingeschränkt werden. Allerdings geht mit der Kodifizierung des Datenschutzes in der hessischen Landesverfassung zugleich ein großes Defizit einher. Der Schutzbereich dieses Rechtsguts erstreckt sich bloß auf solche Sachverhalte, die auf dem Gebiet Hessens liegen. Bürgerinnen und Bürger anderer Bundesländer sind folglich nicht erfasst. Ungeachtet dessen ist der hessische Vorstoß erfreulich, denn er dürfte zu einer Neubelebung einer seit langem geführten Diskussion auf Bundesebene führen. Spätestens seit der vielfach beachteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2008 wird über die Verankerung des Datenschutzes im Grundgesetz gestritten, ohne dass sich eine erforderliche Mehrheit bislang finden konnte.