In der 221. Sitzung des Bundestage wurden vor wenigen Tagen gleich mehrere datenschutzrechtlich relevante Gesetzesentwürfe, unter anderem zur Videoüberwachung und dem Einsatz von Body-Cams, mit überwiegender Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet.

So stand in der Mammutsitzung zum einen die Änderung der Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum nach § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) auf der Tagesordnung. Danach wird die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) durch private Unternehmen und Privatpersonen abschließend nach dem Datenschutzrecht geregelt. Diesbezüglich gilt es angesichts der Auswirkung auf den Einzelnen die Interessen des Betreibers mit den Rechten des von der Videoüberwachung Betroffenen abzuwägen. Regelmäßig stehen sich die Grundrechte des Einzelnen und das Hausrecht oder sonstige berechtigte Interessen wie z.B. die Verhinderung von Straftaten gegenüber.

Künftig wird die Videoüberwachung vor allem für private Unternehmen wie z.B. den Eigentümern von Einkaufszentren oder Diskotheken erleichtert. Schließlich soll der Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit der Anwesenden deutlich mehr berücksichtigt werden –  Die bisher restriktiven Anwendungsfälle weichen damit immer mehr auf.

Die bisherige Vorschrift (§ 6b BDSG) soll in Abs. 1 wie folgt ergänzt werden:

„Bei der Videoüberwachung von

1. ) öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder

2.) Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-,Schiffs- und Busverkehrs gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse.“

Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen die „Sicherheitsbelange“ stärker von den Betreibern der Anlagen berücksichtigt werden und sich somit der Einsatz der Videoüberwachung noch leichter rechtfertigen lassen:

„Ziel des Gesetzesentwurfes ist es, die Sicherheit bei öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen (z. B. Einkaufszentren) sowie bei Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs, der in Privatrechtsform betrieben wird, zu erhöhen und Anschläge wie in Ansbach und München im Sommer 2016 zu verhindern.“

Der Bundesrat hat bereits signalisiert, keine Bedenken gegen diesen Gesetzesentwurf aufzuwerfen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Änderungen als beschlossen gelten und noch in dieser Legislaturperiode und vor dem erwarteten Wahlkampf zur Bundestagswahl – schnellst möglichst – in Kraft treten werden.

Inwieweit sich nun angesichts des Bestreben der Bundesregierung zur Ausweitung der Überwachungsmethoden die sog. intelligente Videoüberwachung durchsetzen wird oder vorerst noch ein Testpilot bleiben soll, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Die Bundesregierung selbst geht von einer Steigerung der zulässigen Videokameras um 20 Prozent nach dieser Novellierung aus.

Die Bundespolizei erhält mehr Befugnisse

Ebenso wurde in dieser Sitzung des Bundestages der bekannte Gesetzesentwurf zur Änderung des Bundespolizeigesetzes (BPolG) besprochen und verabschiedet. Dieser sieht unteranderem neue Befugnisse der Bundespolizei zum Einsatz von mobilen Bildaufnahme- und Tonaufzeichnungsgeräten vor, was insbesondere die Body-Cams betrifft. Diese Vorschriften gelten nicht für die Polizeibeamten der einzelnen Bundesländer. Jedoch wird die Bundespolizei an verschiedenen öffentlichen Plätzen im Innenland wie z.B. an Flughäfen oder Bahnhöfen auf Grund ihrer Funktion oder aber vertraglicher Regelungen mit der Deutschen Bahn tätig.

Eine eindeutige Rechtsgrundlage für die kleinen Minikameras an der Ausrüstung des Beamten wird von vielen Datenschützern seit Jahren gefordert. Der eigens hierfür neugeschaffene § 27a BPolG (Entwurf) bietet nunmehr ausdrücklich eine Rechtsgrundlage für die vieldiskutierten Schulterkameras, die sowohl Bild als auch Ton aufzeichnen können:

(1) Die Bundespolizei kann an öffentlich zugänglichen Orten personenbezogene Daten durch die offene Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen mittels körpernah getragener Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass dies erforderlich ist

1) zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder Eigentum oder

2) zur Verfolgung von

a) Straftaten oder

b) Ordnungswidrigkeiten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung.

In den weiteren Absätzen des § 27a BPolG sind der Einsatz und die Speicherfristen näher geregelt. So ist unter anderem auf diese Maßnahmen „in geeigneter Form hinzuweisen“. Die gespeicherten Daten dürfen je nach Zweck bis zu 30 Tagen bzw. 6 Monaten gespeichert und in besonderen Ausnahmefällen sogar darüber hinaus gespeichert werden. Letzteres kann eine jahrelange Aufbewahrung erlauben, wenn die Aufnahmen zum Zweck der Verfolgung von Straftaten aufgezeichnet werden. Konkrete Grenzen und Fristen für diese Fälle sind nicht erkennbar.

Und nach § 27b BPolG (Entwurf) wird das automatische Scannen von KFZ-Kennzeichnen an deutschen Grenzen bzw. im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei nunmehr unter den bereits in unserem Blog besprochenen Einschränkungen normiert.

Das Gesetz könnte, wenn es erwartungsgemäß des Bundesrat passiert, ebenso zügig in Kraft treten.

Strafverfolgung und Terrorabwehr

Sämtliche Neuerungen sollen dem besseren Schutz der Bevölkerung dienen wie auch den Umständen Rechnung tragen, dass womöglich immer mehr terroristische Anschläge hierzulande drohen oder zumindest die Sorgen vor diesen stetig wachsen. Nach wie vor ist das Thema jedoch nicht nur in der Politik stark umstritten, sondern auch unter den Datenschützern. Namenhafte Politiker und Datenschutzbeauftragte stehen der Ausweitung der Überwachungssysteme skeptisch gegenüber und sprechen beispielsweise der Videoüberwachung ihre (Abschreckungs-)Wirkung ab. Sinngemäß heißt es immer wieder: Wenn die mutmaßlichen Angreifer gerade die öffentliche Wahrnehmung und die Medien mit ihren Taten beanspruchen wollen oder gar suchen, auch um so die herbeigeführten Folgen noch stärker in die Öffentlichkeit auszustrahlen, wie sollen dann Kameras vor den Taten abschrecken? Und entsteht eine Massenüberwachung?

Ausblick

Dieser Kritikpunkt lässt sich bisweilen nicht von der Hand weisen. Ebenso wird sich zeigen müssen, inwiefern die besprochenen Rechtsgrundlagen im konkreten Einzelfall einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Angesichts des flächendeckenden Einsatzes von Videoüberwachungssystemen mit immer neuen technischen Möglichkeiten wie der Gesichtserkennung, aber auch zum Teil scharfer Kritik an der Installation von Body-Cams bei der Polizei dürfte das Thema in den nächsten Jahren noch viele spannende Gerichtsverfahren in Gang bringen.