Die Aufträge für die Fahrer von Deliveroo Italia s.r.l. wurden durch einen Algorithmus verwaltet. Das System zur Buchung von Arbeitsaufträgen basierte auf einer Punktzahl, die der Algorithmus jedem Fahrer zuordnete und die auf zwei Parametern beruhte: Zuverlässigkeit und Teilnahme. Die verwendete Software hat Fahrer diskriminiert und benachteiligt, die z.B. aufgrund eines Streiks oder aus gesundheitlichen Gründen innerhalb der letzten 24 Stunden ab Beginn der gebuchten Schicht abgesagt haben oder die sich nicht innerhalb von 15 Minuten ab Beginn des Auftrags im Arbeitsgebiet (mit der Geolocation-Software) eingeloggt haben. Diese Fahrer wurden im Ranking herabgestuft und hatten keinen Zugang mehr zu den guten Auftragszeiten und -strecken.

Der Big Brother der Radfahrer heißt Frank und ist „blind“

Das Jahr 2021 beginnt mit einem Angriff auf die großen Plattformen. Das Gericht von Bologna hat auf die Klage der Gewerkschaften hin entschieden, dass der von Deliveroo verwendete Algorithmus ‚Frank‘ zur Bewertung der Fahrer diskriminierend ist. Tania Scacchetti, Segretaria Confederale (Vorstandsmitglied) der CGIL, der ältesten italienischen Gewerkschaftsorganisation, begrüßt das Urteil als einen großen Durchbruch bei der Durchsetzung von Gewerkschaftsrechten und -freiheiten in der digitalen Welt. „Zum ersten Mal in Europa – unterstreicht die Gewerkschaftsführerin – stellt ein Richter fest, dass ‚Frank‘ „blind“ und damit gleichgültig gegenüber den Bedürfnissen der Fahrer ist, die keine Maschinen, sondern Arbeiter mit Rechten sind“. „Deliveroo diskriminiert diejenigen, die krank werden oder an einem Streik teilnehmen“. „Das Reputationsranking – erklärt Scacchetti – stuft sowohl diejenigen, die aus trivialen Gründen abwesend sind, als auch diejenigen, die wegen Krankheit oder zur Ausübung des Streikrechts der Lieferung fernbleiben, ohne Unterschied herab. Der Richter stellte daher fest, dass das von der Plattform für Essenslieferung angenommene Bewertungsmodell das Ergebnis der „bewussten Entscheidung“ des Unternehmens war, die Verfügbarkeit des Fahrers zu privilegieren, ohne die Gründe für eine Nicht-Verfügbarkeit zu berücksichtigen, denn wie das Gericht sagt: <<wenn sie will, kann die Plattform die Augenbinde abnehmen, die sie ‚blind‘ oder ‚unsensibel‘ in Bezug auf die Gründe für die fehlende Aktivität des Fahrers macht, und wenn sie es nicht tut, dann weil sie sich bewusst dagegen entschieden hat>>“.

Deliveroo Italy: „System ist korrekt“

Matteo Sarzana, General Manager von Deliveroo Italy, nimmt die Entscheidung des Richters zur Kenntnis und behält sich das Recht vor, in Berufung zu gehen. „Die Richtigkeit unseres alten Systems – sagt Sarzana – wird durch die Tatsache bestätigt, dass während des Urteils nicht ein einziger Fall von objektiver und echter Diskriminierung aufgetaucht ist.  Die Entscheidung beruht ausschließlich auf einer hypothetischen und potentiellen Bewertung ohne konkrete Anhaltspunkte: Wir werden in aller Ruhe die Möglichkeit einer Berufung prüfen, auch weil diese Technologie seit November durch eine andere, modernere ersetzt wurde, die die Verwendung von Statistiken nicht vorsieht, so dass diese Entscheidung keine Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell hat“.

Food Riders: „Wichtiges Urteil gegen räuberische Interessen von internationalen Lebensmittellieferanten“

Die Riders Union Bologna begrüßt das Urteil:„ Das Urteil des Gerichts von Bologna in erster Instanz, zu der Klage der CGIL wegen gewerkschaftsfeindlichen Verhaltens des Algorithmus gegenüber den Arbeitnehmern, ist ein wichtiger Baustein für die Erreichung eines angemessenen Standards und für die Entlarvung der Missstände, die sich hinter der schillernden Fassade der Lieferunternehmen verbergen.“

Nachtisch für 50.000 €

„Technisch gesehen handelt es sich nicht um eine Sammelklage wie in Amerika, aber tatsächlich ist es eine, weil es sich um eine Klage gegen die kollektive Diskriminierung am Arbeitsplatz handelt – erklärte Rechtsanwalt Carlo De Marchis, der die Klage zusammen mit seinen Kollegen Matilde Bidetti und Sergio Vacirca bearbeitet hat – Es steht keine konkrete Person hinter der Klage, sondern sie gilt für alle Fahrer. Das macht sie umso brisanter.“

Deliveroo muss nun 50.000 € als Entschädigung an die Kläger zahlen und die Entscheidung des Gerichts auf seiner Website und im Bereich „Häufig gestellte Fragen“ der Plattform veröffentlichen und wir werden bald erfahren, ob es im neuen Jahr keine Lieferungen ohne Rechte mehr geben wird.